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Die Nase zählt: Schmeckstörungen auf den Grund gehen

05.09.2012, 09:36

Dresden - Ob Kaffee oder Saft, Wurst- oder Käsebrötchen: Nichts schmeckt mehr. Was viele Menschen von einer Erkältung kennen, ist bei manchen Dauerzustand: Ihr Geschmackssinn ist gestört. Die Ursachen sind sehr verschieden und nicht immer leicht zu ermitteln.

Das hat wohl jeder schon mal erlebt: Ein fetter Schnupfen lässt die Nase schwellen, man riecht nichts, das ganze Essen schmeckt fade. "Sie brauchen für die Wahrnehmung von feinen Aromen den Riechsinn", sagt Prof. Thomas Hummel von der Universität Dresden, Experte für Riech- und Schmeckstörungen. Doch während sich der Geschmack nach dem Abklingen der Erkältung bei den meisten wieder einstellt, müssen manche Menschen ohne diesen Sinneseindruck leben. Dafür gibt es unterschiedliche Gründe. Die Behandlung ist schwierig.

"Während der Riechsinn über einen Hirnnerv vermittelt wird, sind beim Schmecken drei beteiligt", sagt Prof. Karl-Bernd Hüttenbrink von der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie. Auch der orale Tastsinn über den Hirnnerv Trigeminus spielt bei den Sinneswahrnehmungen mit. Gemeint ist damit etwa der Eindruck, den man von Chili in Form von Schärfe hat.

Sei man früher davon ausgegangen, dass Geschmacksknospen nur auf der Zunge vorkommen, so wisse man inzwischen, dass der gesamte Mund- und Rachenraum damit bestückt ist, sagt Hummel. "Beim Schmecken kommen dann noch Eindrücke vom Riechen hinzu, weil die chemischen Moleküle beim Essen oder Trinken von hinten in die Nase aufsteigen." Auch das Aussehen, die Konsistenz, die Schärfe, die Temperatur und der Fettgehalt einer Speise machten ihren Geschmack aus. "Isolierte Schmeckstörungen sind eher selten", sagt Hüttenbrink. In den allermeisten Fällen hätten Menschen, die sagen, "mir schmeckt etwas nicht mehr", Probleme mit dem Riechsystem.

So komplex also die Vorgänge bei diesen Sinneseindrücken sind, so aufwendig ist auch die Diagnose entsprechender Probleme. Bei reinen Schmeckstörungen unterscheiden die Mediziner zwischen Schäden der Schmeckknospen, Verletzungen der Hirnnerven oder einer Ursache im Gehirn - beispielsweise nach einem Sturz auf den Kopf, durch Hirntumore oder bei psychiatrischen Erkrankungen. Die Sinneszellen können nach einer Infektion, durch eine Strahlen- oder Chemotherapie, aber auch Medikamente geschädigt sein. Laut Hummel können Hunderte Arzneimittel den Geschmackssinn verändern. "Oft wird von einem metallischen Geschmack gesprochen, dies muss nicht sofort nach dem ersten Einnehmen auftreten, sondern kann auch Jahre später folgen."

Die drei für den Geschmackssinn zuständigen Hirnnerven können bei einem Bruch der Schädelbasis oder auch nach Operationen an Ohren oder im Rachenraum in Mitleidenschaft gezogen werden. Laut dem Artikel "Schmeckstörungen - Ein Update" in der Fachzeitschrift "HNO" kann auch Diabetes oder eine Schilddrüsenstörung den Geschmack verderben.

Hummel und Kollegen haben ermittelt: Von 4680 Patienten hatten 491 eine reine Geschmacksstörung. Bei einem Drittel von ihnen sei nicht zu klären gewesen, woher die Beschwerden kamen. Bei knapp einem Viertel war es die Folge von Verletzungen oder Unfällen, bei einem weiteren Viertel lag ein "buntes Bild" von Störungen, etwa durch Medikamente, zugrunde. Bei 15 Prozent traten die Beschwerden nach einer Operation auf. "Teilweise fühlen sich die Menschen sehr eingeschränkt, verlieren an Gewicht, wollen gar nicht mehr essen, auch Verstimmungen bis hin zu Depressionen kommen vor", sagt Hummel.

Bislang hat die Medizin wenig Mittel in der Hand, um Patienten mit reinen Schmeckstörungen zu helfen. "Durch Weglassen oder Umstellen von Medikamenten kann man überprüfen, ob es daran liegt, und dann handeln", sagt Hummel. Als Therapie könne man es mit Zink versuchen. "Wir haben Hinweise, dass Zink besser als ein Placebo wirkt, aber wir kennen die genauen Gründe dafür noch nicht", sagt Hummel.

Mehr Chancen gebe es, wenn der Riechsinn am Geschmacksproblem schuld sei. "Riechzellen im obersten Teil des Nasenraums können sich nachbilden. Das ist möglicherweise der Grund, weshalb der Geruchssinn bei vielen Patienten nach einem kompletten Verlust langsam wieder kommt, wie wir das nach einem Schnupfen kennen."