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Gebühren und digitale Lösungen Was tun gegen geplatzte Arzttermine und lange Wartezeiten?

Die große Koalition will gesetzlich Versicherten zu mehr Sprechzeiten verhelfen. Doch wie gut und zuverlässig werden Termine schon genutzt? Ärzte haben da Erwartungen an manche Patienten - die aber auch.

Von Sascha Meyer, dpa 07.03.2019, 11:05

Berlin (dpa) - Schnell einen Termin beim Facharzt zu ergattern, ist für viele Kassenpatienten schon nicht ganz leicht. Da kommt es in den Praxen nicht gut an, wenn zum vereinbarten Datum einfach niemand erscheint - aus Vergesslichkeit oder weil doch etwas dazwischen kam.

Ärzte appellieren denn auch an die "Termintreue" der Kundschaft und mahnen, zumindest zeitig abzusagen. Manche greifen auch zu Sanktionen bis hin zu Ausfallgebühren. In puncto verlässliche Termine sehen Verbraucherschützer und die Krankenkassen allerdings genauso die Ärzte in der Pflicht und setzen dafür auch auf digitale Technik.

Wirtschaftlicher Schaden für Praxen

Kritisch sind versäumte Termine vor allem in vielen "Bestellpraxen", die nur feste Zeiten vergeben und keine offene Sprechstunde anbieten. Umso mehr, wenn es um ambulante Operationen oder Untersuchungen geht, für die Geräte und Personal vorbereitet werden. "Hier entsteht den Praxen ein echter wirtschaftlicher Schaden", sagt Dirk Heinrich, Chef des Verbands der niedergelassenen Ärzte NAV-Virchow-Bund. Auch wer über Telefon-Vermittlungen der Kassenärztlichen Vereinigungen Termine buche und dann "schwänze", handele unsolidarisch, kritisiert der Verband. So nehme man womöglich anderen Patienten einen Termin weg.

Wie verbreitet es ist, dass Patienten ihre Ärzte versetzen, ist aber nicht ganz klar. "Da wird vieles behauptet, und es werden Vorwürfe gegen Patienten erhoben, aber repräsentative Daten sind zumindest uns nicht bekannt", heißt es beim Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV).

Laut Kassenärzte-Chef Andreas Gassen sind unentschuldigt nicht wahrgenommene Termine aber "durchaus ein Problem". Erste Angaben der Kassenärztlichen Vereinigungen schwankten von 5 bis fast 20 Prozent. Die niedergelassenen Ärzte berichten bei zentralen Telefonvergaben von 30 Prozent. Bei normalen Terminen kommt Verbandschef Heinrich in seiner HNO-Praxis auf 40 Fälle im Monat.

Ausfallgebühren und befristete Sperren

Unter Medizinern sorgt das für Frust. Der NAV-Virchow-Bund brachte schon befristete Sperren für Terminvergaben per Telefon-Vermittlung ins Spiel und macht sich auch für Ausfallgebühren stark. "Mit dem Signal einer solchen Gebühr setzen wir auf Lernerfolg bei Patienten", sagt Heinrich. Die Kassen halten dagegen. Bei den Vereinbarungen über Ärztevergütungen seien auch Zeiten mit nicht erscheinenden Patienten berücksichtigt.

Strafgebühren seien also nicht gerechtfertigt und führten eher zu einer Störung des Arzt-Patienten-Verhältnisses, warnt der Vize-Vorstandschef des GKV-Spitzenverbands, Johann-Magnus von Stackelberg. Und mahnt: "Gerade weil Patienten trotz eines Termins immer wieder eine gefühlte Ewigkeit in Wartezimmern sitzen, sollten sich Ärzte beim Thema Termintreue zuerst an die eigene Nase fassen."

Langes Warten und digitale Hilfen

Der Verband der niedergelassenen Ärzte betont, längeres Warten in der Praxis sei nicht immer ein Zeichen für schlechtes Terminmanagement. Denn dringende Fälle müssten immer wieder dazwischengeschoben werden. Auch der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) pocht aber darauf, dass bestellte Patienten ebenso Verlässlichkeit erwarteten. Vieles ließe sich mit besserer Organisation in Praxen und mehr Informationen für die Patienten lösen, sagt Gesundheitsexpertin Petra Fuhrmann.

