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Hass und Hetze im Netz "Korrupt", "Nazi" und "Versager": So werden Politiker in Deutschland beleidigt

Laschet, Merkel und Co. - Politiker sind im Netz häufig Beschimpfungen und Hass ausgesetzt. Eine aktuelle Untersuchung von VICO Research & Consulting zeigt, wer von ihnen besonders hart von Cybermobbing betroffen ist.

Von Samantha Günther Aktualisiert: 15.06.2021, 12:05
Einige Politiker sind ganz besonders häufig von Beleidigungen im Netz betroffen, wie eine Analyse zeigt.
Einige Politiker sind ganz besonders häufig von Beleidigungen im Netz betroffen, wie eine Analyse zeigt. Foto:  Screenshot Auswertungsliste https://www.betrugstest.com/magazin/social-media-analyse-diese-politikerinnen-werden-im-netz-besonders-haeufig-beleidigt.html

Magdeburg - Beleidigungen, Morddrohungen und Diffamierungen: Politiker sind in sozialen Medien und per Mail häufig aggressiven und abwertenden Hassposts ausgesetzt. Der Fall des 2019 ermordeten CDU-Politikers Walter Lübcke hat gezeigt, wie lebensgefährlich die Verbreitung von Hasskommentaren für Menschen in der Politik sein kann.

Eine aktuelle Untersuchung von VICO Research & Consulting im Auftrag der Informationsplattform betrugstest.com zeigt, welche deutschen Politiker aktuell besonders hart von Cybermobbing betroffen sind. Für die Social-Media-Analyse wurden mehr als 1,4 Millionen Beiträge auf Twitter zu 91 Spitzenpolitikern auf Bundes- oder Landesebene berücksichtigt und von Ende März bis Ende April 2021 analysiert. 

Auffällig in der Analyse ist, dass besonders Politikern von FDP, Linke und Grünen deutlich seltener Hass im Netz entgegenschlägt. Mit Michael Kretschmer (CDU, Sachsen) und Volker Bouffier (CDU, Hessen) finden sich auch zwei Ministerpräsidenten unter den am meisten beleidigten deutschen Politikern.

Phillipp Amthor wird in jedem 3. Tweet beleidigt 

Ganz oben im Negativ-Ranking steht der CDU-Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor mit einer Beleidigungsquote von 34 Prozent - in jedem dritten Tweet wird der 28-Jährige zu seiner Person beleidigt. In 64 Prozent dieser Fälle wurde er als "korrupt" beschimpft. "Dumm", "käuflich" und "Idiot" - so gut wie alle Beleidigungen stehen im Zusammenhang mit der Korruptionsaffäre.

Der aus Ueckermünde stammende Amthor war wegen Lobbyarbeit für das New Yorker Start-up-Unternehmen "Augustus Intelligence" in die Kritik geraten und hatte in der Folge seine Kandidatur für den Landesvorsitz der CDU wieder zurückgezogen. Im März 2021 wurde Amthor auf Listenplatz eins der CDU Mecklenburg-Vorpommern für die Bundestagswahl 2021 gewählt. Sein erneuter Aufstieg stößt auf scharfe Kritik.

Spitzenpersonal der AfD als "Faschisten" beleidigt

Die Plätze zwei bis fünf nehmen ausnahmslos AfD-Politiker ein. So folgen im Negativ-Ranking nach Philipp Amthor das AfD-Quartett Björn Höcke, Alice Weidel, Jörg Meuthen und Alexander Gauland. Der Thüringer AfD-Landeschef Björn Höcke steht mit einer Beleidigungsquote von 29 Prozent auf Platz 2. 

In 56 Prozent dieser Fälle wurde der AfD-Politiker  als "Faschist" beschimpft. Bei der Vorsitzenden der Bundestagsfraktion, Weidel liest sich in 39 Prozent der Fälle das Wort "Rassistin".

