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Coronavirus Auflagen für Schulen nicht zu halten

In Sachsen-Anhalt soll Normalität an Schulen einkehren, doch die Hygiene-Auflagen sind so gut wie gar nicht zu halten.

Von Alexander Walter 18.05.2020, 01:01

Magdeburg l Pause am Freitag vor den Pfingstferien im Magdeburger Domgymnasium. Schüler stehen auf dem Schulhof und plaudern. Freunde gehen in Gruppen durch die Flure. Obwohl nach Wochen coronabedingter Schließung erst wenige Schüler wieder da sind, hält sich fast niemand an den vorgeschriebenen Sicherheitsabstand von 1,50 Metern. An den Vorkehrungen der Schule liegt das laut Leiter Dietrich Lührs nicht. Wie andere Einrichtungen habe die Schule in freier Trägerschaft mit ihren sonst 850 Schülern die Corona-Auflagen des Landes umgesetzt.

Unterrichtet wird in Kleingruppen, Pausen wurden verkürzt, Schüler belehrt. Und doch: „Wir müssen feststellen, dass vor und nach dem Unterricht der Mindestabstand flächendeckend nicht eingehalten wird“, sagt Lührs.

Mit seinen Bedenken hat er sich in einer E-Mail an Bildungsminister Marco Tullner gewandt. Eine Antwort habe er nicht bekommen, sagt er. Bei der aktuell geringen Zahl von Infizierten sei die Situation noch nicht dramatisch, so Lührs. Sollten die Zahlen aber wieder steigen, sei die Lage völlig neu zu bewerten.

Sorgen macht Lührs die geplante erweiterte Öffnung der Schulen nach Pfingsten. Dann sollen in zeitlichem Wechsel alle Jahrgänge zurückkehren. Sollte auch dann der Mindestabstand noch gelten, könne er „einen Schulbetrieb eigentlich nicht mehr verantworten“, hat Lührs Tullner geschrieben. Mit seinen Bedenken ist er nicht allein: „Ich kann das zu 100 Prozent nachvollziehen“, sagt Stefan Hübner, stellvertretender Direktor der Lessing-Ganztagsschule Salzwedel. Nach Pfingsten kommen bei ihm zwar insgesamt nicht mehr Schüler, dafür aber verstärkt jüngere Klassen. „Die Sorgen werden da größer“, sagt Hübner.

Auch Thomas Gaube, Leiter des Giebichenstein-Gymnasiums Halle und Chef des Gymnasiallehrerverbands, teilt die Bedenken. Trotz Einbahn-Wegesystems begegneten sich Schüler in seiner Schule während der Pausen schon jetzt in engerem Abstand als 1,50 Meter. Gaube hat Maskenpflicht auf den Fluren angeordnet. „Dabei darf ich das juristisch eigentlich nicht“, sagt er. Es fehle eine klare Vorgabe des Dienstherrn zur Handhabung von Verstößen. Unabhängig davon würden Auflagen jenseits der Schultore oft erst recht nicht eingehalten. „Da sollte die Politik schon überlegen, welche Regeln noch richtig und sinnvoll sind.“

Tullner sagte: „Wir können nicht an den Hygieneregeln rütteln, diese sind von den Gesundheitsbehörden vorgegeben. Wir haben hierbei nicht freie Hand.“ Die Schulen organisierten den Schulbetrieb im Rahmen ihrer personellen und räumlichen Möglichkeiten zudem meist pragmatisch. Er stehe in engem Kontakt mit den Schulen, sagte Tullner. Erst vergangene Woche habe er in mehreren Konferenzen mit 70 Leitern telefoniert. Die Mail von Dietrich Lührs sei bei Anfrage der Volksstimme erst 48 Stunden alt gewesen, ergänzte das Bildungsministerium.

Nach Kritik des Städte- und Gemeindebunds dürfen Kindertagestätten in Sachsen-Anhalt ab sofort offenbar wieder größere Gruppen bilden.   Ein am Freitag unterzeichneter Erlass tritt heute in Kraft. Er liegt der Volksstimme vor. Darin heißt es: „Die Kinder sind in festen Gruppen zu betreuen.“ Dabei sei zu gewährleisten, dass stets dieselben Kinder von derselben Person und in feststehenden Räumen betreut werden. Die bislang geltende maximale Gruppengröße von zwölf wurde aus den Auflagen gestrichen.
Am 18. Mai will Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD) die neuen Vorgaben bei einer Pressekonferenz vorstellen. Nach den Pfingstferien sollen die Tagestätten – dazu gehören Krippen, Kindergärten und Horte –  zudem für alle Kinder unter Auflagen wieder öffnen. Das Kabinett muss dem noch zustimmen. Derzeit gilt wegen der Corona-Pandemie Notbetreuung, heißt: Nur Kinder von Eltern in Berufen mit Schlüsselfunktionen haben Anspruch auf eine Betreuung ihrer Kinder. Zu diesen Berufsgruppen zählen beispielsweise Ärzte, Pflegekräfte, Lehrer, Landwirte, Polizisten oder Verkäufer.

Der Städte- und Gemeindebund im Landkreis Stendal hatte bereits vergangene Woche auf eine rasche Rückkehr zum Normalbetrieb gedrängt und das mit Zahlen untermauert. Demnach waren Krippen und Kindergärten im Landkreis Stendal zuletzt trotz Notbetreuung bereits zu 50 Prozent wieder belegt. Landesweit wurde laut Sozialministerium vergangene Woche knapp ein Drittel (29,11 Prozent) der 151 000 Kinder mit einem Betreuungsvertrag wieder in Kitas und Horten betreut. Blickt man nur auf Krippen und Kindergärten war es nahezu jedes zweite Kind (46,2 Prozent). Die Kitas im Land hatten Mitte März wegen der Corona-Pandemie geschlossen. Der Kreis der Anspruchsberechtigten für eine Notbetreuung war seitdem schrittweise erweitert worden. Unter welchen Vorgaben der eingeschränkte Normalbetrieb nach Pfingsten starten soll, auch dazu will sich Grimm-Benne heute äußern. Diskutiert wurden zuletzt etwa Modelle, bei denen Kinder abwechselnd in die Kitas kommen.