Vizeweltmeisterin vom SC Magdeburg gönnt ihrem geschundenen Körper eine Pause Nadine Kleinert lässt Kugel bis Jahresende links liegen
Magdeburg. "Rechts weitermachen!" Diese Aufforderung ihres Trainers kann Vizeweltmeisterin Nadine Kleinert nicht mehr hören. Seit fast 20 Jahren wird sie von Klaus Schneider auf die Schwachseite ihrer Kugelstoßtechnik hingewiesen: "Je nachdem, mal mehr und mal weniger nett. Manchmal habe ich das Gefühl, Trainer sagt das nur, um mich zu ärgern. Aber egal, es nervt mich inzwischen tierisch", gibt das Leichtathletik-Ass des SC Magdeburg in seiner gradenlos direkten Art preis, und schiebt hinterher: "Doch damit ist jetzt Schluss!"
Wie bitte, beendet hier gerade eine Ausnahmeathletin ihre Karriere? Mitnichten. Die in Dreileben beheimatete Kleinert, die vor einer Woche beim Länderkampf "DecaNation" in Annecy den letzten Wettkampf ihrer Saison 2010 bestritt, kündigt nur den Anfang einer längeren Schaffens-pause an: Bis Januar will sie die Kugel links liegenlassen "In Absprache mit meinem Trainer ist im kommenden Jahr zur Abwechslung mal keine Hallensaison geplant, sodass ich erst wieder im Januar ins Training einsteigen werde, um mich dann langfristig auf die WM Ende August 2011 in Südkorea vorzubereiten."
Kleinerts "Schnitt" hat Gründe. Einer davon ist, dass es mit der Kugel in diesem Jahr nicht so "flutsche", wie wohl viele es nach dem sensationellen WM-Silber erhofft hatten. Im Vergleich zu den in Berlin gestoßenen 20,20 Metern war das Abschneiden bei den EM in Barcelona im August mit 18,94 m und Rang sieben dagegen doch eher "Magerkost". "Sicher war das nicht berauschend, aber wenn ich ehrlich bin, hatte ich die EM auch gar nicht so richtig auf dem Schirm. Ich wollte nach der emotional doch sehr anstrengenden und langen WM-Saison alles mal etwas lockerer angehen und der Fokus sollte eher auf den Diamond-League-Meetings und das Geldverdienen liegen."
Als ihr dann aber doch im Vorfeld die 19,64 m rausgerutscht waren, habe sie sich auf einmal auf Rang vier der Weltrangliste wiedergefunden. "Damit landete ich automatisch im Kreis der EM-Favoritinnen. Im Nachhinein kann ich nur sagen: dumm gelaufen. Denn mein Körper ließ sich nicht so einfach verarschen. Der hat mir signalisiert: Vorsicht, du 34 und nicht mehr die Jüngste und hat sich einfach seine Auszeiten genommen. Immer mal wieder tat etwas anderes weh und ich musste einen Gang rausnehmen. Und wenn man summa summarum nur die Hälfte von dem trainiert, was man im Vorjahr gemacht hat, kommt hinten auch weniger raus."
Nun also will sie "definitiv" kürzer treten: "Ich gönne meinem geschundenen Körper wirklich mal die Pause, die er braucht." Doch ganz aufhören, das kommt für Nadine Kleinert (noch) nicht in Frage: "Solange ich trotz aller Abstriche, die ich inzwischen machen muss, in Deutschland immer noch die Beste bin und ich Spaß am Kugelstoßen habe, so lange mache ich weiter. Außerdem ist der Kredit fürs Haus immer noch nicht ganz abgezahlt."
In der mehr als dreimonatigen Pause bis zum Trainingsbeginn wird die Kugelstoßerin a.D. aber nicht vor Langeweile sterben. Im Gegenteil, will sie doch u. a. in dieser Zeit auch die im Vorjahr gestartete Trainerausbildung forcieren. "Ich werde im Oktober in Kienbaum einen Lehrgang mitmachen, um den B-Trainerschein zu bekommen. Und auch um meine Fitness muss sich niemand Sorgen machen. Haus, Hof und Hund bieten genug Bewegung – mehr als mir manchmal lieb ist."