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Fußball Schwalbe Schwiesau sucht Fußballerinnen

Die Fußballerinnen von Schwalbe Schwiesau und ihr Trainer suchen nach Verstärkungen für die neue Spielrunde 2020/21.

Von Fabian Schönrock 18.07.2020, 03:00

Schwiesau l Dabei setzt das Team von Karsten Schulz auf den Sympathie-Faktor und einen guten Zusammenhalt der Gemeinschaft.

Es ist 18.30 Uhr an einem Mittwochabend, freudestrahlende Gesichter auf der Sportanlage des SV Schwalbe Schwiesau. Sieben Frauen und ein Mann stehen auf dem Feld. Die Spielerinnen des SV Schwalbe Schwiesau sind eine kunterbunt zusammengewürfelte Gruppe. Jede Fußballerin bringt eine Geschichte mit, die erklärt, weshalb der Weg sie nach Schwiesau führte.

Da wäre Joana Mertens. Die 42-Jährige spielt seit 2016 beim SVS. In der vergangenen Saison absolvierte sie fünf Partien, ehe die Saison durch die Corona-Pandemie endete. Für Mertens ist die Aktivität bei den Schwalben eine Herzensangelegenheit. Für ihren Klub fährt die in Roxförde wohnende Verteidigerin die knapp 30 Kilometer weite Strecke nur all zu gern. „Ich fühle mich sehr wohl und verbunden mit diesem Klub. Hier werde ich nicht danach bewertet, was ich in meinem Privatleben veranstalte, sondern wie ich als Mensch bin. Ich befinde mich dann nicht in der Rolle der Mutter, sondern kann vom Alltag abschalten und sein, wie ich bin. Das tut unheimlich gut“, so die Familienfrau und vierfache Mutter, die sich in der Gemeinschaft pudelwohl fühlt.

In Schwiesau konnte Mertens sich zudem einen kleinen Kindheitstraum erfüllen. „Als Kind durfte ich nicht zum Fußball gehen. Mir wurde es in meiner Kindheit nicht erlaubt. Da sollten die für Mädchen üblichen Sachen gemacht werden.“ So kam die Camp-Mutti, wie sie liebevoll in den Reihen ihrer Mitspielerinnen genannt wird, erst in der Saison 2016/17 zum ersten Mal in Schwiesau zum Einsatz, ohne zuvor ein Pflichtspiel in einer Frauenfußballmannschaft bestritten zu haben. Mittlerweile ist Mertens nicht mehr wegzudenken aus dem Team und zeigt, dass der SVS auch Spielerinnen fördert, deren Interesse und Bereitschaft zum Fußball zu gehen, sich erst verhältnismäßig spät entwickelt hat.

Das trifft ebenfalls für Julia Bauke zu. Sie ist mit ihren 15 Jahren das Küken der Mannschaft. Ihre Schwester Clara Bauke, die aus beruflichen Gründen kürzer treten muss, spielte bereits für die Schwiesauer. Als Vorbild dienend und zu ihrer Schwester aufschauend, traute sich Julia Bauke zum Fußball, obwohl sie noch keinerlei Berührungspunkte zur Sportart hatte. In der Gemeinschaft der Schwiesauer Fußballerinnen ist sie nach nur wenigen Trainingseinheiten längst angekommen.

„Das macht uns als Mannschaft aus. Wir nehmen jeden auf. Von Mädels, die noch nie Fußball gespielt haben, bis zu gestandenen Spielerinnen, die schon in anderen Vereinen höherklassig gespielt haben. Jeder ist bei uns willkommen und gern gesehen“, so Michaela Clemens. Die 24-Jährige selbst kam vor zwei Jahren nach Schwiesau, und schätzt die flachen Hierarchien im Team. „Wir ergänzen uns total gut, obwohl viele Spielerinnen sich erst seit zwei Jahren kennen.“

Der Spaß am Gemeinschaftserlebnis Fußball und damit verbundenem gemeinsamen Lernen steht für die Kickerinnen ohnehin mehr im Fokus als sportlicher Wettkampfdruck: „Wir treten nicht an, um zu gewinnen, sondern in erster Linie, um gemeinsam als Mannschaft Freude zu haben. Es gab auch Turniere in der Halle, in denen wir 20 Gegentore kassiert haben und mit dem Ziel angetreten sind, nur zehn Gegentore zu kassieren. Dennoch haben wir uns gefreut, überhaupt dabei gewesen zu sein“, schildert Clemens die sportlich ungezwungene Herangehensweise an den Wettbewerb.

Gerade in der ersten Saison unter Trainer Karsten Schulz steckten die Mädels deftige Niederlagen ein. Doch der Umgang mit den Pleiten war nicht nur verblüffend, sondern spiegelte zugleich den hervorragenden Charakter der Truppe wider. „Es gab mal ein Spiel gegen ein Team aus Magdeburg, in dem wir 1:6 verloren haben. Wir waren in dem Spiel total unterlegen. Aber als es uns gelungen ist, nach dem 0:6-Rückstand ein Tor zu schießen, sind wir alle zur Torschützin gerannt und haben gejubelt und geschrien vor Glück. Die Zuschauer schauten uns verblüfft an und dachten bestimmt, wir hätten nicht begriffen, dass wir gerade haushoch zurück liegen und das Spiel verlieren würden. Der Trainer der Gegner hat seine Mannschaft zusammengestaucht und sich geärgert. Wir dagegen hatten uns trotzdem für die Torschützin und uns als gesamte Mannschaft gefreut“, erklärt Mertens.

