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Neue Erzählungen Von Schirach schreibt über "Strafe" - und sich selbst

Nach den großen Erfolgen mit "Verbrechen" und "Schuld" hat Ferdinand von Schirach jahrelang keine weiteren Kurzgeschichten veröffentlicht. Jetzt legt er aber mit "Strafe" einen neuen Band auf. In einer der Erzählungen geht es auch um ihn selbst.

Von Von Petra Albers, dpa 06.03.2018, 09:58

Köln (dpa) - Nach dem Tod seiner Frau ist Brinkmann einsam geworden, die Tage dehnen sich in endloser Langeweile. Bis er sich in seine wesentlich jüngere Nachbarin verliebt, die allerdings verheiratet ist.

Eines Tages ergreift er die Gelegenheit: Als der Ehemann sein Auto repariert, stößt Brinkmann die Wagenheber um, der Mann wird zerquetscht. Alle gehen von einem Unfall aus. Brinkmann kommt ungeschoren davon und bereut nichts.

Es sind ungewöhnliche Kriminalgeschichten wie diese, die Ferdinand von Schirach in seinem neuen Erzählband "Strafe" versammelt hat.

Wie schon in seinen früheren Büchern geht es letztlich um Schuld und Gerechtigkeit, um die Fragen: Was ist gut und was ist böse? Und: Wie wird jemand zum Verbrecher? In klaren kurzen Sätzen entwirft von Schirach ein Szenario, skizziert die Protagonisten anhand weniger, aber anschaulicher Details so präzise, dass sie vor dem inneren Auge des Lesers lebendig werden. Dass der Autor jahrelang als Strafverteidiger gearbeitet hat, lässt die Geschichten umso authentischer wirken.

Wann ist jemand schuldig? Kann und darf man Verständnis für ein Verbrechen aufbringen? Etwa im Fall einer Frau, die für die Tötung ihres Babys verurteilt wird, in Wirklichkeit aber den wahren Täter - ihren Ehemann - deckt? Als die Frau aus dem Gefängnis entlassen wird, tut ihr Mann, als sei nichts gewesen und interessiert sich nur für seinen kaputten Fernseher. Das stört sie sehr...

Von Schirachs Erzählbände "Verbrechen" (2009) und "Schuld" (2010), die für das ZDF verfilmt wurden, standen wochenlang auf den Bestseller-Listen, ebenso wie die danach erschienenen Romane "Der Fall Collini" und "Tabu". Im Herbst 2016 erregte die Verfilmung seines Theaterstücks "Terror" Aufsehen: In dem ARD-Gerichtsdrama ging es um den Prozess gegen einen Kampfpiloten, der eine entführte Passagiermaschine abgeschossen hatte, um zu verhindern, dass der Jet in ein voll besetztes Fußballstadion gelenkt wird. Die TV-Zuschauer konnten anschließend über das Urteil abstimmen.

"Wenn meine Bücher eine Bedeutung haben, dann liegt sie darin, dass sie versuchen, die Würde des Menschen zu verteidigen", sagt von Schirach in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur. Seine Geschichten zeigen die Menschen hinter den Verbrechen.

Die letzte Geschichte in "Strafe" ist eine Besondere: Die in "Ich"-Form geschriebene Erzählung handelt nach Angaben des Autors von ihm selbst und erkläre, warum er schreibt. In "Der Freund" schildert von Schirach, wie sich sein Jugendfreund Richard aus Schuldgefühlen über den gewaltsamen Tod seiner Frau absichtlich selbst zu Grunde richtet. "Vielleicht hast du Recht und es gibt kein Verbrechen und keine Schuld. Aber es gibt eine Strafe", habe Richard zu ihm gesagt.

Richards Schicksal gab für von Schirach demnach den Anstoß, Schriftsteller zu werden. "Es war zu viel geworden", schreibt er. "Ich dachte an die Menschen, die ich verteidigt hatte, an ihre Einsamkeit, ihre Fremdheit und ihr Erschrecken über sich selbst." Nach 20 Jahren als Strafverteidiger sei nur ein Karton mit ein paar Erinnerungsstücken übrig geblieben. "Ich dachte, ein neues Leben wäre leichter, aber es wurde nie leichter. (...) Die Regeln sind immer ein wenig anders, aber die Fremdheit bleibt und die Einsamkeit und alles andere auch."

- Ferdinand von Schirach: Strafe, Luchterhand-Verlag, München, 192 Seiten, 18 Euro, ISBN 978-3-630-87538-5.

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