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Fast vergessene Bräuche Aus der Zeit gefallen - Zwölf Rauhnächte laden zur inneren Einkehr ein

Zwischen Weihnachten und dem 6. Januar begingen unsere Vorfahren den Brauch der zwölf Rauhnächte. Ist er anderenorts noch bekannt, ist er hierzulande fast in Vergessenheit geraten. Wahl-Naumburgerin Bernadett Szabó zelebriert diese besondere Zeit seit ihrer Jugend.

Von Jana Kainz 17.12.2024, 16:58
Bernadett Szabó, hier in ihrem Naumburger Café Elfengeist samt Shop, zelebriert seit ihrer Jugend den Brauch der zwölf Rauhnächte.
Bernadett Szabó, hier in ihrem Naumburger Café Elfengeist samt Shop, zelebriert seit ihrer Jugend den Brauch der zwölf Rauhnächte. (Foto: Torsten Biel)

Naumburg - Weihnachten steht vor der Tür. Mit dem Fest zieht in jedem Heim Lichterglanz ein, der gut und gerne über den 6. Januar hinaus durch die dunkle Jahreszeit strahlt. Das neue Jahr wiederum wird mit viel Feuerwerk am Nachthimmel begrüßt. Fast vergessen scheint bei alledem ein Brauch, der sich einst während dieser Zeit in vielen Stuben vollzog und der hierzulande vereinzelt im Stillen wieder zelebriert wird. Gemeint sind die zwölf Rauhnächte – oder auch Räuchernächte genannt – zwischen Weihnachten und den Heiligen Drei Königen.

„Diese Nächte sind nicht wie Ostern oder Weihnachten. Bei den Rauhnächten geht es um einen selbst. Es geht darum, das, was man in dem Jahr erlebt hat, zu verarbeiten, und sich auf das kommende vorzubereiten“, erzählt Wahl-Naumburgerin Bernadett Szabó. Jede dieser besonderen Nächte steht thematisch für einen Monat, auf den man jeweils seine Gedanken konzentrieren kann. Für diese innere Einkehr können ganz verschiedene Rituale praktiziert werden.

Rituale nach Belieben

„Ich führe zum Beispiel während der Rauhnächte ein Tagebuch, halte fest, was mir in dem Jahr passiert ist, wer für mich dagewesen ist, mir Kraft gegeben hat oder wem ich mich zuwenden konnte, aber auch, was ich in der jeweiligen Rauhnacht geträumt, wie ich mich beim Erwachen gefühlt habe. Mit Silvester kommt der Neuanfang. So mache ich das, andere können die Rauhnächte ganz anders begehen“, sagt die gebürtige Ungarin.

Diese Nächte laden dazu ein, sich aus dem turbulenten Alltag für eine kurze Zeit herauszunehmen und sich auch auf seine Wünsche für das neue Jahr zu besinnen. Eben jene können auch einzeln auf 13 Zettel geschrieben werden, die dann so gefaltet in einer Schachtel oder einem Beutelchen aufbewahrt werden, dass der jeweilige Wunsch nicht mehr zu lesen ist. Ab der ersten Rauhnacht, die Mitternacht des 24. Dezembers beginnt, wird in jeder Nacht ein Zettel herausgezogen und ungelesen verbrannt. So wird der Wunsch der geistigen Welt anvertraut, sich darum zu kümmern. Der 13. Zettel wird nicht verbrannt, sondern gelesen. Es ist jener Wunsch, um den man sich das Jahr über selbst zu kümmern hat.

Zwischen Weihnachten und dem 6. Januar  begingen unsere Vorfahren den Brauch der zwölf Rauhnächte. Ist er anderenorts noch bekannt, ist er hierzulande  fast in Vergessenheit geraten.
Zwischen Weihnachten und dem 6. Januar begingen unsere Vorfahren den Brauch der zwölf Rauhnächte. Ist er anderenorts noch bekannt, ist er hierzulande fast in Vergessenheit geraten.
(Foto: Torsten Biel)

Ein weiteres, recht altes Ritual ist das Räuchern. Mit verschiedenen Harzen und Kräutern wurden böse Geister vertrieben. Mit der Räucherschale ging man durch die Wohnung oder das Haus und auch durch den Stall, und blies für die Reinigung von allem Negativen den Rauch in alle Ecken, wobei man in Gedanken die eigenen Wünsche durchgehen kann. Man kann sich zu den Rauhnächten auch festlich anziehen und in der Wohnung eine Ecke vorbereiten, in der dieser Brauch begangen wird. Da gibt es kein strenges Regelwerk. Jeder kann diesen Brauch so durchführen, wie es sich für ihn gut anfühlt.

Wie diese Rauhnächte ursprünglich zelebriert wurden, ist nicht überliefert. „Dieser Brauch ist viele, viele Jahre vor Christus geboren. Ich habe dazu mehrere Bücher gelesen. Wie damals aber alles wirklich begonnen hat, werden wir nie erfahren, da es damals noch keine schriftliche Überlieferungen gab. Für mich“, sagt Bernadett Szabó, „ist es eine wunderschöne Sache, für andere ist das vielleicht nichts. Das ist ja auch normal, finde ich.“

Zwischen den Jahren

Herrühren die Rauhnächte von den Mondzyklen: 28,5 Tage – das ergibt im Jahr 354 Tage, da bleiben zwölf Tage frei, die demnach eigentlich nicht existieren. „Die haben wir als Menschen hinzugefügt“, so Bernadett Szabó. Die zu unserem Gregorianischen Kalender mit seinen 365 Tagen fehlenden elf Tage beziehungsweise zwölf Nächte – sind quasi „Tage außerhalb der Zeit“. Früher nahm man an, dass während dieser Nächte die Gesetze der Natur außer Kraft gesetzt sind, somit der Weg zu anderen Welten frei würde und man, weil es diese Nächte nicht gibt, ihre Vergangenheit und Zukunft umgestalten könne. Diese zwölf Nächte – auch heute fühlen sie sich oft unwirklich an, ziehen sich die Menschen während dieser Zeit gern aus dem Alltag zurück. „Viele Firmen haben da auch oft Betriebsferien“, fügt sie schmunzelnd hinzu.

Die Zeit zwischen den Jahren ist aber auch die Zeit, in der die Tage wieder länger werden. Einige, die den Brauch pflegen, beginnen mit den Rauhnächten bereits am 21. Dezember – dem Tag der Wintersonnenwende. „Bis zum 24. Dezember bleibt die Tag- und Nachtphase stabil, dann kommt die Sonne mit jedem Tag wieder mehr zu uns zurück“, erklärt sie.

Seit ihrer Jugend praktiziert Babette Szabó die Rauhnächte. Wichtig sind ihr diese, um in Ruhe von Vergangenem loszulassen, zu akzeptieren, was geschehen ist, um unbelastet nach vorne schauen zu können. „Wenn es mehrere Menschen machen würden – nicht unbedingt die Rauhnächte, aber von dem loszulassen, was Geschehen ist –, dann würde es im eigenen Leben weniger Probleme geben, fände man zu mehr innerer Ruhe. Wie kann ich jemanden lieben, für jemanden da sein, wenn ich selbst nicht ganz bin. Wenn ich ganz bin, kann ich auch geben“, so Bernadett Szabó. Wenn jeder loslässt und mit sich im Einklang ist, sich für andere öffnet – „das macht“, sagt sie, „die Welt besser“.