Genau diese Einstellung schätzt der mittlerweile seit zwei Jahren im Amt befindliche Trainer Schulz an seinen Spielerinnen. „Die Chemie in der Mannschaft stimmt. Selbst wenn die Mädels verlieren. Am Anfang meiner Trainertätigkeit wurde mir von außen abgeraten, dieses Team zu übernehmen. Die Leute fragten mich, was ich bei Schwiesau denn zu suchen hätte. Die verlieren doch eh nur. Die Mädels haben aber gezeigt, dass sie es wert sind, trainiert zu werden. Alle Klischees, die um die Mannschaft hereingetragen wurden, konnte ich nicht vorfinden. Im Gegenteil: Ich war bei meinem ersten Training mit der Mannschaft positiv überrascht, wie viel fußballerische Qualität in ihr steckt. Wenn man mit den Mädels arbeitet und sie fördert, dann verbessern sie sich auch. Die Mannschaft war von Beginn an lernwillig. Man muss sich nur die Zeit nehmen und sie regelmäßig im Training beschäftigen“, so Coach Schulz, der in den Trainingseinheiten zum Teil selbst mitspielt, wenn es erforderlich ist.

„Fußballerisches Talent und Qualität ist mit Torhüterin Khezia Henke (17), Kapitänin Marie-Lena Sensenschmidt (24), Torjägerin Vivien Rossmeisl (19) und Winterneuzugang Nadja-Sophi Noth (kam aus Gardelegen) im Kader vorhanden. Dieses wurde in der zweiten Saison unter der Regie von Coach Schulz ausgeschöpft. „Man hat in den Vorbereitungsturnieren zur vergangenen Saison gesehen, zu was die Mannschaft in der Lage sein kann. In Oebisfelde haben wir ein überragendes Turnier gespielt und drei von vier Spielen mit 1:0 gewonnen. Wir sind danach beruhigt in die Saison gestartet. Vor allem die Siege gegen Grün-Weiß Potzehne (4:2) und in Klein Wanzleben (4:0) haben gezeigt, dass wir fußballerisch mithalten können. Vor allem gegen Klein Wanzleben haben wir taktisch und als Mannschaft unsere beste Saisonleistung gezeigt“, erklärt Schulz.

Nach acht Spielen in der Regionalklasse, konnte der SVS 17 Punkte verbuchen. Damit belegten die Blau-Weißen, nur wegen der um drei Tore schlechteren Differenz einen Platz hinter Konkurrent Union Schönebeck, den dritten Rang. „Schade, dass die Saison wegen des Lockdowns abgebrochen wurde, sonst hätten wir vielleicht noch die Schönebecker einholen können“, äußert sich Schulz zur Leistung in der vergangenen Saison.

Um den Spielbetrieb in der kommenden Saison zu gewährleisten oder gar an ähnliche Erfolge, wie mit dem starken dritten Rang in der Regionalklasse der letzten Runde anzuknüpfen, ist der SVS allerdings auf weitere Spielerinnen angewiesen. „Bei uns ist jeder willkommen. Gerade Mädels, die schon etwas länger aus dem Vereinsleben raus sind und noch unentschlossen sind, wieder einzusteigen. Wir suchen auch altersunabhängig. Von der Hausfrau und Mutter bis hin zur Schülerin oder Studentin nehmen wir jede Spielerin an“, sagt Trainer Karsten Schulz.

Für Studentinnen, die nicht mehr nah genug am Heimatort dran sind und beruflich Auswärtige, die sich zeitlich lediglich an Wochenenden einbringen können, versucht der engagierte Trainer ebenfalls eine Lösung zu finden: „Es gibt die Möglichkeit, einen Gastspielerantrag zu stellen für Spielerinnen, die aktiv neben dem Fußball am Standort noch bei ihrem Heimatverein spielen wollen. Damit beschäftigen wir uns aktuell, da Clara Bauke Sozialpädagogik in Dresden studieren will.“

Mit diesem Modell könnte der Verein potenzielle Interessenten locken, die heimatverbunden sind, jedoch nicht am Trainingsbetrieb teilnehmen können. „Das soll die Spielerinnen nicht demotivieren. Wir stellen zwar diejenigen Mädels auf, die regelmäßig am Training teilnehmen, dennoch geben wir den Abwesenden die Chance, am Wochenende für das Team aufzulaufen“, erklärt Karsten Schulz.

Nun warten die Schwalbe-Frauen nur noch auf neue Mitspielerinnen, denen sie die gute Stimmung in Schwiesau implantieren können. Weitere Neuzugänge sind dem aufgeschlossenen und entwicklungsfähigen Regionalklasse-Vertreter allemal zu wünschen.