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Fußball Reporter schildern Blinden Fußball im Stadion

Blindenreporter machen für blinde und sehbehinderte Fans Fußball im Stadion erlebbar. So auch den Aufstieg des 1. FC Magdeburg.

25.04.2018, 09:17

Magdeburg (dpa) l "Jetzt gibt es kein Halten mehr! Das Spiel ist aus, die Fans stürmen auf das Spielfeld!". Patrick Rebien spricht ins Mikrofon, als der Schiedsrichter die Partie nach dem 2:0 für den 1. FC Magdeburg über SC Fortuna Köln abpfeift. Seine Worte gehen im ohrenbetäubenden Jubel über den sehnsüchtig erwarteten Aufstieg der Magdeburger in die 2. Bundesliga unter.

Hinter dem Reporter liegen sich Torsten Kühlhorn, Stephen Leuschner, Jonas Junker, Martin Lechelt und Jerome Haack in den Armen. Die sechs Männer sind ehrenamtliche Blindenreporter und haben das Drittliga-Spiel für Menschen mit Sehbehinderung kommentiert. Dafür geben sie sich das Mikrofon abwechselnd in die Hand. Blindenreporter sind in der 3. Liga – wo Magdeburg bis Samstag spielte – ein freiwilliges Angebot, wie der Verein erklärte. In der 1. und 2. Bundesliga müssen es die Vereine verpflichtend bereithalten.

Blindenreporter müssen nicht nur erzählen, was auf dem Spielfeld passiert und mit ihrem Wissen auch Spielunterbrechungen überbrücken. Sie müssen auch im Blick haben, was am Spielfeldrand und auf den Tribünen passiert.

Am Samstag war in Magdeburg indes langfristig der Spieltag als Behindertentag geplant. Firmen der Stadt, Partner des FCM und Privatleute sponserten über 3000 Karten für Menschen mit Behinderungen. "In dieser Größenordnung ist das einmalig im deutschen Fußball", schätzt der Behinderten-Fanbeauftragte des Clubs, Gerald Altmann, ein. "Beim ersten Behindertentag vor acht Jahren hatten wir 30 Rollifahrer eingeladen. Damals spielte der FCM in der Regionalliga, hatte wenig Zuschauer und schlechte Presse. Aber die Rollifahrer waren immer da, und dafür wollten wir uns bedanken."

Über Kopfhörer konnten die 20 Fans mit Sehbehinderung das Spiel der Blauweißen, dem tagelang entgegengefiebert wurde, am Samstag im Stadion miterleben. Einer von ihnen ist Henning Krause. Er hält dem Fußballclub schon seit DDR-Zeiten die Treue. Als sein Sehvermögen wegen einer Krankheit immer schlechter wurde, und er schließlich gar nichts mehr sah, blieb er zu Hause.

Jetzt ist er gemeinsam mit Astrid Mertens im Stadion und verfolgt das Spiel live. "Es ist eine tolle Sache. Die Jungs machen das super", lobt er die Arbeit der Blindenreporter. Er sei glücklich, die Stimmung im Stadion wieder hautnah erleben zu können.

Krause gehörte zu den ersten Nutzern des kostenlosen Angebots. Die Idee dafür brachte der Radiojournalist Sören Thümler aus Wolfsburg mit. "Bei einem Spiel des VfL Wolfsburg habe ich zum ersten Mal Blindenreporter gesehen und fand, das wäre auch etwas für uns", erzählt er. Thümler schlug dem Fußballclub vor, ebenfalls Livekommentare von Blindenreportern anzubieten. Beim Club stieß er auf Zustimmung, doch die extra Sprechanlage kostete fast 9000 Euro. Diese kamen schließlich von der Aktion Mensch, 5000 Euro spendeten die Magdeburger Fans.

Anfangs kommentierte Thümler die Spiele allein. Bei der lautstarken Kulisse im Stadion sei das Schwerstarbeit für die Stimmbänder. Die Anlage wurde in der Anfangszeit von der Berliner Hertha ausgeliehen. Verstärkung bekam Thümler vom Fanradio und der Hochschule Magdeburg-Stendal. "Wir versuchen immer, Journalistikstudenten im ersten Semester zu gewinnen, damit wir länger etwas von ihnen haben", berichtet der Initiator.

Die Blindenreporter werden zudem regelmäßig geschult. Die Reporter machen ihre Arbeit unentgeltlich und werden das künftig auch in der 2. Bundesliga tun. Sie können kostenfrei ins Stadion und haben auch Zugang zum Pressebereich. Geschult werden sie einmal im Jahr, und im Herbst treffen sie sich mit Blindenreportern von anderen Vereinen zum Regionaltag. Enge Verbindung haben sie vor allem zu den Kollegen in Leipzig, Dresden und Berlin.

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