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Krankheit Felix kämpft gegen den Tod

Der kleine Felix in Lübars leidet am seltenen Krankheit Alpers-Huttenlocher-Syndrom (AHS). Die Ärzte geben ihm nur noch ein paar Monate.

Von Bettina Schütze 07.10.2017, 13:00

Lübars l Es ist still in der Wohnung. Im Nachbarzimmer schläft Felix. Nur die vielen Medikamente deuten auf die schwere Krankheit des Jungen hin. Mutti Jessica Oschatz fällt es sichtlich schwer, über diese Krankheit und ihren Jungen zu sprechen. Dabei verlief nach der Geburt von Felix zunächst alles ganz normal. Zur Familie der alleinerziehenden 30-Jährigen gehören noch zwei gesunde Kinder im Alter vom elf und sieben Jahren.

„Selbst der Arzt wusste am Anfang nicht, um welche Krankheit es sich handelt. Dafür ist sie zu selten“, erzählt Jessica Oschatz. Kurz nachdem Felix ein Jahr alt geworden war, wurde er sehr krank. Seine Leber versagte. Er wurde Anfang Mai zur Untersuchung in eine Klinik nach Hannover gebracht. Jessica Oschatz: „Er wurde auf alles mögliche getestet, was die Ursache für das Leberversagen sein könnte.“ Wochen später kam die niederschmetternde Antwort: Felix leidet an dem seltenen Gen-Defekt, dem Alpers-Huttenlocher-Syndrom. Im Juni diesen Jahres teilten die Ärzte der Mutter mit, dass Felix nur noch eineinhalb Monate zu leben habe. Ein Moment, den wohl keine Mutter je erleben möchte.

„Die Ärzte sagten uns, dass es keine Heilung und keine Behandlung für meinen Jungen gibt. Sie könnten nur versuchen, die Krämpfe zu mindern.“

Jessica Oschatz

Felix kann aufgrund seiner Krankheit nicht mehr in die Kindertagesstätte gebracht werden, wegen der Infektionsgefahr. Um den Jungen zu pflegen, muss Mama Jessica zu Hause bleiben. Dazu musste sie sich krank schreiben lassen, weil es in Deutschland keine rechtliche Grundlage für solche Fälle gibt. Ihr Arbeitgeber, die Lenneper Leuchten im Burger Gewerbegebiet, unterstützt sie. So muss sie sich zumindest keine Sorge um ihren Arbeitsplatz machen.

„Die Krankheit, die der kleine Felix hat, ist sehr selten. Unser Institut ist das einzige in Deutschland, welches sich dieser Krankheit angenommen hat“, erklärt Prof. Dr. med. Anibh Martin Das, Leiter der Pädiatrischen Stoffwechselmedizin der Medizinischen Hochschule Hannover, Klinik für Pädiatrische Nieren-, Leber- und Stoffwechselerkrankungen. Hier wird Felix behandelt.

„Ursache ist eine Stoffwechselstörung“, erläutert der Mediziner. „Der Energiestoffwechsel wird gestört. Viele Organe werden zerstört. So auch die Leber. Eine Lebertransplantation macht aber keinen Sinn. Die Gene für das Syndrom sind im Körper. Im Laufe der ersten Lebensmonate entwickeln sich die vermehrt kranken Mitochondrien. Deshalb bricht die Krankheit auch erst später aus. Die Krankheit ist vererbbar.“

Der Gesundheitszustand von Felix verschlechterte sich mit dem Leberversagen. Es begannen Krampfanfälle, die Folgen haben. So hat der Junge vor drei Wochen seine Sehkraft verloren. Jessica Oschatz: „Die Ärzte sagten uns, dass es keine Heilung und keine Behandlung für meinen Jungen gibt. Sie könnten nur versuchen, die Krämpfe zu mindern.“ Für Felix gab es einen Pflegegrad.

Felix hat täglich Krampfanfälle. „Viele kleine. Und die großen hinterlassen ihre Spuren“, so Mama Jessica. Der Junge benutzt seine linke Körperseite nur sehr wenig. Seine Entwicklung ist derzeit auf dem Stand eines drei Monate alten Kindes. Die Entwicklung ist rückläufig. „Felix konnte vor der Krankheit schon mal die Flasche halten“, weiß Mama Jessica.

