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Radsport Salzwedeler Radsport-Historie mit Dr. Arendt

Der Radsport ist in der Altmark fast komplett von der Bildfläche verschwunden.

Von Thomas Koepke 08.06.2020, 08:00

Salzwedel l In den früheren Jahren - und vor allem Ende der 40er und Mitte der 50er Jahre - gab es in Salzwedel eher viel darüber zu berichten. Aufgearbeitet hat das Dr. Wolfgang Arendt in einer weitreichenden und umfassenden Chronik.

Diese Chronik - und viele weitere sportliche Schätze - schlummern nämlich in den Tiefen des Traditionaskabinettes des Kreissportbundes in Klötze. Sie zu entdecken macht nicht nur Spaß, sondern lässt genauere Blicke in die Vergangenheit der altmärkischen Sportwelt zu.

Dr. Wolfgang Arendt war selbst aktiver Radfahrer und hat großen Anteil an der Entwicklung dieser Sportart in den früheren Jahren in Salzwedel. Auch für das Onlineportal „radsportonline.com“ erarbeiete er Artikel und Recherchen rund um den Radsport und vor allem über Täve Schur. Dort beschreibt er sich wie folgt:

„Durch das Erlernen eines Berufes in einem Privatbetrieb und sich anschließender langjähriger Ausübung desselben in privaten Handwerksbetrieben, blieb wenig Zeit für den Radsport. Zumal sich die wöchentliche 6-Tage-Arbeitszeit von 48 Stunden bis Sonnabend 13 Uhr erstreckte. Aus alten Teilen bastelte ich ein halbfertiges Rennrad ohne Schaltung, mit nur einer Bremse zusammen. Mit 14 Jahren begann ich im Verein „Einheit“ und danach „Dynamo“ Salzwedel die kurze Laufbahn. Meine kleinen Erfolge beschränkten sich auf zweite und dritte Plätze im Kreismaßstab“.

Geboren wurde Arendt 1938 in Salzwedel. Nach der Schul- und Lehrzeit 1955 arbeiete er in verschiedenen Bau- und Möbeltischlereien in Salzwedel. In der Zeit bis 1963 bildete sich Arendt weiter und absolvierte sogar den Fachhochschulvorbereitungskurs, der ihm schlussendlich einen neuen Weg zeigte.

1967 legte er sein Staatsexamen am Pädagogischen Institut in Güstrow ab und war befähigt, Schüler/innen der Klassenstufen 5 bis 10 in den Fächern Biologie und Grundlagen der landwirtschaftlichen Produktion unterrichten.

Bis 1980 war er als Lehrer an der Jenny-Marx-Oberschule aktiv, wurde aber ebenso von anderen Schulen des Kreises als Wanderleher abgefordert. Innerhalb dieser Lehrtätigkeit absolvierte Arendt ein Fernstudium zur Lehrbefähigung der Klassenstufen 11 und 12 im Fach Biologie. Folglich schloss er dieses als Diplomlehrer ab.

1981 begann er an der Pädagogischen Hochschule in Halle/Saale im Wissenschaftsbereich Bilogiedidaktik zu arbeiten, war gleichzeitig Lehrer im Hochschuldienst und durfte als Prüfungsvorsitzender auch Prüfungen abnehmen.

Bis zur Wende betreute Arendt sechs Diplomarbeiten und übernahm hauptamtlich einen befristeten Studiengang in der Schulgartendidaktik. Ebenfalls bereitete er sich auf die Dissertation vor, die später auch gelang.

Im sportlichen Sinne kannte Dr. Wolfgang Arendt aber nur den Radsport. Es war für ihn eine Passion.

„Mit Beschreiten des zweiten Bildungsweges, der Familiengründung, vierjährigem Direktstudium und zweieinhalbjährigem Fernstudium wurde letztendlich die sportliche Aktivität gänzlich eingestellt. Erst im Rentenalter gab es wieder Zeit für den Radsport.

Als Freizeitsportler begann ich wieder regelmäßig mit dem Rennrad zu fahren. Höhepunkte waren die Teilnahme an der Grundsteinlegung zum Friedensfahrtmuseum in Kleinmühingen 2005 und an der Sternfahrt zur Landessportschule nach Osterburg 2006. In Osterburg gab es auch ein Zusammentreffen mit dem vor vielen Jahren nach Australien ausgewanderten Werner Oemler, der Mitbegründer der Osterburger Sportschule war. Ihn kannte ich schon aus Salzwedel, wo er einst unter anderem im Zusammenhang mit Dorffesten kleine Kirmesrennen, bei denen es Präsente zu gewinnen gab, organisierte. Er fuhr auch selbst Radrennen und wirkte als Trainer“, so Arendt auf radsportonline.com.

