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Weltmeisterschaften in Doha Tischtennis-Star Kaufmann: „Wir kommen nicht vom Mars“

2024 war das Jahr der Annett Kaufmann: Deutscher Olympia-Star, Junioren-Weltmeisterin, Tischtennis-Hoffnung. Bei der WM in Katar will die 18-Jährige das jetzt bestätigen.

Von Sebastian Stiekel, dpa 14.05.2025, 12:08
Deutschlands Tischtennis-Hoffnung Annett Kaufmann.
Deutschlands Tischtennis-Hoffnung Annett Kaufmann. Petros Giannakouris/AP/dpa

Doha - Beinahe wäre der WM-Traum von Annett Kaufmann schon geplatzt, bevor das wichtigste Tischtennis-Turnier des Jahres überhaupt beginnt. WM-Vorbereitung der deutschen Nationalmannschaft in Düsseldorf, die 18-Jährige trainiert zusammen mit dem Weltranglisten-14. Patrick Franziska. Sie will einem Tischbein ausweichen und knickt dabei mit dem linken Fuß um. Ein Schreck, eine Bänderdehnung und mehrere Tage Pause - das sind die Folgen.

Nach einer guten Trainingseinheit stieg Kaufmann an diesem Mittwoch dann aber doch in das Flugzeug nach Katar, wo am Samstag die Weltmeisterschaften im Einzel, Doppel und Mixed beginnen. Dort will sie einen Aufstieg fortsetzen, den es so im deutschen Sport nur selten gegeben hat.

Im Nachwuchsbereich schon Geschichte geschrieben

Als erste Spielerin, die nicht aus Asien kommt, gewann Kaufmann im vergangenen Jahr die Junioren-Weltmeisterschaft. Seit ihren spektakulären Auftritten bei den Olympischen Spielen in Paris ist sie auch die einzige deutsche Tischtennis-Spielerin, die über ihren Sport hinaus wirkt.

Kaufmann ist geradeaus, selbstbewusst, authentisch. Das kommt an. Und diese Wirkung lässt sich auch messen: an Medien-Einladungen (ZDF-Sportstudio), in den sozialen Netzwerken (mehr Follower als ihre vier Nationalmannschafts-Kolleginnen zusammen), an der guten alten Fanpost.

„Die gibt es von ganz, ganz komisch bis super lieb“, erzählt sie. „Und ich bin auch jemand, die alles selbst öffnet, selbst unterschreibt und liest. Ich weiß noch selbst, wie man als Fan überlegt: Frage ich jetzt nach einem Bild oder nicht? Deshalb bin ich, wie ich bin. Ich finde: Man muss greifbar sein für die Leute. Am Ende sind wir alle nur Menschen und gehen alle auf dieselbe Toilette. Wir sind kein Weltwunder und kommen nicht vom Mars. Es ist wichtig, dass man nahbar bleibt.“

Wer schließt Bolls Lücke?

Das deutsche Tischtennis kann diese Aufmerksamkeit gut gebrauchen. Im nächsten Monat verliert es die größte Legende, die es je hatte. Dann bestreitet Timo Boll beim Playoff-Finale der Bundesliga sein letztes Spiel.

„Er hinterlässt eine riesige Lücke“, sagt Patrick Franziska. „Und wir haben schon eine Verantwortung, zumindest annähernd so gut zu spielen wie er, um den ganzen Sport weiter voranzubringen.“

Der aktuell beste deutsche Profi spielte jahrelang Doppel mit Boll und tritt jetzt bei der WM im Mixed mit Kaufmann an. Nicht nur er traut ihr zu, diese Lücke einmal sportlich wie medial zu schließen.

Teamkollege schwärmt 

„Sie präsentiert sich genau so, wie sie auch ist“, sagt Franziska über Kaufmann: „Temperamentvoll, sehr freundlich, sehr reif für ihr Alter. Sie liest das Spiel sehr gut. Sie hat durch ihre Größe viel Power in ihren Schlägen. Auf der großen Bühne wie den Olympischen Spielen so eine Leistung zu bringen, ohne Angst zu haben, ohne einzuknicken: Das zeigt, wie stark sie ist.“

Ein Jahr nach Olympia, EM, Junioren-WM und zwischendurch dem Abitur folgt jetzt für Kaufmann die vielleicht noch schwierigere Saison: Es geht darum, ihre Erfolge zu bestätigen, ihr Level zu stabilisieren und dann Schritt für Schritt zu steigern. 

Einerseits darf sie nicht zu viele Turniere spielen, weil darunter die wichtige Aufbauarbeit im Training leiden würde. Andererseits müsste sie mehr Turniere spielen, um in der Weltrangliste weiter zu klettern. Das ist das Spannungsfeld, die Herausforderung. Bei der WM in Katar könnte sie schon in der zweiten Runde auf die Nummer drei der Welt aus China treffen, Chen Xingtong. Es gibt jetzt keine Gegnerin mehr, die sie nicht auf dem Schirm hat.

Vater Eishockey-Profi, Mutter Weltcup-Starterin

Kaufmanns Vorteil ist: Ihr Vater war Eishockey-Profi, ihre Mutter fuhr Abfahrtsrennen im Ski-Weltcup. „Ich bin durch meine Familie sehr früh hineingewachsen, wie man im Training hart arbeitet, wie man mit Medien umgeht, wie man bodenständig bleibt.“

Management-Aufgaben, Sponsoren-Anfragen, Karriere-Tipps: Das bleibt erst einmal in der Familie. „Mein Papa hat mir immer vermittelt: Du kannst dich ein paar Tage freuen. Aber der Zug fährt weiter. Die anderen arbeiten schon“, sagt Kaufmann. „Olympia war ein Traum. Jetzt ist das Ziel: Olympia-Medaille, WM-Medaille, EM-Titel. Das habe ich alles noch nicht. Deshalb wird weiter hart gearbeitet!“