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Kritik an Jammer-Neymar wächst Fairplay, nein Danke! Sittenverfall bei vielen WM-Stars

Provozieren, lamentieren, reklamieren - immer die gleichen Szenen bei der WM. Der Fairplay-Gedanke scheint bei der Endrunde in Russland auf der Strecke geblieben zu sein. Ob Spieler, Fans oder Experten - gutes Benehmen gibt es kaum mehr.

Von Stefan Tabeling, dpa 27.06.2018, 12:16
Sichtlich derangiert: Diego Maradona während des Spiels seiner Argentinier gegen Nigeria. Foto: Peter Kovalev/TASS
Sichtlich derangiert: Diego Maradona während des Spiels seiner Argentinier gegen Nigeria. Foto: Peter Kovalev/TASS TASS

Jekaterinburg (dpa) - Dass Diego Maradona nun wirklich nicht als Paradespiel für Anstand und gutes Benehmen taugt, bedarf wohl keiner Diskussion.

Dass die oftmals an Peinlichkeit kaum zu übertreffende Fußball-Ikone mit zwei ausgestreckten Mittelfingern den 2:1-Siegtreffer Argentiniens gegen Nigeria feiert, passt aber bei der Fußball-WM gut ins Bild. "Fairplay, nein danke!", heißt es in diesen Tagen nur allzu oft, je mehr sich die Situation in den Gruppen zuspitzt. Aber wenn es um Millionen und Milliarden, um teure Vereinswechsel oder lukrative Werbeverträge geht, zählen die netten Videos, in denen Cristiano Ronaldo und andere Superstars für Respekt werben, nicht mehr viel.

Sogar DFB-Mitarbeiter scheuen sich nach dem Last-Minute-Sieg nicht vor Provokationen gegen das nicht gerade als Fußball-Großmacht bekannte Schweden. Die Schweizer Stars mit Migrationshintergrund lassen den Kosovo-Konflikt wieder aufleben, was Serbiens Nationaltrainer Mladen Krstajic als Fall für das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag ansieht. Der Weltverband FIFA reagiert mit Geldstrafen, die auf das Fußball-Business umgerechnet wohl nur lächerliche Cent-Beträge sind.

Wenn am 15. Juli in Moskau der Showdown steigt, mag Neymar womöglich den WM-Pokal in die Höhe stemmen, den Fairplay-Preis wird er ganz sicher nicht erhalten. Seine Schwalben, seine ständige Diskussionen, seine Theatralik geht längst schon den eigenen Landsleuten daheim in Brasilien auf die Nerven.

Mitspieler Thiago Silva soll sogar Schimpftiraden vom Superstar abbekommen haben, weil er nach einer Behandlungspause für einen Spieler von Costa Rica den Ball zurück zum Gegner gespielt hatte, was im Fußball eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist. "Heute hat Neymar mich sehr traurig gemacht", wurde Silva in den Medien zitiert. "Alles hat eine Grenze", schrieb die Zeitung "Lance" mahnende Worte an Neymar.

Im Grenzbereich bewegt sich auch Spaniens Diego Costa. Warum er in England den Spitznamen "Biest" verpasst bekommen hat, weiß nun wohl auch der arme iranische Verteidiger Morteza Pouraliganji. Costa soll ihn und dessen Familie in bester Marco-Materazzi-Manier auf dem Platz unentwegt beleidigt haben. "Er hat alles und jeden beschimpft", wurde der 26-Jährige von Al-Sadd Doha zitiert. Gegen Portugal bekam Pouraliganji auch noch den harten Ellbogen von Cristiano Ronaldo zu spüren, was mit einer Gelben Karte für den Superstar aus Portugal milde abgehandelt wurde. Willkommen auf der großen Fußball-Bühne.

Dass inzwischen die Spieler bei jedem Einwurf, bei jedem Eckball den Ball für sich reklamieren, ist längst schon zur Unsitte im Fußball geworden. So auch bei der WM in Russland. Es wird ständig diskutiert, lamentiert und auf den Schiedsrichter eingeredet.

Schärfe bringen längst auch die Experten bei dieser WM rein. So lästerte ESPN-Mann Zlatan Ibrahimovic über seine schwedischen Kollegen, mit denen er vor zwei Jahren selbst noch gespielt hat. Mario Basler verglich bei der ARD-Talkshow "Hart aber fair" Mesut Özils Körpersprache mit der eines Froschs. Öffentliche Kritik, die Weltmeister Mats Hummels eindeutig zu weit geht.