Der Tagesablauf des blonden Jungen besteht aus schlafen, essen und schlafen. Morgens und abends muss der Kleine jeweils elf verschiedene Medikamente schlucken. Jessica Oschatz: „Das waren schon mal mehr.“ Alle vier Stunden muss ihm seine Mama eine spezielle Lebernahrung verabreichen. Dazwischen gibt es alle vier Stunden Magnesiumpulver. Das Pulver wird im Tee aufgelöst. Dazu muss er ein Nahrungsergänzungsmittel zur Gefäßerweiterung nehmen. Felix nimmt das alles über eine Magensonde zu sich.

Der Junge kann nicht sprechen, gibt Babylaute von sich. Er kann nicht krabbeln. Er kann nicht sitzen.

Auch die Krankenkasse IKK konnte mit dem AHS zunächst nichts anfangen. Notfallmedikamente und lebensnotwendige Geräte sind vonnöten. Jessica Oschatz: „Ich muss bei einigen Medikamenten zuzahlen.“ Um mit Felix an der frischen Luft Spaziergänge unternehmen zu können, kann sie derzeit auf einen Leih-Reha-Buggy fahren. Dieser ist ergonomisch geformt und an die Körpermaße von Felix angepasst. Da der Junge aber wächst, muss demnächst ein neuer Reha-Buggy her. Die Kosten für diesen und für einen Therapiestuhl in Höhe von rund 4000 Euro übernimmt die Krankenkasse. Für das für Felix lebensnotwendige Nahrungsergänzungsmittel übernahm die Krankenkasse bisher nicht die Kosten, weil es kein Medikament ist.

Mittlerweile ist Felix wach geworden und schreit. „Er hat einen Krampf“, so Mama Jessica und versucht, den Kleinen zu beruhigen. Seine Schwester kommt ins Zimmer, streichelt liebevoll ihren kleinen Bruder und fragt: „Tut ihm das weh?“ Felix beruhigt sich und ein Lächeln gleitet über sein Gesicht. Jessica Oschatz: „Auf die Stimmen seiner Geschwister reagiert er immer positiv.“

Die alleinstehende Mutter erhält Unterstützung von vielen Seiten. „Schon ein paar nette Worte und jeder Euro helfen.“ Im Hofladen im Dorf können die Leute für Felix spenden.

Die beste Freundin von Jessica Oschatz, Anita Höckendorff aus Möckern und Nachbarin Jana Strehlau, helfen bei der Betreuung der beiden größeren Kinder, wenn Mama und Felix mal wieder in der Klinik in Hannover sind. „Wir machen das gerne. Die Unterstützung ist für mich selbstverständlich“, so Jana Strehlau.

Vor drei Wochen hat sich auch Jessica Oschatz einem Gen-Test unterzogen. Das Ergebnis liegt noch nicht vor. Die Mutter weiß mittlerweile, dass ein Gen der Erzeuger und eins die Mutter hat.

„Schon ein paar nette Worte und jeder Euro helfen.“

Jessica Oschatz

Nach Absprache mit den behandelnden Ärzten in Hannover wird jetzt auch mit einem Palliativ-Team zusammengearbeitet. Das besondere Versorgungskonzept der Palliativpflege begleitet sterbenskranke Menschen am Ende ihres Lebens und verbessert ihre Lebensqualität. Viele sehr schwer kranke Patienten haben Angst vor Schmerzen in der letzten Phase ihres Lebens und möchten nicht leiden. Eine angemessene Schmerzversorgung durch Palliativmedizin und Palliativpflege ermöglicht sterbenden Menschen und chronisch schwerkranken Patienten mit fortschreitenden degenerativen Krankheiten und begrenzter Lebenserwartung ein würdevolles Leben mit mehr Lebensqualität.

Die Familie benötigt nicht nur Unterstützung in den alltäglichen Dingen. Die größte Sorge für Jessica Oschatz ist es, dass sie ihren Felix nicht würdevoll verabschieden und beerdigen kann. Deshalb bittet sie um Unterstützung. Wer helfen möchte, kann spenden.

Felix liegt jetzt in der milden Septembersonne in seinem Reha-Buggy. Mama Jessica streichelt ihren Jungen und wird mit einem Lächeln belohnt. Ein Lächeln, dass immer in liebevoller Erinnerung bleiben wird.