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Prozess „Fall Lisa“ endet mit Bewährung

Angeblich von „Südländern“ entführt und vergewaltigt: Der Fall einer 13-jährigen Russlanddeutschen aus Berlin sorgte Anfang 2016 für Aufregung.

Von Anne Baum 20.06.2017, 23:01

Berlin (dpa) l Mit gesenktem Kopf und an der Hand seines Anwaltes bahnt sich der junge Mann den Weg in den Gerichtssaal. Das öffentliche Interesse ist groß, als im „Fall Lisa“ das letzte Kapitel geschrieben wird. Das russlanddeutsche Mädchen aus Berlin-Marzahn hatte als 13-Jährige eine Vergewaltigung durch „Südländer“ erfunden. Die Geschichte schlug international Wellen.

17 Monate später ist es am Dienstag ein 24-jähriger Bekannter des Mädchens, der im Amtsgericht Tiergarten einvernehmlichen Sex mit der 13-Jährigen gesteht. Er wird wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes und Herstellung von Kinderpornografie zu einem Jahr und neun Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Außerdem soll er als Auflage 3000 Euro zahlen.

Ein Prozess hinter verschlossenen Türen. Zum Schutz der Intimsphäre der heute 15-Jährigen schließt das Gericht die Öffentlichkeit noch vor Verlesung der Anklage aus. Die Schülerin ist Nebenklägerin, aber nicht persönlich im Saal. Schließlich kann sie aufatmen: Auf ihre Aussage als Zeugin wird verzichtet.

Das Mädchen, das später als Lisa bekannt wurde, war am 11. Januar 2016 auf dem Schulweg verschwunden. Mehr als 30 Stunden wurde die 13-Jährige vermisst. Als sie äußerlich unverletzt wieder auftauchte, schilderte sie ein ungeheuerliches Verbrechen: Drei ihr unbekannte „Südländer“ hätten sie im Auto verschleppt und in einer Wohnung vergewaltigt. Der Fall aber nimmt eine überraschende Wende. Lisa soll sich wegen Problemen in der Schule nicht nach Hause getraut haben.

Was als Ausrede dienen sollte, kursierte schnell in sozialen Medien. Das Gerücht erreichte die internationale Politik. Der russische Außenminister Sergej Lawrow schaltete sich ein und warf deutschen Behörden vor, den Fall zu vertuschen. Hunderte Russlanddeutsche demonstrierten in Berlin. Rechte Gruppierungen waren mit dabei und nutzten den Fall für Hetze gegen Flüchtlinge.

Der Angeklagte im weißen Hemd lächelt unsicher. Mit dem eigentlichen „Fall Lisa“ hat er nichts zu tun. Als Bekannter des Mädchens war der 24-jährige Lehrling im Zuge der intensiven Ermittlungen in den Fokus geraten. Mehrere Wochen vor dem Verschwinden der 13-Jährigen war es laut Anklage zu Sex in seiner Wohnung gekommen – vor laufender Handykamera. Weil das Mädchen jünger als 14 Jahre alt war, ist auch freiwilliger Sex strafbar.

Vor dem Gerichtssaal warten Journalisten, einige von russischen Medien. Nach etwa drei Stunden ist das gerichtliche Nachspiel im Zusammenhang mit dem Mädchen aus Marzahn beendet. Auch Staatsanwalt und Verteidiger hätten für den geständigen Angeklagten ohne Vorstrafen auf eine Bewährungsstrafe plädiert, so die Sprecherin.