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Merkel: Schneller abschieben Fall Susanna: Ali B. nach Geständnis in U-Haft

Flucht über die Türkei in den Irak - und von Bundespolizisten eskortiert zurück nach Deutschland: Das ist der Weg von Ali B., dem Verdächtigen im Fall Susanna. Jetzt hat die deutsche Justiz das Wort. Die Bundeskanzlerin fordert schnellere Asylverfahren.

10.06.2018, 20:57
Ali B. auf dem Weg in die Untersuchungshaft. Foto: Hasan Bratic
Ali B. auf dem Weg in die Untersuchungshaft. Foto: Hasan Bratic dpa

Wiesbaden/Frankfurt (dpa) - Der im Fall Susanna gefasste Verdächtige Ali B. hat die Tötung der 14-Jährigen gestanden. Eine Ermittlungsrichterin ordnete Untersuchungshaft an, wie Polizei und Staatsanwaltschaft in Wiesbaden mitteilten.

Der 20-jährige Iraker wurde in einem weißen Overall abgeführt und mit einem Polizeihubschrauber von Wiesbaden aus auf das Gelände einer Bundespolizei-Kaserne geflogen. Von dort wurde er mit einer Eskorte in die nahe Justizvollzugsanstalt Frankfurt I gebracht.

Zuvor hatte sich Ali B. nach seiner misslungenen Flucht in den Irak ausführlich vor der deutschen Justiz geäußert. "Er hat sich dahingehend geständig eingelassen, dass er Susanna F. umgebracht habe, eine Vergewaltigung wurde durch ihn allerdings bestritten", teilte Oberstaatsanwalt Oliver Kuhn am Sonntagabend mit. "Als Motiv für die Tat gab er an, dass er aufgrund von Verletzungen im Gesicht von Susanna, die in Folge eines Sturzes entstanden sein sollen, befürchtet habe, dass diese die Polizei informieren werde."

Diese Angaben habe Ali B. noch in der Nacht zum Sonntag in einer polizeilichen Vernehmung gemacht und in einer Anhörung der Ermittlungsrichterin am Sonntag bestätigt. Die Aussage am Sonntag dauerte demnach nahezu sechs Stunden.

Der Iraker steht im dringenden Verdacht, die am Mittwoch in Wiesbaden tot gefundene 14-jährige Susanna F. in der Nacht vom 22. zum 23. Mai vergewaltigt und getötet zu haben. Bundespolizisten hatten Ali B. am Samstag an Bord einer Lufthansa-Maschine aus der nordirakischen Stadt Erbil zurück nach Deutschland gebracht. Die Nacht hatte der Verdächtige im Wiesbadener Polizeigewahrsam verbracht, nachdem ihn ein Polizeihubschrauber am Frankfurter Flughafen abgeholt hatte.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich nach dem Tod von Susanna für schnellere Abschiebungen abgelehnter Flüchtlinge ausgesprochen. "Der Fall zeigt doch, wie wichtig es ist, dass die Menschen, die keinen Aufenthaltsstatus haben, schnell ihr Verwaltungsgerichtsverfahren bekommen und schnell wieder nach Hause geschickt werden können, sagte sie am Sonntag in der ARD-Sendung "Anne Will". Ali B. hatte gegen die Ablehnung seines Asylbescheids Rechtsmittel eingelegt und damit seine Abschiebung über Monate verhindert.

Für den Fall der jetzt angeordneten Untersuchungshaft hieß es bereits im Vorfeld, dass Ali B. in das Männergefängnis Frankfurt I gebracht werden solle. Dort könne er im Fall einer Suizidgefährdung besser überwacht werden, hieß es in Ermittlerkreisen. Üblicherweise werden junge Untersuchungshäftlinge in der JVA Wiesbaden untergebracht.

Ali B. hatte sich zuvor mit seiner Familie von Deutschland aus zunächst in die Türkei und dann in den Irak abgesetzt. Dort konnten ihn die kurdischen Sicherheitsbehörden am Freitagmorgen um 5.20 Uhr "in letzter Sekunde vorläufig festnehmen", wie Bundespolizei-Chef Dieter Romann der "Bild am Sonntag" sagte: "Der Tatverdächtige hatte vor, sich in ein Nachbarland des Irak abzusetzen."

