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Thünen-Studie Die „Ackersteuern“ zurückholen

Wische-Bürgermeister Karsten Reinhardt bittet Werben darum, an einer Studie teilzunehmen. Für mehr Steuer-Gerechtigkeit auf dem Acker.

Von Karina Hoppe 10.01.2018, 17:00

Werben/Wische l Karsten Reinhardt kam am Dienstagabend nicht alleine in die Stadtratssitzung Werben. Neben ihm saß Rüdiger Kloth, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Seehausen. Er war es auch, der nach Initiative von Reinhardt während einer Tafelrunde in Büttnershof im Juni 2017 Hermann Onko Aeikens (CDU), Staatssekretär des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, vom Fall Altmärkische Wische berichtete. Reinhardt als Bürgermeister eine armen Gemeinde hatte hartnäckig ermittelt, dass der Kommune jährlich horrende Summen in Zusammenhang mit Land und Landwirtschaft verloren gehen. Das Thünen-Insititut, ein Bundesforschungsinstitut mit Hauptsitz in Braunschweig, nahm sich in Folge der Kontaktaufnahme mit Aeikens dieser Sache an und konnte mittlerweile bestätigen: Die Besitzer von rund 60 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen der Gemeinde Altmärkische Wische wohnen auswärts. So fließt auch die Pacht nach auswärts und die anteilige Rückerstattung der Einkommenssteuer dadurch an fremde Kommunen.

Dazu kommt, dass rund 55 Prozent der Wische-Flächen von auswärtigen Unternehmen bewirtschaftet werden – und nach geltendem Recht deren Wertschöpfung auf hiesigen Äckern auch auswärts versteuert werden. Der Gemeinde Altmärkische Wische gehen durch genannte Umstände jährlich insgesamt rund 350 000 Euro Einnahmen verloren. „Es ist eine große Schieflage entstanden“, formulierte Kloth. Und bat auch im Namen von Reinhardt den Stadtrat Werben, dass sich auch die Hansestadt an der Studie beteiligt. „Das Institut möchte noch Zahlen von den angrenzenden Kommunen haben“, so Reinhardt. Auch von Osterburg und Seehausen, die bereits ihr Okay gegeben haben. Zwei weitere Kommunen (plus Anrainer-Gemeinden) aus den neuen Bundesländern und drei Kommunen aus den alten Bundesländern werden für die Studie unter genannten Gesichtspunkten vom Thünen-Institut untersucht. „Wir wissen nicht, was daraus wird, aber es ist doch schon mal gut, wenn ein Bundesministerium sich damit befasst“, so Kloth. Die Kommunen müssen nichts extra zahlen und wie Kloth mitteilte, seien die Personalaufwendungen für die Herausgabe der Daten nicht erwähnenswert.

„Milchmädchenrechnung“ und „Steuerverschwendung“ kommentierte Werbens Ratsmitglied Michael Schnelle die Ausführung. „Wenn Sie da etwas ändern wollen, müssen Sie sich in den Bundestag wählen lassen“, so Schnelle gegenüber Reinhardt. Der amtierende Bürgermeister Bernd Schulze ermahnte Schnelle ob seines Tonfalls und sagte, dass das Institut ruhig schriftlich an die Kommune herantreten solle.

Ratsmitglied Wolfgang Trösken wollte wissen, „ob ein Rechtsanspruch besteht“. Nein, das sei ja gerade das Problem. Und langfristiges Ziel dieser ganzen Übung, „dass Bundessteuerrecht geändert wird“, so Reinhardt. „Ich möchte, dass die Wertschöpfung vor Ort analog zum neuen Steuerrecht der Windkrafträder auch vor Ort versteuert wird.“ Dieser Schieflage sei anders gar nicht beizukommen. Und realistische Zahlen seien als Argument immer gut. „Wir müssen dafür sorgen, dass der ländliche Raum lebenswert bleibt.“

Auch René Schernikau, Verbandsgemeindebürgermeister von Arneburg-Goldbeck, ermunterte die Werbener dazu, sich der Studie anzuschließen, diese verfolge „ein hehres Ziel“. Im Übrigen könnte das Ministerium die Kommunen auch dazu zwingen, „aber das ist nicht der richtige Weg“, so Reinhardt.