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Vor der Haushaltsklausur der Bundesregierung Harter Sparkurs: Erhält jeder das Päckchen, das er tragen kann?

03.06.2010, 05:17

Von Gerald Semkat

Es muss gespart werden. Den Anfang hat Deutschlands jüngste Bundesministerin gemacht. Kristina Schröder (CDU) hat geradeheraus verkündet, das Elterngeld werden wir uns so, wie es bisher gezahlt wird, nicht mehr leisten können. Das Teilelterngeld für Teilzeitarbeiter wird es nicht geben und die Verlängerung der Vätermonate von zwei auf vier findet nicht statt. Kein Geld mehr für eine soziale Leistung, die darauf abzielte, die Geburtenrate etwa bei Akademikerinnen zu erhöhen, was übrigens nicht gelang.

Das ist er also, der erste amtlich bestätigte Streichposten. Richtig Konjunktur haben wird der Rotstift wird nach Lage der Dinge erst, wenn die Bundesregierung am Sonntag und am Montag in Meseberg ihren Prüfstand aufstellt, auf den alles kommt, bevor es Eingang in die Eckpunkte für den Haushalt 2011. Oder auch nicht.

Angesichts des riesigen Schuldenberges sowie der enormen Neuverschuldung des Bundes muss man nicht erst in eine Kristallkugel blicken, um zu sehen: Der Staat wird auf die Bremse bei den Ausgaben treten. Im Verteidigungshaushalt wie beim Sozialen. Bei den Gesundheitsausgaben wie bei der Subventionierung wirtschaftlicher Tätigkeit.

Oft wird in solcher Situation das Bild des Rasenmähers bemüht. Der mag ja ein passabler Apparat zur Pflege von Parks und Gärten sein. Wer ihn aber über das Feld des Bundeshaushalts kurven lässt, schneidet zwar gleichmäßig, aber nicht unbedingt klug. Nach dieser Methode würde nämlich weder gefragt, wie Steuergeld wirkungsvoller verwendet werden kann, noch würde auf die Zukunft (Stichwort: Bildung und Forschung) besondere Rücksicht genommen.

Insgesamt 524 Milliarden Euro haben alle öffentlichen Haushalte – also Kommunen, Länder und Bund – im vergangenen Jahr eingenommen. Und nicht wenige Steuerzahler fragen sich, ob all dieses Steuergeld tatsächlich so wirkungsvoll wie möglich und so sparsam wie nötig ausgegeben wird. Man muss genau hinsehen beim Geldausgeben.

Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) sprach sich kürzlich dafür aus, die Förderungen von Steinkohle nicht mehr länger zu subventionieren. Jährlich fließen für dieses Auslaufmodell 1,5 Milliarden Euro aus dem Etat des Bundeswirtschaftsministeriums.

Vorschläge, die Pendlerpauschale abzuschaffen oder die Zuschläge für Wochenend- und Nachtarbeit künftig zu versteuern, wies Müller dagegen als "nichts anderes als Steuererhöhungen" zurück. Auch angesichts der Tatsache, dass 41,6 Prozent der Einnahmen (2008) von Bund, Ländern und Kommunen Steuern sind, die Arbeitnehmer auf ihre Einkommen zahlen, forderte er "Belastungsgerechtigkeit".

Damit meint er: Wenn allen Bürgern Opfer abverlangt werden, dann müsse man bei denen beginnen, die sich das eher leisten können als andere.

Tatsächlich kann der Staat bei Strafe sozialer Unruhen nicht einzig an der Altenpflege, bei Gesundheitsleistungen und an den Familien sparen, Blindengelder kürzen, Bibliotheken schließen und Schwimmbäder dichtmachen, ohne nicht auch riskante Börsengeschäfte mit einer Steuer zu belegen. Eine Steuer auf Finanzgeschäfte würde zwölf Milliarden Euro in die Staatskasse spülen, rechnete DGB-Chef Michael Sommer jüngst vor.

Wer Belastungsgerechtigkeit verlangt, wird die Auseinandersetzung über Einsparungen mit einer Steuerdebatte verbinden müssen. Dabei wird gewiss auch darüber zu reden sein, warum ein edles Reitpferd mit sieben, Babywindeln aber mit 19 Prozent Mehrwertsteuer belegt werden.

Wenn auch bei der Mehrwertsteuer etliche Absurditäten zu beseitigen wären, eine generelle Erhöhung der Mehrwertsteuer kann nicht das Anliegen sein. Sie würde erstens Geringverdiener besonders treffen, zweitens den Massenkonsum abwürgen und drittens der Konjunktur schaden.

Wer also über Steuern spricht, wird sich fragen, warum es in diesem Land seit 13 Jahren keine Vermögenssteuer mehr gibt. Und er wird darüber nachdenken, dass vermögensbezogene Steuern wie Grund-, Vermögens-, Erbschafts- und Schenkungssteuern weniger als ein Prozent zum Bruttoinlandsprodukt beitragen, während es im EU-Durchschnitt 2,1 Prozent sind. Würde Deutschland diesen Durchschnitt erreichen, hätte der Fiskus jährlich 25 Milliarden Euro mehr, haben Experten ausgerechnet.

Auch wird in dieser Krisensituation allgemein kaum auf Verständnis stoßen, dass die Bundesregierung, die vom Bürger verlangen wird, den Gürtel enger zu schnallen, einer Gehaltserhöhung entgegensieht. Das Argument, dies sei seit acht Jahren die erste, zieht wenig bei abhängig Beschäftigten, die jahrelang Lohnzurückhaltung übten.

Spanische Staatsdiener dagegen hatten bei der Verkündung sozialer Grausamkeiten wenigstens den Bonus, dass sie sich davon nicht ausnehmen: Mit Beginn dieses Monats bekommen die Beamten dort durchschnittlich fünf Prozent weniger Gehalt. Minister und Bürgermeister bekommen bis zu 15 Prozent weniger Geld.

Fazit: Deutschland wird sparen müssen. Es wird hart werden. Die Last wird leichter zu ertragen sein, wenn jeder das Päckchen aufgeladen bekommt, das er auch tragen kann.