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Anschlusszwang Es brodelt im Graseweg

Mit Kosten von etwa 5600 Euro sollen sich die Anwohner in Schönebeck am Anschluss ihrer Grundstücke an die Kanalisation beteiligen.

Von Ulrich Meinhard 17.08.2016, 21:14

Schönebeck l Wenig Begeisterung hat Jörg Naumann am Dienstagnachmittag im Schönebecker Graseweg ausgelöst - um es einmal freundlich auszudrücken. Der in der Stadtverwaltung für Fragen der Abwasserentsorgung zuständige Mitarbeiter (Stabsstelle Abwasser/Trinkwasser) hatte Anwohner zu einem Gespräch gebeten - zu einem Straßen-Gespräch. Die Grundstücke der Bürger, die im Graseweg wohnen, sollen an die öffentliche Kanalisation angeschlossen werden, bislang erfolgt die Abwasserentsorgung über Klärgruben. Baubeginn soll schon in knapp drei Wochen sein.

Prinzipiell ist gegen diesen Plan nichts zu sagen. Das Gesetz schreibt einen Anschluss vor. Was das Fass bei den Anwohnern allerdings zum Überlaufen bringt, ist die Mitteilung, dass sie aus Gründen der Topografie (die Straße liegt vergleichsweise tief) allesamt aus eigener Tasche in Pumpen investieren sollen, die die Abwässer in die Kanalisation befördern. Kostenpunkt pro Pumpe: Zwischen 3300 und 3600 Euro. Hinzu kommen freilich noch die Kosten für den jeweiligen Anschluss, sprich für die Tiefbauarbeiten, in Höhe von etwa 2000 Euro. Diese Kosten vor Augen, winkt Gunnar Behrens angesichts der kalkulierten Gesamtkosten von etwa 5600 Euro ab: „Wenn ich so viel Geld für Abwasser ausgebe, kann ich davon unglaublich viel produzieren.“ Sein Hinweis: Zu den Anschlussgebühren kommen selbstverständlich auch Gebühren für den Anschluss sowie Kosten für Strom und Wartung der jeweiligen Pumpe.

Mathias Borowiak, der ebenfalls Anwohner im Graseweg ist, schlägt eine andere Variante vor: Statt der etwa 15 Pumpen eine größere Pumpe, die von der Graseweg-Gemeinschaft finanziert würde. Seine Frage an Naumann: Ist das technisch machbar? Der bejaht: das müsse und könne geprüft werden.

Hier hakt Rechtsanwalt Dr. Michael Moeskes nach, den die Anwohner zum Treffen gebeten haben. „Wenn es eine preiswertere Variante gibt, muss sie auch angewendet werden.“ Dieser Argumentation würde jedes Verwaltungsgericht in Deutschland folgen. Die von Moeskes und den Anwohnern mehrfach gestellte Frage, warum die Stadt eine Alternative mit einer Zentralpumpe nicht bereits geprüft hat, kann Jörg Naumann von der Stadtverwaltung nicht beantworten. Er sagt - ebenfalls mehrfach - dass er nur „der kleine Sachbearbeiter“ sei, der die Bürger informiere. Er selbst könne nicht entscheiden. Wer denn dann, lautet die Frage in der Runde. Darauf Naumann: „Meine Chefin. Das ist Frau Pöschke.“

Nun ist Petra Pöschke die Kämmerin der Stadt. Entscheidet jetzt also eine Finanzfachfrau über technische Fragen?

Michael Moeskes hakt auch hier mehrfach nach und hält fest: „Die Kämmerin kann nur rechnen, aber eine solche Frage nicht fachlich beurteilen. Das kann nur ein Bauingenieur.“ „Ich kann Ihre Argumente nur mitnehmen und weiterleiten“, antwortet Naumann. An wen? „An meine Chefin.“

Offen bleibt auch die von den Anwohnern gestellte Frage, wer denn für die Wartung der jeweiligen Einzelpumpe zuständig sei. Wie muss sie erfolgen? Welcher Nachweis ist von wem wie zu führen? Da die Anwohner selbst für die Installation der Pumpen pro Haushalt sorgen sollen, schließt sich die Frage an: Wie soll die eigentlich bei dem hohen Grundwasserstand sach- und fachgerecht in die Erde kommen?

Naumann, der mit einem vierköpfigen Team vor Ort erscheint, bleibt darauf schlüssige Antworten schuldig. „Sie müssen aber schon in der Lage sein, als Vertreter der Stadt, sachkundig Auskunft zu geben. Das haben Sie nicht geschafft“, lautet die Kritik des Rechtsanwaltes. Gegenüber der Volksstimme sagt er nach der Beratung: „Das ganze Verfahren ist unmöglich.“ Deshalb wolle er jetzt Druck gegenüber der Stadt aufbauen, das Gespräch mit dem Oberbürgermeister suchen und die Gegenwehr „ganz gelassen chirurgisch vorbereiten“. Er stellt klar, worüber auch Naumann zuvor informiert hat: Gegen jede Vorgabe der Stadt kann sich der Bürger wehren. Mit anderen Worten, die Würfel sind keinesfalls gefallen, auch wenn der Baubeginn schon in drei Wochen sein soll.

Diesen Punkt kritisiert unter anderem Yvonne Koch. „Uns flattert so kurzfristig ein Brief ins Haus“, dabei gebe es den Plan des Anschlusses seit über fünf Jahren. „Mindestens.“ Mathias Borowiak sagt an Naumann gewandt: „Wir appellieren an Ihre Vernunft, eine einvernehmliche Lösung zu finden.“ Genau diese Lösung liegt aber, nach Naumanns eigenen Worten, nicht bei ihm. Er sagt zu, die Anwohner über den Werdegang schriftlich zu informieren - in etwa drei Wochen (dann soll aber schon Baubeginn sein!). Gegebenenfalls würden die Bürger noch einmal zu einem Treffen gebeten. Wieder auf der Straße.

Ein Versammlungsprozedere, das Sabine Behrens „stillos“ findet. Ihrer Einschätzung nach wäre eine Einladung der Bürger in das Rathaus angemessen und kein schnelles Abhandeln des Themas an einer Straßenstelle, an der noch dazu eine hohe Geräuschbelastung durch den Autoverkehr auf der Barbyer Straße die akustische Verständigung erschwert. Auch Rechtsanwalt Moeskes befindet: „Das ist keine Art und Weise, mit den Leuten umzugehen.“