Viele Ärzte setzen schon auf Erinnerungen zum Beispiel per SMS aufs Handy. Weitere digitale Lösungen dürften sich künftig noch mehr verbreiten. Termine seien damit überall und jederzeit buchbar, heißt es beim IT-Branchenverband Bitkom. Online-Vergaben seien auch mit Erinnerungen zu verbinden, so dass Patienten Termine seltener vergessen oder zumindest absagen - die könnten dann noch an andere Patienten von einer Warteliste gehen.

Erinnerungen könnten etwa auch extra Hinweise enthalten, nüchtern zu einem Termin zu erscheinen. Mit digitalen Planungsassistenten könnten sich Patienten auch schon frühzeitiger über mögliche Wartezeiten in der Praxis informieren.

Patienten dazwischen schieben

Überhaupt bedeuten ausbleibende Patienten nicht immer gleich totalen Leerlauf. Laut einer Studie für die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) von 2014 schieben Praxen meist andere Patienten ein oder ziehen jemanden aus dem Wartezimmer vor. Viele notieren es in der Akte, wenn Patienten Termine verpassen. Eher wenige planen von vornherein eine höhere Termindichte ein, um ausgefallene Patienten auszugleichen.

Auch die Verbraucherzentralen sehen es kritisch, wenn Ausfallgebühren gefordert werden. "Wird ein Routinetermin einmal versäumt, führt das üblicherweise nicht zu einem Schaden für die Praxis", sagt Expertin Fuhrmann. Da könnten der nächste Patient behandelt oder Verwaltung erledigt werden.

Digitales Termin-Management biete Vorteile, müsse aber freiwillig bleiben. "Patienten müssen Termine weiterhin analog am Telefon oder in der Praxis vereinbaren können." Überhaupt mehr Termin-Spielraum soll der Bundestag kommende Woche beschließen. Unter anderem sollen Praxisärzte nach Plänen der Koalition dann mindestens 25 statt 20 Stunden pro Woche für Kassenpatienten anbieten müssen.

Termine am besten rechtzeitig absagen

Wer es nicht zu einem Arzttermin schafft, sollte diesen absagen. Das gebietet schon die Fairness, erklärt die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen: Die Praxis kann dann jemand anderen vielleicht schneller behandeln, andere Patienten kommen kurzfristig noch an einen dringend benötigten Termin.

Ob Termin-Schwänzer neben dem schlechten Gewissen finanzielle Konsequenzen fürchten müssen, ist aber unklar. Verlangt ein Arzt eine Gebühr für Nicht-Erscheinen oder arg kurzfristige Absagen, sollte er aber schon bei der Terminvereinbarung darauf hinweisen. Und wer als Patient auf Nummer sicher gehen will, sagt Termine rechtzeitig und schriftlich ab. So gibt es im Zweifelsfall einen Beweis.

Sind Ausfallgebühren überhaupt zulässig?

Nach Angaben der Verbraucherschützer gibt es zur Rechtmäßigkeit von Ausfallgebühren verschiedene Urteile: So entschied das Amtsgericht Diepholz 2011 (Az.: 2 C 92/11), dass eine Praxis für aufwendige Behandlungen bei Nicht-Erscheinen oder zu kurzfristiger Absage eventuell ein Ausfallhonorar verlangen kann. Der Arzt müsse den Schaden - und damit das Honorar - aber möglichst klein halten.

Andererseits entschied das Landgericht Berlin schon 2005 (55 S310/04), das generelle Ausfallhonorare im Anmeldeformular einer Zahnarztpraxis nicht zulässig sind. In dem Fall verlangte der Arzt 75 Euro, falls verhinderte Patienten nicht mindestens 24 Stunden vor dem Termin absagen. Und das Amtsgericht Bremen war 2012 der Ansicht (9 C 0566/11), das Patienten abgesprochene Termine jederzeit folgenlos stornieren dürfen.

Verbraucherzentrale zu verpassten Terminen

Praxis-Befragung für die KBV, 2014