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Telefonforum Psychosen So ist eine Psychose zu erkennen

Um das Thema Psychosen und wie man diese erkennt, ging es beim gestrigen Telefonforum. Prof. Dr. Johann Steiner, kommissarischer Direktor der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Magdeburg, Prof. Dr. Hans-Henning Flechtner, Direktor der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie Sandra Weigand, Psychotherapeutin i. A. standen dazu Rede und Antwort.

Aktualisiert: 14.09.2023, 15:36
Eine Psychose ist eine ernstzunehmende Erkrankung, die unbedingt ärztlich behandelt werden muss.
Eine Psychose ist eine ernstzunehmende Erkrankung, die unbedingt ärztlich behandelt werden muss. Foto: Imago

Magdeburg - Psychische Erkrankungen werden oft stigmatisiert und die Angst davor, selbst betroffen zu sein, ist groß. Bei Betroffenen und Angehörigen tauchen dann viele Fragen auf.

Meine Tochter, Anfang 60, leidet seit Jahren an einer Psychose. Sie wird sehr aggressiv, beleidigend und terrorisiert mich. Wie sollte ich mich verhalten?Eine Psychose ist eine Realitätsstörung, so dass man mit sachlichem Verhalten nicht an sie herankommt. Sie sollten versuchen, mit dem zuständigen Gesundheitsamt in Kontakt zu treten. Dort gibt es den sozialpsychiatrischen Dienst. Psychiater und Sozialpädagogen kümmern sich auch persönlich um jeden Fall. Sie können die Patienten zu Hause aufsuchen und versuchen, diese von der Notwendigkeit einer Behandlung zu überzeugen.

Ich bin über 80 Jahre alt, leide seit vielen Jahren unter Schlaflosigkeit und Angst, dass ich nicht einschlafen kann. Kann das zu einer Psychose führen?Sie müssen sich keine Sorgen machen. In Ihrem Alter ist es sehr unwahrscheinlich, dass Schlaflosigkeit zu einer Psychose führt.

Ich bin sehr aufbrausend, steigere mich oft in banale Dinge herein und finde da nicht mehr heraus. Wie kann ich reagieren? Das hört sich nicht nach einer Psychose an. Die Frage ist: Warum reagieren Sie so und was können Sie tun, um da schnell wieder herauszukommen. Das wäre eine Aufgabe für eine psychologisch/psychotherapeutische Beratung.

Meine Mitte 50-jährige Freundin, die ihre demente Mutter pflegt, fühlt sich bedroht und verfolgt. Sie glaubt, das FBI sucht sie, dass Waffen auf sie gerichtet werden und Leute mit dem Finger auf sie zeigen. Hat meine Freundin eine Psychose?Ihre Schilderungen lassen darauf schließen, dass es sich tatsächlich um eine Psychose handelt. Diese Krankheit bricht jedoch am häufigsten in den 20ern bis Mitte 30 aus. Sie klingt nicht von allein ab und bedarf einer medikamentösen Behandlung. Bei den von Ihnen geschilderten Symptomen ist eine Abklärung der Gründe für die späte Entstehung der Psychose unbedingt notwendig. Hier spielen genetische Faktoren eine Rolle, zumal bei der Mutter eine Demenz vorliegt. Sollte sich bei Ihrer Freundin eine demenzielle Erkrankung entwickeln, kann auch das zu Symptomen einer Psychose führen.

Mein Enkelkind macht mir große Sorgen. Er hat keine Freunde, ist aggressiv und verhält sich auffällig. Was kann man da machen?Das sind Verhaltensauffälligkeiten, die nichts mit einer Psychose zu tun haben. Sie sollten sich an einen Kinder- und Jugendpsychiater wenden.

Ich bin stark übergewichtig, leide seit vielen Jahren unter einer Depression und Essstörung. Anfang des Jahres habe ich meinen Job gekündigt. Nun möchte ich dauerhaft abnehmen. Was kann ich tun?Sie haben gemerkt, dass Sie allein nicht aus der Depression herauskommen und sind in psychiatrischer Behandlung. Das ist gut, aber vermutlich nicht ausreichend. Ein großes Problem scheint Einsamkeit zu sein. Sie benötigen soziale Kontakte. Eine Selbsthilfegruppe für Depression und Essstörungen könnte helfen. Auch eine Sportgruppe wäre zum Beispiel empfehlenswert. Auch die Begleitung durch eine ambulante Psychotherapie kann ratsam sein.

