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Macht, Geld und Liebe: Andrea Camilleris Aussetzer

Mauro De Blasi ist ein ebenso erfolgreicher wie skrupelloser Wirtschaftsmanager, den so leicht nichts aus der Fassung bringt. Doch dann lässt ihn eines Tages sein Körper im Stich.

Von Sibylle Peine, dpa 22.12.2015, 13:21

Berlin (dpa) - Andrea Camilleris Buch Aussetzer vereint die Qualitäten eines Wirtschaftskrimis und Psychothrillers mit denen eines bitterbösen Gesellschaftsporträts. Der Roman des mittlerweile 90-jährigen Italieners erschien schon 2010, wurde aber erst jetzt ins Deutsche übersetzt.

Schauplatz ist diesmal nicht das sizilianische Vigata des legendären Commissario Montalbano, sondern die pulsierende Wirtschaftsmetropole Mailand. Hier kreuzen sich die Wege gerissener Topmanager, korrupter Politiker und schöner Frauen. Es geht um Macht, Geld und erotische Abenteuer. Jeder spielt hier sein eigenes Spiel, ist Betrüger und Betrogener in einem.

Mauro De Blasi, CEO der Firma Manuelli, steht auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Erst kürzlich hat das Porträt des 42-Jährigen das Cover eines bedeutenden Wirtschaftsmagazins geziert. Infolge der Finanzkrise wird der aalglatte Manager zwar bedauerlicherweise einige Standorte schließen müssen, doch plant er längst seinen nächsten Coup, die Übernahme der angekränkelten Firma Artenia.

De Blasi hat aber nicht nur auf das taumelnde Unternehmen ein Auge geworfen, sondern auch auf die Enkelin des Aufsichtsratsvorsitzenden, die schöne Licia Birolli. Alles scheint sich bestens zu entwickeln, wären da nur nicht diese besorgniserregenden Aussetzer. Mauro sieht plötzlich Dinge und hört Sätze, die aus einer anderen Welt zu stammen scheinen. Sind das erste Anzeichen des Alters oder gar einer gefährlichen Krankheit?

Was Mauro lange nicht weiß: Auch privat hat er längst über sein Leben die Kontrolle verloren. Seine Frau Marisa betrügt ihn ausgerechnet mit seinem Stellvertreter Guido Marsili. Mit zusammengeklaubten Liebesgedichten weiß dieser eiskalte Macher die naive Schönheit zu betören. Die Geschichte eskaliert in dem Moment, da Marisa ihren Gatten verlassen will - für Guido ein Alptraum. Als Marisa erkennt, dass ihr Geliebter nur ein schmutziges Spiel mit ihr spielt, weiß sich die gedemütigte Frau raffiniert an ihm und ihrem Ehemann zu rächen.

Camilleri zeigt die neoliberale Wirtschaftswelt als Kampfplatz für Zyniker und Egoisten. Menschliche Beziehungen geraten unter die Räder, die Liebe verkommt zur Ware und wird zur sexuellen Dienstleistung reduziert. Die Opfer verfangen sich in einem Spinnennetz von Intrigen und Machenschaften, deren ganzes Ausmaß sich dem Leser erst nach und nach enthüllt. Camilleri legt in einem spannenden Verwirrspiel immer wieder neue ausgeklügelte Fährten und sorgt für unvorhergesehene Wendungen. Am Ende muss auch der Meisterspieler Mauro erkennen, dass er einen Feind hat, der größer ist als er.

- Andrea Camilleri: Aussetzer, Kindler Verlag, Reinbek, 208 Seiten,
19,95 Euro, ISBN 978-3-463-40616-9.

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