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Stadtrat  Streit um geänderten Wobau-Vertrag

Bürgermeisterin Regina Blenkle hat den Gesellschaftsvertrag der Wobau geändert. Das sorgte im Stadtrat für Streit.

Von Ivar Lüthe 28.05.2016, 01:01

Haldensleben l Wobau-Streit und kein Ende. So zumindest sieht es derzeit im politischen Haldensleben aus. Zwei Mal hat bisher der Stadtrat mehrheitlich die Besetzung des Aufsichtsrates der 100-prozentigen Stadttochter beschlossen. Unter anderem darin: Haldenslebens Ex-Bürgermeister Norbert Eichler (CDU). Zu diesen Beschlüssen hatte Bürgermeisterin Regina Blenkle (FUWG) jeweils Widerspruch eingelegt. Begründung: Gegen Eichler werde von der Staatsanwaltschaft unter anderem wegen des Verdachts der Untreue ermittelt. Die Strafanzeige hatte sie am 11. Februar dieses Jahres per E-Mail selbst gestellt.

Zuletzt hatte die Kommunalaufsicht festgestellt, dass der Beschluss des Stadtrates umzusetzen sei. Nun sollte es am Donnerstagabend erneut um Änderungen im Gesellschaftsvertrag der Wobau gehen. Ein formaler, inhaltlicher Akt. Doch es kam zwischenzeitlich anders. Roswitha Schulz (Linke) überraschte mit einer Änderung des Beschlussantrages ihrer eigenen Fraktion und brachte Neuigkeiten in die Öffentlichkeit: „Ich habe etwas gezögert, in Erwartung, dass Sie, Frau Blenkle, etwas sagen würden. Das ist nicht geschehen. Mir liegt die Information vor, dass es am Montag, 23. Mai, eine Gesellschafterversammlung der Wobau gab und dass Änderungen des Gesellschaftsvertrages vorgenommen worden sind“, hob Roswitha Schulz an.

In einem Punkt sei der Gesellschaftsvertrag dahingehend geändert worden, dass Mitglieder des Aufsichtsrates mit Ablauf eines Monats nach Erreichen des gesetzlichen Rentenalters aus dem Amt scheiden müssen. Sprich: alle Mitglieder über 65 Jahre sind raus. Das beträfe unter anderem Stadträtin Marlis Schünemann (CDU), Roswitha Schulz (Linke) – und auch Norbert Eichler.

Außerdem sei die Änderung eingetragen worden, dass die Hauptverwaltungsbeamtin (Bürgermeisterin - Anm. d. Red.) Vorsitzende des Aufsichtsrates ist.

Roswitha Schulz fragte in die Runde: „Wenn die Hauptverwaltungsbeamtin diese Änderungen vorhat, warum haben wir (der Stadtrat - Anm. d. Red.) das nicht schon in der letzten Beratung erfahren?“ Und an Regina Blenkle gerichtet, sagte die Linkenpolitikerin: „Ich werfe Ihnen vor, dass Sie Ihrer Informationspflicht nicht nachgekommen sind, wenn Sie nicht sagen, dass Sie das vorhaben.“

Satzungsangelegenheiten seien Sache des Stadtrates, so Roswitha Schulz. „Erschwerend kommt hinzu, dass der Stadtrat diese Angelegenheit an sich gezogen hat – mit einer gänzlich anderen Zielsetzung! Für mich leitet sich daraus ab, dass die Hauptverwaltungsbeamtin gegen den Willen des Stadtrates arbeitet.“

Die Linkenfraktionschefin stellte daraufhin den Antrag, dass die Bürgermeisterin angewiesen wird, die am 23. Mai notariell gefassten Änderungen des Gesellschaftsvertrages sofort rückgängig zu machen. Und: Auch eine offenbar getätigte Anweisung der Bürgermeisterin an die Geschäftsführung der Wobau, die Änderungen unverzüglich dem Handelsregister mitzuteilen, solle sofort zurückgenommen werden.

Regina Blenkle bestätigte die Änderungen des Gesellschaftsvertrages. Sie habe sich zuvor mit der Kanzlei der Wobau beraten, sagte sie. Daraufhin habe es diese Änderungen gegeben.

„Als Gesellschafterin bin ich sehr wohl in der Lage dazu“, sagte die Bürgermeisterin und berief sich darauf, dass die Wobau 100-prozentige Tochter der Stadt Haldensleben sei. Sie bezieht sich vor allem auf das Gesellschaftsrecht. Dies sei Bundesrecht und stehe somit über dem Kommunalrecht.