Dass es auch anders geht, haben japanische und senegalesische Fans gezeigt, als sie nach dem Spiel ihren Müll wegräumten. Und Maradona? Der hat Nationaltrainer Jorge Sampaoli schon nach dem ersten Spiel nahegelegt, nicht nach Argentinien zurückzukehren. Noch Fragen?

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Nach den Tumulten beim deutschen WM-Vorrundenspiel gegen Schweden kommen DFB-Büroleiter Georg Behlau und Ulrich Voigt aus der Medienabteilung mit einer Geldstrafe davon. Die Disziplinarkommission des Fußball-Weltverbands verurteilte das Duo wegen "unsportlichen Verhaltens" zu jeweils 5000 Schweizer Franken (4340 Euro) und sprach Rügen aus.

Dabei habe das Gremium berücksichtigt, dass die Funktionäre wie auch der Deutsche Fußball-Bund sich bei den Schweden zeitnah entschuldigt hatten. Zudem hatte der DFB bereits angekündigt, dass Behlau und Voigt beim letzten Gruppenspiel gegen Südkorea in Kasan keine Funktionen im Stadion-Innenraum wahrnehmen werden.

Neymar liegt allerdings auch deshalb öfter am Boden als andere, weil er von seinen Gegenspielern besonders scharf attackiert wird. Foto: Andre Penner/AP
Neymar liegt allerdings auch deshalb öfter am Boden als andere, weil er von seinen Gegenspielern besonders scharf attackiert wird. Foto: Andre Penner/AP
AP
Neymar mag gar nicht hinsehen, während er auf die Auswertung des Videobeweises wartet. Foto: Federico Gambarini
Neymar mag gar nicht hinsehen, während er auf die Auswertung des Videobeweises wartet. Foto: Federico Gambarini
dpa
Was war denn mit dem schon wieder los? Diego Maradona tobt mit ausgestreckten Mittelfingern auf der Tribüne herum. Foto: Peter Kovalev/TASS
Was war denn mit dem schon wieder los? Diego Maradona tobt mit ausgestreckten Mittelfingern auf der Tribüne herum. Foto: Peter Kovalev/TASS
TASS
Versuchen kann man's ja immer wieder mal: Gonzalo Higuain, Nicolas Otamendi und Marcos Rojo aus Argentinien (v.l.) diskutieren mit Schiedsrichter Cüneyt Cakir. Foto:  Ricardo Mazalan/AP
Versuchen kann man's ja immer wieder mal: Gonzalo Higuain, Nicolas Otamendi und Marcos Rojo aus Argentinien (v.l.) diskutieren mit Schiedsrichter Cüneyt Cakir. Foto: Ricardo Mazalan/AP
AP
Gebracht hat es im Spiel gegen Mexiko nichts: Toni Kroos (l.) und Mesut Özil diskutieren mit Schiedsrichter Alireza Faghani. Foto: Ina Fassbender
Gebracht hat es im Spiel gegen Mexiko nichts: Toni Kroos (l.) und Mesut Özil diskutieren mit Schiedsrichter Alireza Faghani. Foto: Ina Fassbender
dpa
Schiedsrichter Felix Brych aus Deutschland diskutiert mit dem serbischen Spieler Aleksandar Mitrovic (vorn). Später verglich Serbiens Trainer Krstajic den Referee mit einem Kriegsverbrecher. Foto: Sergei Fadeichev/TASS
Schiedsrichter Felix Brych aus Deutschland diskutiert mit dem serbischen Spieler Aleksandar Mitrovic (vorn). Später verglich Serbiens Trainer Krstajic den Referee mit einem Kriegsverbrecher. Foto: Sergei Fadeichev/TASS
TASS
Auch sein Verhalten war grob unfair: DFB-Büroleiter Georg Behlau jubelt nach dem Sieg gegen Schweden am Spielfeldrand, anstatt den Gegnern die Hand zu schütteln. Foto: Ina Fassbender
Auch sein Verhalten war grob unfair: DFB-Büroleiter Georg Behlau jubelt nach dem Sieg gegen Schweden am Spielfeldrand, anstatt den Gegnern die Hand zu schütteln. Foto: Ina Fassbender
dpa
Hier ist es der Iraner Ehsan Hajsafi, der mit Schiedsrichter Andres Cunha dessen Entscheidung diskutieren will. Foto: Sergei Grits/AP
Hier ist es der Iraner Ehsan Hajsafi, der mit Schiedsrichter Andres Cunha dessen Entscheidung diskutieren will. Foto: Sergei Grits/AP
AP