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Schwimmen Wellbrock auf der schnellen Welle

Wie der Doppelweltmeister vom SCM seine Vorbereitung auf Olympia erlebt

Von Daniel Hübner 02.04.2021, 04:30

Magdeburg

Da zischte ein kleines Lächeln über die Lippen des Florian Wellbrock, als er beim Surfen durch die sozialen Internet-Kanäle auf das Pfundstück einer Januar-Woche stieß: Michailo Romantschuk schickte dort küssend (seine Frau Maria) und in einer Farbaufnahme (weiß der Schnee, grün die Baumkronen) einen sportlichen Gruß aus dem Winterurlaub in Bukowel in der heimatlichen Ukraine.

„Das hätte mir mein Trainer nie erlaubt“, weiß Wellbrock natürlich nur allzu gut. Küssen schon, seine Sarah nämlich. Aber Winterurlaub? Niemals, nicht bei Coach Bernd Berkhahn. Ob dieser Gewissheit hielt sich der Neid des Doppelweltmeisters vom SCM selbstverständlich in Grenzen. Romantschuk war sich offenbar seiner Form bereits sehr sicher, weshalb er sich einer durchaus gesundheitsgefährdenden Abfahrt hingeben konnte. Da kann man mal urlauben. Für ein paar oder ein paar Tage mehr.

Während Romantschuk für einen überraschenden Einblick in seinen „Trainingsalltag“ gesorgt hatte, ist ein anderer Konkurrent des Magdeburgers planmäßig und ganz in seinem Element zu einem Sieg geschwommen. Marc-Antoine Olivier, der Franzose, der bei der Weltmeisterschaft 2019 am cleveren Wellbrock knapp gescheitert war, siegte beim ersten Weltcup des Jahres im März in Doha (Katar) mit – in Anbetracht der großen Namen im Feld – deutlichem Vorsprung. „Da hatte ich schon ein bisschen Nervenkitzel“, berichtet Florian Wellbrock, der die Geschichte dieses Freiwasser-Rennens über die olympischen zehn Kilometer aus sehr, sehr großer Entfernung und am Internet-Livestream verfolgte – in seinem Zimmer im Höhencamp in der Sierra Nevada (Spanien).

Er sah Olivier, er sah den Ungarn Kristof Rasovszky, den Italiener Gregorio Paltrinieri, auch Olympiasieger Ferry Weertman aus den Niederlanden, die zwei bis 13 Sekunden nach Olivier das Ziel erreichten.

Da hatte ich schon ein bisschen Nervenkitzel.

Der Zuschauer Florian Wellbrock über den ersten Freiwasser-Weltcup„Ein bisschen traurig war ich schon“, sagt Wellbrock in Anbetracht seines Startverzichts. „Aber es hat nicht in unseren Vorbereitungsplan gepasst.“ In diesen passen die Europameisterschaften in Budapest schon besser. Am 12. Mai wird in Ungarn der kontinentale Meister im Freiwasser gesucht. Für den 23-Jährigen ist es wohl bereits die Generalprobe für Olympia.

Romantschuk und Paltri-nieri im Becken über 1500 und 800 Meter Freistil, Olivier und Weertmann, auch Teamgefährte Rob Muffels sowie Rasovszky und Paltrinieri im Freiwasser: Das waren und das sind die seine größten Gegner bei den Sommerspielen in Tokio (23.?Juli bis 8. August). Sofern sie stattfinden. Wellbrock glaubt zumindest daran, „wenn das Hygienekonzept ausgereift ist“. Und wenn Sportler aller Nationen eine Schutzimpfung erhalten. Circa 11000 Damen und Herren also. Sie bleiben dann weitgehend unter sich. „Ausländische Fans sind ja nicht zugelassen, auch meine Eltern nicht. Das ist natürlich sehr schade.“

Die deutschen Schwimmer sind bereits in der Sierra Nevada weitgehend unter sich geblieben. Aber nicht deshalb war für Wellbrock der jüngste Aufenthalt in 2300 Metern Höhe irgendwie ein anderer. Einer, bei dem er sich nicht etwa allein auf Grundlagen konzentrierte. Sondern einer, bei dem er im Schnitt bis zu 90?Kilometer pro Woche vor allem dem Tempo einen Schub geben sollte und wollte. „Es war ein ähnlich hohes Niveau wie auch in den Jahren zuvor, aber wir haben den Fokus diesmal vor allem auf die Geschwindigkeit gelegt“, berichtet Wellbrock, die schnelle Welle für seinen Traum vom Olympia-Gold gesucht.

Ich habe mich athletisch auf jeden Fall verbessert.

Florian Wellbrock über einen Fokus seiner Olympia-VorbereitungTempo und Kraft. Kraulen und Kastensprünge. „Ich habe mich athletisch auf jeden Fall verbessert“, betont Wellbrock. Für andere Dinge ist indes keine Zeit geblieben, eigentlich nur für die französische Bulldogge Kojak und für seine Verlobte Sarah Köhler aus der Magdeburger Riege, eine der besten Langstrecken-Schwimmerinnen der Welt. Nicht aber für die Dinge, die außerdem interessieren. Wie die Meditation zum Beispiel, die er für sich entdeckt hat. „Das habe ich noch nicht in Angriff genommen, dafür hatte ich keine Zeit“, bestätigt Wellbrock. Um Zeit jedoch geht es, nicht erst bei Olympia.

In den nächsten Wochen stehen Wettkämpfe in der Qualifikation zu den Sommerspielen an. Während andere die Norm für Tokio schaffen wollen, „möchte ich gute Zeiten abliefern“, sagt der bereits qualifizierte Wellbrock mit Blick auf den Gothaer Pokal (9. bis 11. April) in der heimischen Elbehalle und auf die German Open (16. bis 18.) in Berlin.

Zeiten, mit denen der deutsche Rekordhalter über 800 (7:45,60 min.) und 1500 Meter (14:36,15) sich selbst einer Überprüfung unterzieht. Zeiten, mit denen er Achtungszeichen setzen möchte. „Ich bin bei 90 Prozent meiner Leistungsfähigkeit“, erklärt er seinen körperlichen Zustand nach den jüngsten Wochen in Spanien. Womöglich kann er sich vor den ersten Rennen des Jahres noch ein wenig erholen. Es muss ja nicht gleich Bukowel sein.