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Trockenheit Wird der Fläming zur Steppe?

Einige Deetzer befürchtet eine Versteppung der Vorfläminggemeinden um die Stadt Zerbst.

Von Petra Wiese 18.10.2018, 01:01

Deetz l Es gibt keine schneereichen Winter mehr. Lange, heiße und trockene Sommer, Auswirkungen von Klimawandel und Erderwärmung. Brigitte Gube aber sieht einen anderen Faktor, der dies verstärkt: „Die Trinkwassergewinnung macht den Landstrich kaputt“, sagt sie.

Die Rentnerin hat sich in den letzten Monaten intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt, mit Leuten gesprochen, Recherchen angestellt, verglichen, dokumentiert. Im Juni wandte sie sich an den Petitionsausschuss des Landtages. Seit im Fläming das Grundwasser für ein riesiges Gebiet abgezogen wird, sind in den Gemeinden nachweislich alle Oberflächengewässer entweder trocken gefallen oder stark dezimiert, Brunnen in der Umgebung versiegt.

Die 71-Jährige erinnert sich an ihre Kindheit in Nedlitz: „Da gab es sieben kleine Teiche, die heute alle ausgetrocknet sind.“ Nuthe- und Ehlequelle sind versiegt. Akribisch vergleicht sie eine Kleingewässerkartierung, die Mitte der 80er Jahre erstellt wurde, mit dem Ist-Zustand. „Nicht mehr vorhanden“, trägt sie bei den meisten Objekten mit roten Buchstaben ein. „Vielleicht hört meinen Aufschrei ja doch jemand“, so die Deetzerin.

Eine, die schon Ende der 90er Jahre laut wurde, ist die Schweinitzer Ortsbürgermeisterin Edelgard Jahn. Heftige Auseinandersetzungen gab es wegen der Trinkwassergewinnung, lange Debatten wurden in Schweinitz geführt. 98 von 120 Hauswasserbrunnen waren 1998 ausgetrocknet, nachdem man 1996 mit dem Abpumpen des Grundwassers begann.

Keine Frage, dass Edelgard Jahn an der Seite von Brigitte Gube steht. Jedem, der es sehen möchte, zeigt die Schweinitzer Bürgermeisterin den trockenen, inzwischen bewachsenen Ehlelauf, die Stelle, wo früher der Karpfenteich von Schweinitz war oder den zugewuchterten Dorfteich. Die Liste der Beispiele ist lang.

Ulrich Weimeister, Deetzer Ortsbürgermeister und Leiter des Jugendbauernhofes, beklagt die ausgetrockneten Gräben auf dem Gelände. „Die Appumpmengen müssen geändert, das Konzept neu überdacht werden“, so Weimeister. Es gehe um Lebensqualität.

Für Hannelore Sachse, die Betreiberin der Deetzer Teichwirtschaft, geht es um noch viel mehr – die Existenz. Sie hat seit Jahren Mühe, den Deetzer Teich voll zu bekommen, da er sich nur noch vom Schmelzwasser des Winters und vom Regenwasser speist.

In diesem Jahr blieb das Wasser aus. „Kein Zufluss, kein Abfluss, kein Abfischen“, sagt Sachse, „heißt, die Haupteinahme der Teichwirtschaft, das Abfischen im Oktober entfällt in diesem Jahr.“ Sie habe sich an Umweltministerin Claudia Dalbert gewandt. „Ob Auflagen erfüllt werden, prüft man sofort, aber in so einer Situation tut sich nichts“, ist sie sauer.

„Ich bange nicht um mich“, betont Brigitte Gube. „Ich habe Angst um meine Kinder und Enkel. Wir haben nur diese unsere Heimat hier, die am Zugrundegehen ist“, sagt sie gewahr dessen, dass man ihr, wie allen anderen „Aufmüpfigen“ erklären würde, die Trockenheit hänge nicht mit dem Abzug des Grundwassers zusammen.

Sie ist überzeugt, dass es durchaus Möglichkeiten gebe, Trinkwasser aus den Talsperren des Harzen zu holen und die Ressourcen im Westfläming zu schonen.

Schon in der Zwischeninformation zu ihrer Petition wurde Brigitte Gube darauf verwiesen, dass das Grundwasserangebot durch die genehmigten Grundwasserentnahmen in dem Gebiet nicht überbeansprucht wird.

Die Wasserfassungen der Trinkwasserversorgung Magdeburg (TWM) im Westfläming seien Teil des historisch gewachsenen Fernwasserversorgungssystems in Sachsen-Anhalt, das sich bewährt hat. Es sei für die Allgemeinheit unverzichtbar. Eine Versorgung über die Rappbodetalsperre sei weder notwendig noch zielführend, beruft sich die TWM auf ihre wasserrechtliche Erlaubnis. „Das 1993 in Betrieb genommene Wasserwerk Lindau fördert heute im langjährigen Durchschnitt rund 20.500 Kubikmeter Grundwasser pro Tag“, so Peter Bogel, Pressesprecher der TWM. Nach Inbetriebnahme aller drei Fassungen, habe das Wasserwerk Lindau ursprünglich sogar über eine wasserrechtliche Nutzungsgenehmigung in Höhe von 60.000 Kubikmeter pro Tag verfügt.

„Seit 2000 wird das Wasserwerk als Grundlastwerk auf einem Niveau von rund 20.000 Kubikmeter pro Tag betrieben“, erläutert Bogel. 2012 sei durch das Landesverwaltungsamt die bestehende wasserrechtliche Nutzungsgenehmigung dahingehend geändert worden, dass aus den Fassungen Dobritz II und Nedlitz insgesamt bis zu 29.000 Kubikmeter pro Tag entnommen werden dürfen.

„Bei der Beurteilung des Wasserhaushalts des Westfläming sind neben der Trinkwasserversorgung weitere Aspekte zu berücksichtigen“, erklärt Bogel. Dazu zählten einerseits etwa die in den 1970er Jahren erfolgte Melioration landwirtschaftlicher Flächen, die zu einem verstärkten Abfluss von Oberflächenwasser geführt hätten, und andererseits die landwirtschaftliche Bewässerung, die insbesondere in den Sommermonaten eine erhebliche Größenordnung einnehmen könne.

Die TWM verweist auf die umfangreichen Gutachten zur Einschätzung der möglichen Auswirkung auf die Natur und Umwelt, die beim Betrieb des Wasserwerkes berücksichtigt werden. „Eine Versorgung der Region über die weit entfernte Rappbodetalsperre wäre technisch enorm aufwändig und ökologisch nicht zielführend“, betont Peter Bogel.

Kürzlich hatte nun der Petitionsausschuss das Anliegen von Brigitte Gube auf der Tagesordnung. „Handlungsbedarf wird hier nicht gesehen“, sagt Dietmar Krause (CDU), stellvertretender Vorsitzende des Ausschusses. „Die Angelegenheit wurde an den Umweltausschuss des Landtages mit der Bitte um Stellungnahme übergeben, so Krause.

Brigitte Gube muss sich jedenfalls nicht vorwerfen, nichts getan zu haben.