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Kanu Oeltze hört auf seinen Körper

Yul Oeltze (SC Magdeburg) hat mit Peter Kretschmer seinen Titel bei der Kanu-EM im Zweier-Canadier verteidigt. Nun greifen sie bei der WM nach Gold.

Von Daniel Hübner 29.06.2018, 01:01

Magdeburg l Auf dem Trainingsgelände der SCM-Kanuten hat sich neulich Adonis verlaufen. Er trug eine schwarze Designerjeans, ein schwarzes Shirt, eine Sonnenbrille. Seine Muskeln waren gestählt, seine Haut braungebrannt. So könnte man sich auch den Gott der Schönheit aus der griechischen Mythologie im Jahr 2018 vorstellen. In unserem Fall allerdings handelte es sich um einen Weltmeister: Yul Oeltze. Und um sein irdisches Dasein noch zu bestätigen, reicht allein dieses Zitat: „Ich bin ehrlich: Ich bin ein bequemer und fauler Mensch.“

Dass solch ein Athlet dann zu seinem ersten Titel im Zweier-Canadier über 1000 Meter gefahren ist, gemeinsam mit dem Leipziger Peter Kretschmer (26) im vergangenen Jahr in Racice (Tschechien), grenzt eigentlich an ein körperliches Wunder. Aber gerade der Körper von Yul Oeltze, 24 Jahre, fordert nach Großereignissen seine Ruhe. Wie nach der Europameisterschaft zuletzt in Belgrad (Serbien), als beide ihren Titel aus dem Vorjahr verteidigten. „Das war heftig. Ich war physisch und psychisch komplett durch“, erklärt der Polizeimeister. Oeltze nahm also Abstand von allem, von seinem Sport, von seinem Partner, den er in diesem Jahr schon vier Monate gesehen hat. Und er fuhr nach Appeldoorn in die Niederlande, er nistete sich eine Woche lang in ein Wellness-Hotel ein: „Das hat mir wirklich gutgetan.“

Oeltze hört auf seinen Körper, mehr als in der Vergangenheit. Das ist das Geheimnis, sagt er. „Sich rausnehmen, wenn es nicht mehr geht.“ Und wieder angreifen, wenn er fit ist. „Und ich bin wieder fit“, erklärt er. Fit, um sich auf die nächste Weltmeisterschaft vorzubereiten. Vom 23. bis 26. August werden in Montemor-o-Velho (Portugal) die neuen Helden gesucht. Und Oeltze/Kretschmer haben die besten Chancen, den Olymp erneut zu besteigen. Allein aufgrund ihrer bereits gesammelten Erfahrung.

„Wir fahren jetzt die zweite Saison miteinander, wir wissen genau, wie wir agieren müssen, unser Boot ist eingestellt. Deshalb konnten wir auch an die vergangene Saison nahtlos anknüpfen“, resümiert Oeltze. Vor dem EM-Titel sicherten sie sich in Duisburg den Weltcupsieg. „Wir mussten nichts weiter machen als trainieren.“ Sie trainieren gemeinsam und sie trainieren individuell. Jeder hat sein Programm.

Das Programm des Magdeburgers war von Anfang an ein Experiment. Nach einem verkorksten 2016 mit verpasster Olympia-Qualifikation für Rio hat er seinen eigenen Weg gefunden, auch in Absprache mit Heimtrainer Detlef Hummelt. „Ich habe mir einen leichteren Weg gesucht“, berichtet Oeltze zwar. „Aber trotzdem ist er extrem hart.“ Neue Elemente im Kraftbereich gehören dazu, statt „volle Kante“ fährt er im Training im Intervallmodus mit Fokus auf seine Technik. Dennoch: „Ich habe noch Potenzial nach oben“, blickt er auch auf sein großes Ziel, die Olympischen Spiele 2020 in Tokio, voraus. Bislang hat sich der Weg in jedem Fall ausgezahlt.

Und er soll sich auch in Montemor-o-Velho auszahlen. „Keiner sagt: Wir müssen gewinnen“, betont Oeltze. „Wir machen uns selbst den größten Druck.“ Wenngleich die Strecke vor der portugiesischen Atlantikküste mit den Launen des Ozeans kämpfen muss und zuweilen „unfaire Bedingungen herrschen“, so Oeltze. Und ergänzt: „Wir gehen aber die WM klar mit dem Ziel Titelverteidigung an.“ Vielleicht gönnt auch Poseidon, der Gott des Meeres, in jenen August-Tagen seinem Körper und dem Wasser ein wenig Ruhe.