In dem geänderten Passus, dass Aufsichtsratsmitglieder über 65 Jahre ausscheiden müssen, sehe sie übrigens „auch ganz praktische Gründe. Frau Schünemann, Sie selber haben vorhin gesagt, dass sie etwas nicht verstanden haben“, sagte sie mit Blick in die Reihen der CDU-Fraktion. Außerdem habe es „bedauerlicherweise“ „in der Vergangenheit Fälle gegeben“, wo sich Aufsichtsratsmitglieder nicht an Recht und Gesetz gehalten hätten, so Regina Blenkle.

Was sie damit konkret meinte, ließ sie offen, holte aber zu einem weiteren Schlag aus: „Es ist nicht besonders klug, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Sie sollten erstmal in den eigenen Reihen schauen.“ Denn für Regina Blenkle steht fest, dass die bisher gefassten Beschlüsse zur Besetzung des Aufsichtsrates der Wobau keine Gültigkeit besitzen. Stadtrat Rüdiger Ostheer (CDU) sei nämlich als Mitarbeiter bei der Wobau befangen und hätte bei den zuvor gefassten Beschlüssen ihrer Rechtsauffassung nach überhaupt nicht mitwirken dürfen.

Und weil die Beschlüsse ungültig seien, „weiß ich auch gar nicht, was ich umsetzen soll“, so Regina Blenkle. In diesem Fall habe sie auch die Kommunalaufsicht des Landkreises angerufen, um die Sache zu klären. „Dazu wird, denke ich, bis zum 31. Mai eine Antwort von der Kommunalaufsicht kommen“, so Regina Blenkle.

Klaus Czernitzki kommentierte es so: „Zuerst hat die Bürgermeisterin es mit den Widersprüchen versucht, Herrn Eichler im Aufsichtsrat zu verhindern. Weil das nicht geklappt hat, versucht sie es nun so.“

Guido Henke (Linke) erklärte sein Unverständnis über die Vorgehensweise der Bürgermeisterin und holte zu einer Erklärung aus, die den Verlauf der Streitigkeiten rund um das Thema Wobau zum Inhalt hatte.

So habe er unter anderem die Bürgermeisterin aufgefordert, sie möge die Erklärung der Kommunalaufsicht, dass die Bürgermeisterin den Beschluss des Stadtrates umzusetzen habe, an alle Stadträte schicken. Dies sei nicht geschehen. Außerdem habe sie die Tagesordnungspunkte für die geplante Sitzung für den 19. Mai eigenmächtig gestrichen und auch auf den Hinweis der Kommunalaufsicht nicht reagiert, dass sie dies nicht könne. Stattdessen wurden die Einladungen für die geplante Sitzung nicht fristgerecht rausgeschickt. Diese Vorwürfe bestreitet Regina Blenkle jedoch, hat zur Tagesordnung eine andere Rechtsauffassung.

„Frau Blenkle hat sich selbst als Aufsichtsratsvorsitzende eingesetzt. Die Entscheidung über die Besetzung des Aufsichtsrates obliegt dem Stadtrat. Sie, Frau Blenkle, haben das gesetzliche Vertretungsrecht der Gesellschafterin. Aber Sie sind nicht die Stadt Haldensleben. Sie sind auf Zeit die Vertreterin der Gesellschafterin. Daher weiß ich nicht, wie Sie immer wieder davon reden, dass Sie die Gesellschafterin seien“, erklärte Guido Henke. An die Fraktionen des Stadtrates gerichtet, sagte er: „Ich bitte zu prüfen, ob die Hauptverwaltungsbeamtin hier nicht von ihrem gesetzlichen Recht missbräuchlich Gebrauch gemacht hat.“

Nach einem Antrag von Thomas Seelmann (CDU), dass keine weiteren Diskussionsbeiträge zugelassen werden sollten, ging es an die Abstimmung des Änderungsantrages von Roswitha Schulz. Und es fand sich eine klare Mehrheit dafür, dass die Änderungen durch die Bürgermeisterin sowie die Anweisung an die Geschäftsführung der Wobau sofort rückgängig zu machen sind. 17 Stadträte stimmten mit Ja, 5 mit Nein, 4 enthielten sich. Auch der Ursprungsantrag der Linken zum Gesellschaftsvertrag fand eine Mehrheit.

Ob die Bürgermeisterin Widerspruch einlegt, oder auf die Entscheidung der Kommunalaufsicht im Falle Rüdiger Ostheer warten wird, blieb offen. Der Wobau-Streit und die unterschiedlichen Rechtsauffassungen werden also weiterhin Ämter, Juristen und Politik beschäftigen.