Sehr interessant ist aber seine Aufarbeitung „Salzwedeler Radsportgeschichten - Der Versuch einer Dokumentation - verbunden mit persönlichen Erinnerungen“.

Dort befasst sich Arendt vornehmlich mit den Jahren 1948 bis 1961, in denen radfsportlich gesehen in Salzwedel eine Menge los war. An dieser Stelle kann natürlich nur ein kleiner Ausflug in die Chronik unternommen werden.

Ein erfolgreicher Rennradfahrer Anfang des 20. Jahrhunderts war Franz Voigt, ein kleiner drahtiger Mann. Er wurde am 28. Juli 1879 in Salzwedel geboren und starb 1958. Einer seiner Erfolge war der Gewinn des Großen Preises der Stadt Nienburg. „Pokal und Rennrad konnte ich noch bei ihm bewundern. Mit fast 80 Jahren fuhr er noch Rad und lief Schlittschuh“, so Arendt.

Weit später trat Friedrich Kersten sen. als Rennradfahrer zwischen Salzwedel und Arendsee in Erscheinnung. „Überliefert ist, dass er auch mal zur Luftpumpe gegriffen haben soll, um seine Gegner damit zu attackieren“, schreibt Arendt. Ob es noch mehrere Radfahrer in dieser Zeit gab, konnte von Arendt nicht genau recherchiert werden. Zu dieser Zeit existierte noch der Radsportverein Wanderlust in Salzwedel. Der richtete allerdings keine Rennen aus.

Die Jahre nach dem zweiten Weltkrieg waren schwierig, doch später lebte der Radsport - auch in den Nachbarländern - wieder auf. Die Salzwedeler Radsportfreunde engagierten sich nach 1945 besonders im Saalradsport, zum Beispiel im Radball und Reigenfahren. Daneben behauptete sich die Radwanderbewegung mit den sogenannten Sternfahrten. Aber auch kleinere Rennen im Kreismaßstab fanden bereits wieder statt.

„Als Aktiver trat besonders Sportfreund Erhard Thiede (*1. Oktober 1919) hervor, eigentlich ein Leichtathlet, der auf Grund von Kriegsverwundungen diese Sportart nicht mehr ausüben konnte und sich nun dem Radsport widmete. Mit über 30 Jahren zeigte er noch einigen jüngeren Fahrern das Hinterrad, wie verschiedene Zeitungsausschnitte belegen“, so Arendt.

Das Material bestand damals vornehmlich aus der Vorkriegszeit. Die 28er Drahtreifen verrichteten auf den hochgezogenen Holzfelgen ihre Arbeit. Wie Arendt erkundete, fuhr Sportfreund Thiede sogar ein französisches Modell der Marke Peugeot. Damit war natürlich kein Rennen mehr zu gewinnen.

„Ein insgesamt noch viel schwereres, fast urtümliches englisches Renngefährt stand bei Fahrrad-Lemme zur leihweisen Benutzung. Anfangs fuhr Sportfreund Ertmer damit, später ein paar Mal Wolfgang Gries. Wer damit vorwärts kommen wollte, brauchte Bärenkräfte“, so Arendt.

Horst und Fritz Kersten beendeten in dieser Zeit ihre Rennradsportkarieren frühzeitig. Dagegen übernahm Thiede die Organisation von Radsportveranstaltungen. „Seine Tätigkeit wurde später vom Fachausschuss Radsport des Bezirkes Magdeburg gewürdigt“.

Die mittlerweile Jugendlichen Hans und Horst Schulze und auch Arendt selbst begannen 1952 mit dem Aufbau eigener Rennräder aus gebrauchtem Material.

„Ich fuhr mit schmalen 27-Zoll-Holzfelgen und Schlauchreifen. Sportfreund Werner Blume hatte sie mir preiswert überlassen, als er seine sportliche Laufbahn beendete... Meine Holzfelgen mussten manchmal nachzentriert werden, federten jedoch auf den damals noch schlechten Straßen, insbesondere auf Kopfsteinpflaster, ein wenig nach“, erinnert sich Arendt.

Da Arendt fast sein gesamtes Lehrlingsgeld bei seiner Mutter abgeben musste, blieb wenig für das Radtuning übrig. Er fuhr lange Zeit ohne Gangschaltung und nur mit einer Hinterradbremse ausgerüstet.

Nach dem DDR-offenen Rennen „Rund um den Rathausturm“ 1953, gingen bei der Radsportgruppe die Lichter aus. Dennoch nahmen zuvor drei Salzwedeler Junioren noch an diesem Rennen teil. Friedrich Kersten lag zwar aussichtsreich im Rennen, hatte aber mit einem Materialschaden am Hinterrad zu kämpfen. Horst Kersten dagegen hatte nach Sturz und Reifenschaden auch nicht den gewünschten Erfolg.

