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Handwerk Seltener zum Friseur: Branche blickt mit Sorge auf 2023

Hohe Ausgaben für Energie und Lebensmittel - für den angesagten Haarschnitt wird bald weniger Geld ausgegeben, sorgen sich viele Friseure. Noch aber läuft das Geschäft.

Von dpa Aktualisiert: 11.12.2022, 21:03
Ein Schild mit der Aufschrift „Friseur“ hängt über dem Eingang zu einem Friseursalon.
Ein Schild mit der Aufschrift „Friseur“ hängt über dem Eingang zu einem Friseursalon. Monika Skolimowska/dpa-Zentralbild/dpa/Symbolbild

Erfurt - Vor Weihnachten und Silvester haben viele Thüringer Friseure Hochkonjunktur und volle Terminbücher. Für die Zeit danach befürchteten die Handwerksbetriebe aber deutliche Umsatzeinbußen. „Wir haben Angst vor der Situation im Januar und Februar“, sagt die Friseurmeisterin Ilona Böttcher aus Meiningen. Bereits jetzt sei spürbar, dass bei vielen Kunden die Abstände zwischen den Friseurbesuchen länger würden. Manche seien während der Corona-Lockdowns dazu übergegangen, sich die Haare selbst zu schneiden oder zu färben und sparten sich bis heute die Dienste der Profis.

In vielen Friseursalons machten sich angesichts der finanziellen Belastungen, die nicht nur die Kunden durch die hohe Inflation haben, Zukunftssorgen breit, heißt es in der Branche. „Im kommenden halben Jahr wird es bei vielen Friseuren und Kosmetikern krachen“, befürchtet der Landesinnungsmeister der Friseure und Kosmetiker Thüringen/Sachsen-Anhalt, Sven Heubel. Besonders der Besuch bei Kosmetikern und in Nagelstudios sei ein Luxus, der bei Kunden erfahrungsgemäß zu den ersten Einsparmaßnahmen gehöre.

Die Betriebe gaben bei Befragungen an, dass sie angesichts der Kombination aus Inflation, steigenden Waren- und Energiepreisen, Mindestlohn und Indexmieten, die an die Teuerungsrate gekoppelt sind, vor einer sehr angespannten wirtschaftlichen Lage stünden. „Eigentlich hätten wir nach der Corona-Krise ein Jahr Normalbetrieb gebraucht, um uns wirtschaftlich zu stabilisieren“, sagt der Landesinnungsmeister.

Aktuell machten die Thüringer Friseure und Kosmetiker aber etwa ein Drittel weniger Umsatz als vor der Corona-Pandemie. Im Zuge der aktuellen Entwicklungen befürchtet der Landesinnungsmeister zudem einen deutlichen Anstieg der Schwarzarbeit. Er appellierte an Kunden und Friseure, auf derlei Angebote zu verzichten.

Ein wenig Hoffnung mache die Einführung der Energiepreisbremse im kommenden Jahr, so Heubel. Zusätzlich müsse es aber auch möglichst schnell Hilfs- und Förderprogramme der Regierung geben. „Am wichtigsten wäre für die Branche aber eine Umsatzsteuersenkung auf sieben Prozent wie in der Gastronomie.“

Doch auch innerhalb der Branche müsse es Änderungen geben. Ausnahmegenehmigungen für den Betrieb eines Friseursalons sollten künftig deutlich strenger gehandhabt werden. Aktuell genüge es, auf dem Papier einen Meister oder erfahrenen Friseur zu beschäftigen, um einen eigenen Salon zu eröffnen - das lade zu Missbrauch ein. Gerade bei den überall aufkeimenden „Barbershops“ sind Qualität und Fachwissen nach Einschätzung des Landesinnungsmeisters in der Regel nicht besonders hoch. „Wir brauchen qualifizierte Leute mit Abschlüssen, die den Kunden Qualität und mehr als nur drei Standard-Haarschnitte bieten“, sagt Friseurmeisterin Böttcher.

Besonders Männer wichen häufig auf die billigere Alternative aus, berichtet Anett Vollborth aus Nordhausen. Auf Herrenfrisuren spezialisierte Kollegen spürten diesen Trend verstärkt. Die allgemeinen Sorgen der Branche teilt die Friseurmeisterin mit sechs Angestellten und drei Lehrlingen indes nicht: „Bei uns sind die Lage und die Aussichten derzeit recht gut.“ Um den Herausforderungen zu begegnen, müssten ausgetretene Pfade verlassen werden.

Für ihre Ideen bei der Fachkräftegewinnung war die Nordhäuserin 2018 mit dem Zukunftspreis der Handwerkskammer Erfurt ausgezeichnet worden. Für viele Friseurbetriebe wird es immer schwerer, Nachwuchs zu gewinnen. Denn der Beruf, der lange als Traumberuf vieler junger Leute galt, wird immer seltener gewählt, geht aus Zahlen des Thüringer Handwerkstags hervor. Schlossen 2018 noch 153 junge Leute einen Ausbildungsvertrag als Friseur ab, waren es 2020 nur noch 93. Auf diesem niedrigen Niveau hat sich die Zahl der Friseur-Azubis in diesem Jar mit 94 stabilisiert, so eine Sprecherin.