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US-Sport US-Colleges locken deutsche Talente

Für deutsche Talente ist es schwierig, ihre Sportkarriere zu finanzieren. In den USA locken Colleges mit hochprofessionellen Bedingungen.

25.04.2018, 10:39

Frankfurt/Main (dpa) l Ein Marathon-Mann wie Timo Göhler hat es getan. Ein Zehnkampf-EM-Kandidat wie Luca Wieland, ein deutscher Rekordhalter im Schwimmen wie Fabian Schwingenschlögl auch: Mit einem Stipendium in den USA haben sie ihre Karrieren vorangetrieben. Während immer mehr Athleten hierzulande über mangelnde Förderung klagen, hat dieses Trio wie manch anderes Talent auch diesen Weg gewählt. Selbst für Fußballer, die nicht bedingungslos auf die Karte Profitum setzen und sich eine berufliche Perspektive schaffen wollen, ist der Weg über ein amerikanisches College mittlerweile ein Thema.

Schwingenschlögl verblüffte bei der Kurzbahn-EM im Dezember unter anderem mit drei deutschen Rekorden und Platz vier über 50 Meter Brust. "Alle, die aus Amerika kommen, bringen diesen American Spirit mit: Sie haben ein ausgeprägtes Teamgefühl. Sie machen da drüben eine hervorragende Arbeit", schwärmt Bundestrainer Henning Lambertz über den Studenten der Universität von Missouri.

"Letztendlich war es die beste Entscheidung, die ich hätte treffen können", sagt Schwingelschlögl nach vier Jahren in den USA. "Vorteile sind aus meiner Sicht einfach die Bedingungen, mit denen wir Sportler dort arbeiten, egal ob für das Training oder die Schule. Für beides wird alles getan, damit der Sportler erfolgreich sein kann", berichtet er. "Nachteile fallen mir so gut wie keine ein – außer vielleicht, dass es nicht für jeden etwas ist, in ein fernes Land zu gehen und dann auf sehr hohem Niveau sich mit anderen messen zu müssen." In Deutschland müsse man mit dem Schulabschluss schon sehr gut sein, um überhaupt genügend Förderung zu erhalten.

Göhler kam 2016 mit zwei Master-Abschlüssen aus Portland/Oregon zurück und avancierte zum besten deutschen 10.000-Meter-Läufer des Jahres. "Ich war hier ohne Unterstützung und habe in den USA mit einem jährlichen 40.000-Dollar-Stipendium die bestmögliche Unterstützung erfahren", sagt der Düsseldorfer.

Zehnkämpfer Wieland ist nach einem Bachelor-Abschluss an der Universität von Minnesota nach vier Jahren zurück in der Heimat und trainiert jetzt beim SV Halle mit Vize-Weltmeister Rico Freimuth. In den USA war dem 23-Jährigen aus Zweibrücken der Durchbruch gelungen, 2017 machte er 8201 Punkte. Zur WM durfte er dennoch nicht. "Es war in der Vergangenheit fast unmöglich für mich, daran teilzunehmen, weil die College-Saison in den USA schon Anfang Juni zu Ende ist. Da ist man ausgebrannt und hier fangen die Quali-Wettkämpfe an." Jetzt aber peilt Wieland seine EM-Teilnahme im August in Berlin an.

Aus der Vermittlung von Stipendien hat sich inzwischen ein Markt entwickelt: Agenturen wie Scholarbook, uniexperts, Sport-Scholarships und Monaco Sportstipendium knüpfen die Kontakte und bereiten die Kandidaten auf Eingangsprüfungen vor. "Man sollte sich neben der sportlichen Laufbahn auch eine berufliche aufbauen. Das ist in Deutschland schwierig", sagt Simon Stützel. Er hat als Langstreckenläufer einst in Charlotte studierte und inzwischen als Gründer und Geschäftsführer von Scholarbook schon etwa 2000 Stipendien vermittelt – darunter auch an Göhler und Schwingenschlögl.

Bis zu 70.000 US-Dollar (rund 57.000 Euro) im Jahr seien diese wert: Wohnung, Verpflegung, Trainingslager, Betreuung, Taschengeld – alles inklusive. Der 31-Jährige aus Karlsruhe schwärmt von der "hohen Professionalität" an den Colleges. "Die einzigen Sportler, die es sich hierzulande erlauben können, ihr Studium zu strecken, sind die mit reichen Eltern."

Sein Unternehmen kooperiert unter anderem mit dem Deutschen Schwimm-Verband und dem Olympia-Stützpunkt Hessen. Einige Verbände sehen es jedoch ungern, wenn sich ihre Talente fernab des eigenen Einflussbereichs entwickeln möchten. Sven Baumgarten, beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) für duale Karrieren zuständig, tut sich auch schwer, von einem Trend zu sprechen: Es gebe keine belastbaren Zahlen, "und unter den Bundeskadern und vor allem den Topathleten sind es nur Einzelfälle". Er könne nicht bestätigen, "dass zahlreiche Talente verloren gehen", sagt Baumgarten, räumt aber ein: "Wir haben ein System im Aufbau, das in der Tat noch optimiert werden muss."

Stützel betont: "Wir wollen niemand Talente wegnehmen, sondern der zweiten Reihe eine Chance geben." In Deutschland erhalten nach DOSB-Angaben etwa 400 studierende Leistungssportler ein Sporthilfe-Stipendium von 400 Euro monatlich. "Wir wissen natürlich auch, dass mehr als 120.000 College-Sportler gefördert werden", sagt Baumgarten. "Es ist einfach ein anderes System. In den USA finden die Sportler an den Unis die besten Bedingungen vor, bei uns an den Bundesstützpunkten."

Patrick Zimmer schrieb sogar ein Buch über Kicken und Studieren in den Vereinigten Staaten. Der Titel: "Zehn Schritte zu deinem Fußballstipendium in den USA." Der ehemalige Jugendspieler von Hannover 96 gehörte Uni-Teams in Florida und Kalifornien an. "Wenn man nach Amerika geht, kann man eine richtig geile Zeit haben. Es kann aber auch in die Hose gehen, wenn man das falsche Team und die falsche Uni wählt", sagte er dem Internetportal fussball.de.

Seine Erfahrungen klingen allerdings verlockend: "Stell dir vor, du wirst von deinen Kommilitonen und Professoren beim Fußballspiel angefeuert, bist der Star auf Collegepartys, fliegst zu Auswärtsspielen, knüpfst Freundschaften mit Menschen aus der ganzen Welt und erlebst eine Zeit, die dein komplettes Leben verändern wird". So wirbt Zimmer für seinen Ratgeber.

Die nationale Profiliga MLS und die zweitklassige USL suchen händeringend nach Talenten, davon profitieren auch die Colleges: Sie scouten mittlerweile sogar in Deutschland: In Hürth bei Köln spielten kürzlich 100 Fußballer vor 20 Trainern aus den USA vor – für ein Dutzend Stipendien.

Botschafter für die Agentur soccerships, die ebenfalls Fußball-Stipendien vermittelt, ist Weltmeister Manuel Neuer. Manche landen sogar eine Traumkarriere im College-Sport: Das deutsche Basketball-Talent Moritz Wagner stand mit dem Team der Universität Michigan im Finale der NCAA und schrieb bundesweit Schlagzeilen.