Im Aprill 1954 fand dann das interne Frühjahrsfahren der Salzwedeler statt. Initiiert wurde das von Volkmar Lemme, der damit vor allem die Jugendfahrer erreichen wollte.

„Hans Schulze siegte mit Reifenstärke vor mir und seinem Brunder Horst. Im Spurt machte sich schon der Unterschied bei der Übersetzung bemerkbar“, so Arendt.

Die Trainingsfahrten in die damailigen Altmarkkreise Klötze und Gardelegen brachten den Salzwedelern zu dieser Zeit aber besonders viel Spaß, wenn sie gemeinsam absolviert wurden. Dabei war Hans Schulze der Initiator. 1955 beendeten aber Horst und Hans Schulze die Radsportkariere nach dem Zerfall der Sparte.

„Für mich führten der anstrengende Beruf als Bau- und Möbeltischler und die wenige Freizeit dazu, dass auch ich nur noch sporadisch mit dem rennrad untwergs war“, erinnert sich der Historiker.

Im Juni 1955 startete Täve Schur zu einer Trainingsfahrt mit dem Ziel Salzwedel. Gemeinsam mit Jan Vesely nahm er die Tour in Angriff. „Die lockere Art von Täve gefiel uns natürlich. Jedoch hatten wir uns nicht getraut, dort als Sportler mit unseren Rennrädern in Erscheinung zu treten. So blieben wir anonym im Hintergrund“, so Arendt.

Ab August fuhren Arendt und weitere Nachwuchsfahrer für die neugegründete SV Dynamo Salzwedel. Ende des Monats holte Arendt bei einem Rennen einen dritten Platz, musste sich danach aber mit Sturzfolgen herumplagen. Die hielten ihn aber nicht davon ab, eine Radwandertour in die BRD zu unternehmen. Nach der Tour mit Pleiten, Pech und Pannen meldete sich Arendt bei Dynamo wieder ab, obwohl sein Fitnesslevel derzeit ausgesprochen gut war.

1956 und 1957 kam der Radsport wieder etwas zum Erliegen, doch immer wieder keimte durch neue Jugendfahrer Hoffnung auf. Allerdings zeigte sich auch, dass der Radsport in einem Grenzregiment nicht so günstig angesiedelt war.

Nach einer erneuten Radwandertour nach Schleswig-Holstein 1957, standen für Arendt nur noch kleinere Trainingsfahrten im Salzwedeler Umland an. Da Arendt mittlerweile ein Facharbeiter war und mehr Geld zur Verfügung stand, rüstete er sein Fahrrad mit einer 4-Gang-Schaltung aus.

In dieser Zeit begannen auch Ulf-Dietrich Heymann, Gerd Schönert und Wolfgang Sinnhuber mit dem Radsport. Peter Schneevoigt fuhr sogar für den ASK Neubrandenburg. „Leider kam keine vorwärtsbringende Sportgemeinschaft zustande. Jeder trainiert, wenn überhaupt, für sich allein“, so Arendt weiter.

Kurz vor den 1960er Jahren wurden in Salzwedel neue Jugendfahrer aktiv. Einer von ihnen war Günter Scholz. Er hatte auch schon einige Rennen in Salzwedel bestritten. „Trotzdem meldete er sich unkorrekt als Anfänger (ohne Renneinsatz) beim Bezirksausscheid der Kleinen Friedensfahrt in Magdeburg an und belegte den dritten Platz“, so Arendt.

Am Vatertag 1959 verkaufte Arendt sein Rennrad. Neuer Besitzer war Sigurd Lunau, der mittlerweile in dem Haus wohnte, indem auch Rennfahrer Kurbjuweit bereits wohnhaft war. Lunau selbst begann als 19-Jähriger mit dem Radsport. Angleitet wurde er damals von Peter Schneevoigt, der wieder nach Salzwedel zurückgekehrt war.

Die aktive Rennsport-Kariere von Dr. Wolfgang Arendt endete auch an dieser Stelle. Doch sportliche Inaktivität sollte das nicht bedeuten. „Ich begann, Tischtennis zu spielen. Mit Beschreiten des zweiten Bildungsweges und Familiengründung, blieb für den Sport keine Zeit mehr“.

Das alte Rennrad von Arendt fuhr aber weiter - mit Lunau im Sattel, der sogar ein Rennen zwischen Hecklingen und Staßfurt absolvierte. Allerdings erstrahlte das Rad in neuem Glanz. Die Holzfelgen wichen Aluminiumrädern.

1963 wechselte das Rad erneut den Besitzer. Peter Rechenberg beerdigte selbiges dann aber nach einem Bruch in einem schweren Rennen. Fortan diente das Rad nur noch als Ersatzteilspender. „Damit ist die Geschichte meines ehemaligen Rennrades aus“, so Arendt.