"Stand-up-Paddling": Surfer ohne Wind und Welle
Mainhausen - Wer sich beim "Stand-up-Paddling" aufs Wasser wagt, muss Gleichgewichtssinn mitbringen. Die Trendsportart erobert deutsche Flüsse und Seen. Auf dem Main gleiten Abenteuerlustige stehend durchs Gewässer.
Offenbach ist nicht Honolulu und der Main nicht der Pazifik. Aber das ist Jörg Apel in diesem Moment egal. "Der Unterschied ist: Wir können hier auch schon mit einer fünf Zentimeter hohen Welle Spaß haben", erklärt Apel und greift sich sein Surfbrett. Selbst fünf Zentimeter sind an diesem Sommerabend nicht zu sehen, der Main fließt friedlich am südhessischen Mainhausen im Landkreis Offenbach vorbei. Das Werkzeug, mit dem der 29-Jährige die Wasseroberfläche des Flusses dennoch zu einem Spielplatz für sich und sein Surfbrett machen will, hält er in der Hand: ein Paddel.
"Stand-up-Paddling" - kurz SUP oder auch Stehpaddeln - heißt die Sportart, die seit dem vergangenen Jahr durch die deutschen Binnengewässer schwappt. Lange waren Apel und seine Freunde, die an diesem Abend über den Main paddeln, Exoten unter den Wassersportlern: Mischwesen aus Surfern und Kanuten. Sie stehen aufrecht auf ihren Brettern, halten das Paddel mit beiden Händen fest, stoßen es in das trübe Wasser und gleiten geräuschlos davon. Erfunden wurde die Technik wohl vor vielen Jahren von polynesischen Fischern. Surfer auf Hawaii entdeckten sie später wieder, unter anderem um im Stehen Fotos auf dem Wasser schießen zu können. Seit einiger Zeit ist die Trendsportart in Europa angekommen.
"Jörg hat mich eines Tages gefragt, ob ich mit ihm surfen gehen will", berichtet Thorsten Gruber, der bei dem kleinen Ausflug mit dabei ist. "Ich habe natürlich gefragt: Wo willst du denn hier surfen?" Apels Antwort: auf dem Main. Normalerweise arbeitet der 29-Jährige in einer Steuerkanzlei, doch nach Feierabend schlüpft er in die Badehose, setzt die Sonnenbrille auf und fährt ans Mainufer. Mittlerweile hat er auch einen Trainerschein.
Wer sich selbst auf ein Brett wagt, merkt schnell: Wer steht, hat schon einiges überstanden. Zuvor geht es kniend einige Meter weg vom Ufer. Das Brett wackelt beim Aufstehen bedenklich, aber sobald mit Hilfe des Paddels ein wenig Schwung dazu kommt, gleitet es recht stabil. Bauch- und Rückenmuskulatur werden merklich trainiert. "Der Sport ist gut für Einsteiger und lässt sich überall machen", sagt Apel. Er hat seit dem vergangenen Jahr schon rund 350 Menschen die richtigen Bewegungen auf dem Brett gezeigt. Sein ältester Kursteilnehmer war 72 Jahre alt.
Wo sich ein Trend entwickelt, ist auch immer ein Geschäft: Ein Brett mit Paddel kostet schnell 1500 Euro, immer mehr Anbieter werben mit SUP-Kursen. "Es gibt in diesem Bereich sicherlich auch eine große Kommerzialisierung", sagt Petra Schellhorn, die für den Freizeitsport beim hessischen Kanu-Verband zuständig ist. Anfänger sollten daher auf einige Dinge achten: erfahrene Begleiter, schnell trocknende Kleidung, Schutz gegen die Sonne und feste Schuhe, falls es vom Brett runter in ein Flussufer gehen sollte.
Auch Apel macht seine Schützlinge bereits zu Beginn der Übungen auf die Gefahren des Wassers für Stehpaddler aufmerksam: Schiffsverkehr und Angelruten. "Ich habe den Main komplett neu entdeckt, obwohl ich nur wenige Meter von hier entfernt wohne", erzählt auch Kumpel Gruber.
Beide hoffen, dass ihr Sport nicht allzu schnell zum Massenphänomen wird, wie es beim Wellenreiten in den 1980er Jahren zu beobachten war. Sie wollen den Fluss noch ein wenig für sich alleine haben - Apel hat allerdings auch schon Junggesellenabschiede auf SUP-Brettern betreut. Nach Informationen der Expertin vom Kanu-Verband bemerken aber auch die Kanu-Vereine die wachsende Popularität der Sportart. Immer häufiger werden Kurse angeboten, erzählt Schellhorn.