Wie finde ich einen ambulanten Psychotherapeuten oder einen Psychiater?Wenden Sie sich an die Terminservicestelle der Kassenärztlichen Vereinigung. Diese ist kostenlos über die Telefonnummer 116 117 erreichbar. In dringenden Fällen kann der Hausarzt hierfür einen Vermittlungscode ausstellen. Sie können sich auch direkt an Ihre Krankenkasse wenden.

Ich bin Anfang 50 und werde seit 20 Jahren wegen meiner Psychose medikamentös behandelt. Kann man diese Tabletten reduzieren oder absetzen?Das wäre grundsätzlich möglich. Eine Entscheidung darüber kann aber nur der behandelnde Arzt gemeinsam mit Ihnen treffen. Grundsätzlich muss man dabei sehr vorsichtig und langsam vorgehen. Sonst besteht das Risiko, dass die Psychose wieder aufflammt.

Mein Sohn leidet unter dem Touret-Syndrom sowie Zwangsstörungen. Er hat außerdem beim Gehen Probleme, das Gleichgewicht zu halten. Eine organische Ursache für diese Gangstörung gibt es nicht. Wir suchen seit langem eine Klinik, die so etwas behandelt und wurden mehrfach abgewiesen, weil man sich damit nicht auskenne.Solche Probleme sollten in jeder psychiatrischen Klinik behandelbar sein. Wenden Sie sich an Ihren behandelnden Arzt. Wenn der Hausarzt oder der Psychiater den Patienten einweist, dürfte einer stationären Behandlung nichts im Wege stehen.

Ich weiß nicht mehr ein und aus. Wegen meiner Depression war ich bereits einmal ein paar Tage lang im Krankenhaus. Das war für mich schrecklich. Was kann ich noch tun? Gegen Depression gibt es wirksame Medikamente. Welche in Ihrem Fall angebracht sind, kann am besten ein Psychiater entscheiden. Wenn Sie sich bei Ihrem Hausarzt nicht gut aufgehoben fühlen, lassen Sie sich überweisen oder suchen Sie direkt Kontakt mit einem Facharzt. Ein Termin beim Psychiater sollte relativ kurzfristig möglich sein.

Ich bin fast 90, lebe allein in einem Haus. Die Familie ist weit weg. Nun habe ich zunehmend Ängste, dass ich das Leben nicht mehr bewältige. Leide ich an einer Psychose? An wen kann ich mich wenden?Das klingt zunächst nicht nach einer Psychose, sondern nach realen Ängsten. Das Grundproblem scheint eher Ihre Lebenssituation zu sein. Wenn Sie keine Freunde oder ähnliche Kontakte im Umfeld haben, können Sie vielleicht tagsüber Begegnungsstätten nutzen, um Gleichgesinnte zu treffen. Angeboten wird das über verschiedene Stellen, zum Beispiel durch die Kirche oder durch Gesundheitsämter. Es gibt auch Stellen, die ins Haus kommen, wie die ambulante psychiatrische Pflege (APP), die Soziotherapie oder Ambulant Betreutes Wohnen (ABW). Zur Beratung und Kontaktvermittlung können Sie sich an den Sozialdienst der Stadt Magdeburg oder Ihren örtlich zuständigen Sozialdienst wenden.

An wen können sich Angehörige von an Psychose Erkrankten wenden?Es gibt Selbsthilfegruppen auch für Angehörige. Aber das regionale Angebot ist dafür sehr unterschiedlich. Sollte Sie die Situation so sehr belasten, dass Sie selbst krank werden, können Sie sich in einem ersten Schritt an Ihren Hausarzt wenden. An der Universitätspsychiatrie Magdeburg können Sie anrufen bei Frau Höfflin (0391-6714199). Wir planen nach der Corona-bedingten Pause nun wieder Gruppenangebote für Angehörige.

Ich bin Anfang 20, habe seit einiger Zeit Panikattacken und Angst, verrückt zu werden. Kann daraus eine Psychose werden?Das spricht nicht für eine Psychose, sondern für andere Belastungen, die im Zuge einer psychotherapeutischen Behandlung bearbeitet werden können.

(vs)

Prof. Dr. Johann Steiner
Prof. Dr. Johann Steiner
Fotos (3): Benndorf