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Sponsoring und Parteienfinanzierung "Miete einen Politiker" oder: Die verkaufte Republik

02.03.2010, 05:26

Z: Magdeburg ZS: MD PZ: Magdeburg PZS: MD Prio: höchste Priorität IssueDate: 01.03.2010 23:00:00


Von Gerald Semkat

Ein Lehrsatz für erfolgreiches Verkaufen empfiehlt, das Besondere hervorzuheben. Marketingprofis sprechen von Alleinstellungsmerkmalen als Konkurrenzvorteil. Als solchen haben die CDU-Zentralen Sachsens und Nordrhein-Westfalens die von ihrer Partei gestellten Ministerpräsidenten, Stanislaw Tillich und Jürgen Rüttgers, erkannt.

Sie boten Sponsoren die Ministerpräsidenten zur Miete an. Nach dem Motto: Je mehr gezahlt wird desto mehr Regierungschef. Wer zahlt, erwartet etwas. Wer mehr zahlt, erwartet etwas mehr. Das könnte quasi reichen vom Schulterklopfen über das zu leihende offene Ohr bis zu den sprichwortlichen Händen, die einander waschen. Und wer nichts zahlt, hat nichts zu erwarten vom Regierungschef – auch nicht von dessen Partei?

Ein gemieteter Ministerpräsident wird nicht mehr als Chef der Exekutive eines ganzen Landes wahrgenommen. Er hat sich den Ruf als Klientel-Politiker in wahrsten Sinne des Wortes erkauft. Das kann ein sehr teures Geschäft werden. In Nordrhein-Westfalen können die Sponsoren-Euro Rüttgers bei der Landtagswahl am 9. Mai den Job kosten. Das wäre das Aus für Schwarz-Gelb in Düsseldorf, futsch wäre dann die Bundesratsmehrheit für die schwarz-gelbe Bundesregierung.

In dieser für sie gefährlichen Lage hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Sonntag in einem Fernsehinterview auf die Einhaltung klarer Grenzen gedrungen. "Ich darf (...) nicht das Amt des Ministerpräsidenten vermischen mit dem Sponsoring und den Eindruck erwecken, als würde mit diesem Amt geworben", sagte die CDU-Chefin.

Alljährlich bekommen die Parteien in Deutschland Hunderte Millionen Euro aus der Staatskasse – damit sie ihre Aufgaben in der Politik wahrnehmen und dabei weitgehend unabhängig bleiben können. Es ist auch üblich und geltendes Recht, dass Unternehmen Parteien durch Spenden unterstützen dürfen. Diese müssen bis zu einem Betrag von 10000 Euro in den Rechenschaftsberichten der Parteien nicht deklariert werden.

Verdeckte Parteispenden?

Wenn nun – wie gestern in Dresden bei der "Denkfabrik" der CDU – Sponsoren für einen Stand 8000 Euro zahlen, hat das zunächst nichts von einer Spende. Eine verdeckte Parteienfinanzierung könnte es auch nur dann sein, würde die Partei aus der Standmiete nach Abzug des Betrages, der dem Eigentümer des Veranstaltungsraumes zu zahlen ist, einen finanziellen Gewinn erzielen.

Außerdem wäre es schon möglich – ist aber nicht bewiesen – dass ein Unternehmen erst spendet und dann auch noch einen Stand sponsert, und beides getrennt behandelt, um die Gesamtsumme nicht als Spende ausweisen zu müssen. Womit auch der Spender im Hintergrund bliebe.

Parteien-Sponsoring ist nicht verboten. Aber sehr schnell ist man in einer Grauzone der Verbindlichkeiten und Abhängigkeiten. Politik-Marketing ist nicht Selbstzweck. Auch nicht eine bezahlte positive Erwähnung eines Unternehmens in einer Rede, wie es etwa in Sachsen angeboten worden ist.

Aber wenn Worte eines sächsischen CDU-Generalsekretärs zu kaufen sind, dann ist der in seiner Rede nicht mehr frei. Dann stirbt die Freiheit des Wortes, also eine wichtige Grundlage der Demokratie. Derart bezahltes Wort ist nicht wahrhaftig, es ist unglaubwürdig. Es ist nicht mehr wert als das Geld des Auftraggebers, denn es befriedigt nur dessen Interesse. Schon da beginnt Interessenpolitik.

Wie sie funktionieren kann, war kürzlich in der "Süddeutschen Zeitung" zu lesen. Das Blatt berichtete in seiner Internetausgabe vom 25. Februar über die rege Vortragstätigkeit des FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle. Der Hartz-IV-Kritiker habe, so die Zeitung, vom November 2005 bis Juni 2009 in 36 Reden "gegen Geld seine wertvollen Gedanken einem geneigten Publikum mitgeteilt". Pro Rede habe es mindestens ein Honorar von 7000 Euro gegeben.

Es entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie, dass Westerwelles Auftrag- und Gastgeber just auch eine Schweizer und eine Liechtensteiner Bank waren, die im Verdacht stehen, das Geld deutscher Steuerhinterzieher zu verwalten. Ein Schelm, der einen Zusammenhang sieht zum Desinteresse der FDP gegenüber Daten von Steuerflüchtlingen, die einigen Bundesländern zum Kauf angeboten wurden.

Aber zurück zu den gemieteten Regierungschefs. Wie frei und wie glaubwürdig sind sie denn noch, wenn solche Praktiken vermuten lassen, dass alles nur gekauft ist. Geld verlangt immer auch eine Gegenleistung. Oder glaubt tatsächlich jemand jenem Zeugen, der im Steuerhinterziehungs-Prozess gegen den Ex-Lobbyisten Karlheinz Schreiber aussagte? Schreiber, so der frühere Thyssen-Manager, habe ihm zwischen 1988 und 1993 rund zwei Millionen D-Mark (rund 1,02 Millionen Euro) geschenkt – "ohne Gegenleistung" trotz eines damals laufenden Leichtpanzer-Projekts zwischen Thyssen und Schreiber.

Lobbyisten am Drücker

Schreiber hatte es damals wahrscheinlich noch nicht so leicht wie Lobbyisten von heute. Vor fast zwei Jahren informierte der Bundesrechnungshof den Haushaltsausschuss des Bundestages darüber, dass zwischen 2004 und 2006 ingesamt 300 Lobbyisten in Ministerien des Bundes und in obersten Bundesbehörden beschäftigt waren. Die Fachleute seien zum Teil als Referatsleiter an der Erarbeitung von Gesetzen beteiligt gewesen und hätten auch Einfluss auf die Vergabe öffentlicher Mittel in Ausschreibungen gehabt. Da sie mehrheitlich weiterhin von Interessenverbänden und Unternehmen bezahlt worden waren, dürfte nicht schwer sein zu erkennen, wessen Interessen sie folgten.

So geht es zu in einer verkauften Republik. Und ihr Ausverkauf beginnt damit, dass Politikerreden gegen Gebühr feilgeboten und Auftritte mancher Partei- oder Regierungschefs an Messeständen und in Gesprächskreisen für Geld zu haben sind. Jedenfalls ist dieser Anschein der Käuflichkeit nicht von der Hand zu weisen.