Nach Angaben von Ermittlern vor Ort soll Ali B. die Tat in kurdischer Haft gestanden haben. Demnach sagte er aus, er und sein Opfer hätten viel Alkohol getrunken und Tabletten geschluckt, schließlich sei es zum Streit gekommen. Das Mädchen habe gedroht, die Polizei anzurufen, was ihn zu seiner Tat getrieben habe - er habe die 14-Jährige stranguliert. Seine Mutter sagte der Deutschen Welle, dass ihr Sohn sich nicht an die Tat erinnern könne, weil er betrunken gewesen sei. Juristisch könnte das unter Umständen als verminderte Schuldfähigkeit gewertet werden.

In Erbil setzten kurdische Polizisten Ali B. am Samstagnachmittag in eine Lufthansa-Maschine nach Frankfurt, Beamte der Bundespolizei waren an Bord. Nach der Landung in Frankfurt am Abend führten maskierte Bundespolizisten den 20-Jährigen zu einem Hubschrauber, der ihn zur Vernehmung nach Wiesbaden brachte. Behördenchef Romann, der laut "Bild" selbst in der Maschine war, sagte, den "außergewöhnlichen Einsatz" von Bundespolizei und kurdischen Sicherheitsbehörden sei man "auch der Mutter des toten Kindes schuldig".

Der Kriminalfall mit einem Asylbewerber als Hauptverdächtigem schlägt in Deutschland seit Tagen hohe Wellen. "Ich bin froh, dass der von der deutschen Justiz gesuchte mutmaßliche Täter wieder in Deutschland ist", sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer am Samstagabend. "So kann das Ermittlungsverfahren schnell vorangetrieben werden."

Auch Merkel begrüßte die Festnahme und die Rückführung nach Deutschland. "Das unfassbare Leid, das der Familie und dem Opfer widerfahren ist, bewegt jeden und erfasst auch mich", sagte sie am Samstag am Rande des G7-Gipfels im kanadischen La Malbaie.

In Susannas Heimatstadt Mainz geht eine Serie von Demonstrationen weiter. Am Sonntag fanden sich aber nur wenige Demonstranten bei einer Kundgebung der rechtsgerichteten Initiative "Beweg was!" ein. Sie hatte unter dem Titel "Merkel muss weg" in den vergangenen Wochen gegen illegale Einwanderung protestiert. Auch mehrere Gegendemonstrationen waren schwach besucht. Für Montag waren weitere Proteste angekündigt.

Die Kriminalpolizei bittet weiterhin um Zeugenhinweise. Sie hat ein Callcenter mit mehreren Polizisten eingerichtet, das bis auf Weiteres rund um die Uhr besetzt sein soll. Gesucht werden Zeugen, die am 22. und 23. Mai verdächtige Beobachtungen in Wiesbaden-Erbenheim gemacht haben, wo später Susannas Leiche gefunden wurde.

Wie der Fall Susanna das Land spaltet

Mit Fußfesseln wird Ali B. aus einem Helikopter zum Polizeipräsidium Westhessen gebracht. Foto: Boris Roessler
Mit Fußfesseln wird Ali B. aus einem Helikopter zum Polizeipräsidium Westhessen gebracht. Foto: Boris Roessler
dpa
Ali B. wird von Beamten aus einem Helikopter zum Polizeipräsidium Westhessen gebracht. Foto: Boris Roessler
Ali B. wird von Beamten aus einem Helikopter zum Polizeipräsidium Westhessen gebracht. Foto: Boris Roessler
dpa
Blumen liegen neben und auf einem Foto von Susanna in der Nähe des Leichenfundortes. Foto: Boris Roessler
Blumen liegen neben und auf einem Foto von Susanna in der Nähe des Leichenfundortes. Foto: Boris Roessler
dpa
«Spuren im Sand verwehen, Spuren im Herzen bleiben» steht auf einem Schild im Flur des Hauses, in dem Susannas Mutter lebt. Foto: Boris Roessler
«Spuren im Sand verwehen, Spuren im Herzen bleiben» steht auf einem Schild im Flur des Hauses, in dem Susannas Mutter lebt. Foto: Boris Roessler
dpa
Junge Frauen legen an einer provisorischen Gedenkstätte für die getötete Susanna F. Blumen nieder. Foto: Boris Roessler
Junge Frauen legen an einer provisorischen Gedenkstätte für die getötete Susanna F. Blumen nieder. Foto: Boris Roessler
dpa