Zuletzt nutzte Björn Höcke im Landtagswahlkampf in Sachsen-Anhalt einen Nazi-Spruch, wie der SPIEGEL am 11. Juni berichtete. Eine Rede in Merseburg beendete Höcke mit den Worten "Alles für Deutschland". Der grüne Landesvorsitzende von Sachsen-Anhalt, Sebastian Striegel, hat Strafanzeige gegen den Thüringer AfD-Landesvorsitzenden gestellt.

Höcke verwendete damit den ehemaligen Wahlspruch der Sturmabteilung (SA), die paramilitärische Kampforganisation der NSDAP während der Weimarer Republik. Laut eines Dokuments des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags ist das Verwenden der Sentenz "Alles für Deutschland" im Rahmen einer Rede auf einer Versammlung strafbar, da es sich hierbei um die Losung der SA handelte.

Armin Laschet konfrontiert mit "Van-Laack-Skandal"

Mit Blick auf die Kanzlerkandidatur 2021 ist es Armin Laschet mit einer Quote von sieben Prozent, der auf Twitter besonders oft beleidigt und als "korrupt" bezeichnet wird. Für den NRW-Ministerpräsidenten ist der eigene "Van-Laack-Skandal" noch lange nicht ausgestanden.

Konkret geht es um die Bestellung von 1,25 Millionen Masken bei der Mode-Firma van Laack für die Polizei. Den Kontakt zu der Textilfirma hatte Armin Laschets Sohn Johannes (Joe) Laschet hergestellt. Die Landesregierung bestreitet jeglichen Verdacht von Vetternwirtschaft und verweist darauf, dass vor allem im Frühjahr die Beschaffung von Schutzausrüstung schwierig gewesen sei.

Annalena Baerbock muss einstecken für CO2-Bepreisung

Neben Laschet kommt auch die Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock vom Bündnis 90/Die Grünen mit einer Beleidigungsquote von sechs Prozent nicht unbeschadet davon. Zuletzt musste die 40-Jährige massive Kritik einstecken bezüglich ihrer geforderten Benzinpreis-Erhöhung. 

Die Grünen wollen bei der CO2-Bepreisung etwas schneller vorgehen als die Regierung und bereits für das Jahr 2023 einen Preis von 60 Euro pro Tonne einführen. Nach den Grünen-Plänen würde sich der Preis für einen Liter Benzin bis zum Jahr 2023 um jene 16 Cent erhöhen. Die Forderung stößt auf scharfe Kritik, denn die Benzinpreise liegen schon jetzt auf den höchsten Stand seit zwei Jahren. 

Olaf Scholz und der Wirecard-Skandal

Auch SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz wird mit einer Beleidigungsquote von sechs Prozent konfrontiert. Während im Bezug auf Baerbock besonders häufig die Beleidigung als "dumme" Politikerin fällt, ist es bei Scholz der "Versager". Finanzskandale belasten den Bundesfinanzminister.

Bei der politischen Aufarbeitung des Wirecard-Skandals reißt die Kritik am Bundesfinanzministerium nicht ab. Auf 678 Seiten ziehen die Oppositionsparteien im Wirecard-Untersuchungsausschuss nach Monaten ein erstes Fazit. Den Aufsichtsbehörden und Finanzminister Olaf Scholz werfen sie Versagen vor. Der 63-Jährige habe nicht richtig hingesehen und auf frühzeitige Warnungen nicht reagiert.

Im Juni 2020 flog auf, dass beim deutschen Finanzdienstleister Wirecard Einnahmen über Jahre nur vorgetäuscht worden waren. In der Bilanz des seit 2018 im führenden Aktienindex DAX gelisteten Unternehmens fehlten 1,9 Milliarden Euro. Über Nacht lösten sich 20 Milliarden Euro Börsenwert in Luft auf. Der Wirecard-Skandal hat bei vielen Kleinanlegern für hohe Verluste gesorgt.