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Sorgenkind seit 1995 Lichtblick im Turmuhr-Chaos: So will Martin Korwitz Radegaster Zeitanzeiger wieder ins Laufen bringen

Der Köthener Martin Korwitz will dafür sorgen, dass an der Radegaster Kirche bald wieder die richtige Zeit abzulesen ist. Warum sich die Einwohner aber bis 2025 gedulden müssen.

17.12.2024, 12:35
Martin Korwitz inspiziert die Turmuhr in Radegast. Damit sie wieder funktioniert, gibt es für den Fachmann noch einiges zu tun.
Martin Korwitz inspiziert die Turmuhr in Radegast. Damit sie wieder funktioniert, gibt es für den Fachmann noch einiges zu tun. Foto: Sylke Hermann

Radegast/MZ. - Gute Nachrichten hat Martin Korwitz nicht: „Vor Weihnachten wird das nichts mehr!“ Der Experte für Turmuhren und Glocken mit einer eigenen Werkstatt in Köthen lässt sich nicht erweichen. Obwohl Ortsbürgermeister Jörn Mozdzanowski bittet und bettelt. Es nützt nichts. Radegast wird warten müssen. Bis Januar. Dann soll die Turmuhr der Stadtkirche wieder funktionieren. Der Handwerker verspricht es.

Dass die Turmuhr steht und sich die Zeiger seit Jahren keinen Millimeter bewegen, damit können und wollen sich viele im Ort nicht zufriedengeben. Obwohl man sich nach so langer Zeit fast schon daran gewöhnt haben könnte. Hat man nicht, versichert der umtriebige Ortsbürgermeister. Gerade jetzt, im Advent, wo die Kirche angestrahlt wird, sei es ärgerlich, jeden Abend die kaputte Uhr zu sehen.

Um die Beleuchtung der Kirche hatte sich der Verein „Radegast (be)leben“ vor circa drei Jahren bemüht

Um die Beleuchtung der Kirche hatte sich der Verein „Radegast (be)leben“ vor circa drei Jahren bemüht und Spenden gesammelt. Unter anderem beim Stadtfest. Die Sache ist erledigt, freut sich Jörn Mozdzanowski, der auch Vereinsvorsitzender ist. Doch für ihn ist damit allenfalls ein Etappenziel erreicht. Es gebe einiges mehr, was man tun könne, um Radegast noch lebenswerter zu machen.

Dazu zähle auch die Sache mit der Turmuhr. „Es kann doch nicht sein, dass wir die Kirche wunderschön anstrahlen, aber die Uhr nicht funktioniert.“ Das ärgert ihn seit Langem. Das ärgert auch Anke Zimmermann, die Pfarrerin. Doch es fehle am Geld, solche Projekte umzusetzen, erklärt sie. „Zwischenzeitlich ging die Uhr mal, aber dann fiel sie wieder aus.“ Aber seit wann? Anke Zimmermann überlegt kurz und schätzt dann, dass die Uhr tatsächlich schon seit 1995 ein Sorgenkind der Kirchengemeinde und vor allem der Radegaster sei.

Vor wenigen Jahren unternimmt der Verein schon einmal den Versuch, die Uhr wieder zum Laufen zu bringen. Jemand, der versichert, sich mit der Technik auszukennen, nimmt sich der Sache an, zerlegt die Uhr in ihre Einzelteile, scheitert aber letztlich. „Es lag alles am Boden“, weiß Jörn Mozdzanowski noch. Auch Martin Korwitz kennt das Bild. Es ist der Zeitpunkt, als die Radegaster ihn beauftragen.

Die beleuchtete Kirche in Radegast: ein Anblick, den die Einwohner sehr genießen. Schade nur, dass die Uhr (noch) nicht funktioniert.
Die beleuchtete Kirche in Radegast: ein Anblick, den die Einwohner sehr genießen. Schade nur, dass die Uhr (noch) nicht funktioniert.
Foto: Möser

Der Köthener versteht sein Handwerk. Er ist gelernter Glocken- und Turmuhrenbauer. Seit der Christenlehre, erzählt er, fasziniere ihn diese Technik. Als Teenager repariert er bereits den Antrieb für die Glocke der Stiftskirche auf dem Petersberg bei Halle. „Ich habe damals einfach gefragt, ob ich mir das mal angucken kann.“ Der Anfang einer Leidenschaft. Obwohl Martin Korwitz erst den Beruf des Verfahrensmechanikers lernt, bevor er sich komplett auf Kirchturmtechnik fokussiert.

Als er dann vor über zwei Jahren zum ersten Mal das Turmuhren-Chaos von Radegast begutachtet, ahnt er schon, dass das ein größeres Projekt werden würde. Die Zahnräder, berichtet er, werden permanent einseitig belastet, „irgendwann knackt es“. Auch in Radegast ist ein defektes Zahnrad die Schwachstelle.

Die Pfarrerin erzählt, dass man bereits ein paar neue Teile bestellt hat. Die sind auch eingebaut, „aber die Kunst besteht am Ende darin, dass Alt und Neu miteinander harmonieren“, weiß Martin Korwitz. Noch passt das nicht zusammen. Er wird deshalb die Zahnräder von Hand bearbeiten und exakt so viel abschleifen müssen, dass sie mit den Stiften des sogenannten Hohltriebes ineinandergreifen. Dann funktioniert die Uhr auch wieder. „Das kann zwei Stunden oder auch mehrere Tage dauern“, sagt er. Das lasse sich in der Theorie schwer abschätzen.

Circa 2.500 Euro haben die Radegaster schon für die Turmuhr ihrer Stadtkirche gespendet

Circa 2.500 Euro haben die Radegaster schon für die Turmuhr ihrer Stadtkirche gespendet. Es gebe sogar schon Freiwillige, die sich bereiterklärt hätten, die Uhr einmal pro Woche aufzuziehen, berichtet Jörn Mozdzanowski. Der hätte sich das Prozedere am liebsten gleich zeigen lassen. Doch der Fachmann bremst ihn. Erst will er die Uhr wieder in Gang bringen und dann weiht er die Ehrenamtlichen in die Kunst des Uhrenaufzugs ein.

Weil Martin Korwitz merkt, wie wichtig den Radegastern dieses Thema ist, lässt er sich am Ende doch zu einer vorsichtigen Ankündigung hinreißen: „Ich könnte euch noch zwischen Weihnachten und Neujahr einplanen.“ Das gefällt Jörn Mozdzanowski. Endlich ein weiteres Projekt, das bald erledigt ist, hofft er.