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Landtagswahlen CDU in Sachsen vorn, AfD legt massiv zu

Die CDU ist in Sachsen vorn, die SPD in Brandenburg - und dennoch jubelt bei den Landtagswahlen vor allem die AfD.

01.09.2019, 06:56

Potsdam/Dresden (dpa) l Die CDU ist bei der Landtagswahl in Sachsen trotz großer Verluste mit 33,1 Prozent stärkste Kraft geblieben. Nach Prognosen von ARD und ZDF landete die Partei von Ministerpräsident Michael Kretschmer am Sonntag klar vor der AfD, die ihr Ergebnis mit rund 27,1 Prozent mehr als verdoppelte. Die Linken erreichen 10,5, die Grünen 8,3 Prozent. Die SPD stürzt auf historisch schlechte 8 Prozent ab, die FDP scheint den Einzug in den Landtag mit 4,5 Prozent knapp zu verpassen.

Bei der Landtagswahl in Brandenburg ist die SPD nach Prognosen knapp stärkste Kraft geworden. Dahinter landete am Sonntag mit massiven Zugewinnen die AfD, wie erste Zahlen von ARD und ZDF zeigten. Dmenach erreicht die AfD in Brandenburg 24,5 Prozent. Brandenburgs Ministerpräsident und SPD-Spitzenkandidat Dietmar Woidke hat positiv auf die Wahlprognose reagiert. "Mir war es wichtig, dass Brandenburg in guten Händen bleibt", sagte Woidke in der ARD. "Ich bin erstmals froh, dass das Gesicht Brandenburgs auch in Zukunft ein freundliches bleiben wird." Woidke nannte es eine große Herausforderung, nun eine stabile Regierung zu bilden.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hat sich für ein sogenanntes Kenia-Bündnis aus CDU, SPD und Grüne in Sachsen ausgesprochen. "Es gibt eine staatspolitische Verantwortung, jetzt müssen die Parteien in der Mitte zusammenrücken", sagte er am Sonntag nach ersten Prognosen im ZDF. Er gehe davon aus, dass die drei Parteien nun schnell in Verhandlungen zur Regierungsbildung eintreten. Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer (CDU) habe den Auftrag zur Regierungsbildung. Die schwarz-rote Koalition in Berlin müsse jetzt liefern, fügte Haseloff hinzu. Er warnte die SPD davor, dieses Bündnis nun in Frage zu stellen.

 

Da Kretschmer eine Koalition mit AfD und Linken ausgeschlossen hatte, reicht es in Sachsen voraussichtlich nicht mehr für die bisherige Koalition. Rechnerisch möglich wäre auf jeden Fall ein Bündnis von CDU, SPD und Grünen, wegen der Parteifarben auch "Kenia"-Koalition genannt. Die Grünen würden so erstmals in Sachsen in Regierungsverantwortung kommen. In Sachsen-Anhalt regiert seit 2016 ein solches Bündnis aus CDU, SPD und Grünen.

Im Wahlkampf wurde vor allem über den Kohleausstieg und dessen Folgen gestritten, aber auch die Entwicklung des ländlichen Raumes, die Bildung, eine bessere Verkehrsinfrastruktur, mehr Polizei vor Ort und die Migration waren wichtige Themen.

Für die sächsische CDU, die seit 1990 stets stärkste Partei war und den Ministerpräsidenten stellte, ist es das mit Abstand schlechteste Ergebnis bei einer Landtagswahl. Bereits die 39,4 Prozent von 2014 bedeuteten einen Tiefstwert. Von 1990 bis 2004 konnte die CDU noch allein regieren, bis 2002 mit Ministerpräsident Kurt Biedenkopf und dann mit Georg Milbradt. Sachsen ist das einzige Bundesland, das seit der deutschen Wiedervereinigung durchgehend von der CDU geführt wurde. Kretschmer war erstmals Spitzenkandidat. Das Amt des Ministerpräsidenten hatte er 2017 von Stanislaw Tillich übernommen, der nach dem desaströsen Abschneiden der sächsischen CDU bei der Bundestagswahl seinen Rücktritt verkündet hatte.

Dennoch dürfte die CDU erleichtert sein, dass sie in Sachsen anders als bei der Europawahl 2019 und der Bundestagswahl 2017 die AfD wieder hinter sich lassen und ihre Stimmanteile gegenüber den vergangenen Abstimmungen verbessern konnte. Im Juni hatten CDU und AfD bei Umfragen noch gleichauf gelegen. Auch die Abgrenzung Kretschmers vom früheren Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen hat dem Ministerpräsidenten offenbar nicht geschadet. Für die CDU-Bundesvorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer dürfte das Wahlergebnis in Sachsen eine stabilisierende Wirkung haben.

Die AfD erzielte laut Prognosen ihr bestes Landtagswahlergebnis überhaupt. Die Grünen in Sachsen erzielen ihr bislang bestes Ergebnis bei einer Landtagswahl im Freistaat.

Die SPD hat sich bei der Landtagswahl in Brandenburg trotz deutlicher Verluste vor der AfD als Nummer eins behauptet – und sich ihre Macht gesichert. Die seit der Wiedervereinigung und zuletzt mit den Linken regierende Partei von Ministerpräsident Dietmar Woidke stürzt nach den Hochrechnungen vom Sonntagabend aber auf ihr schwächstes Ergebnis im Land und bräuchte in jedem Fall einen dritten Regierungspartner.

Großer Gewinner ist auch hier die AfD mit ihrem radikal rechten Spitzenkandidaten Andras Kalbitz, die aber trotz zweistelligen Zuwachses den angestrebten Triumph verfehlt, erstmals bei einer Landtagswahl stärkste Kraft zu werden. Als Partner der SPD infrage kommen die Grünen, die unter den Erwartungen bleiben, aber dennoch ihr bestes Ergebnis in Brandenburg und überhaupt in einem ostdeutschen Flächenland einfahren. Die in Brandenburg von je her schwächelnde CDU fällt auf ihr schlechtestes Landesergebnis und rangiert nun hinter der AfD auf Platz drei. Sie oder die geschwächten Linken könnten der dritte Partner sein.

Die Grünen profitieren weniger vom Thema Klimaschutz als erwartet, kommen aber trotzdem auf ihren Brandenburger Rekordwert von 10,0 bis 10,4 Prozent (6,2). Die bisher mitregierenden Linken büßen stark ein und rutschen mit 10,7 bis 10,8 Prozent (18,6) auf ihr historisches Landestief. Die FDP konnte am Sonntagabend mit 4,5 bis 4,8 Prozent (1,5) kaum noch auf die Rückkehr ins Parlament im wiederaufgebauten Potsdamer Stadtschloss hoffen. Die Freien Wähler kamen auf 5 Prozent und hatten damit bessere Chancen auf einen Einzug ins Parlament; sie ziehen aber auch dann entsprechend ihres Ergebnisses in den Landtag ein, wenn sie wie 2014 wieder ein Direktmandat errungen haben.

Nach beiden Hochrechnungen reicht es damit hauchdünn für einen Machterhalt von Woidkes SPD – entweder mit Linken und Grünen (45 bis 46 Sitze) oder mit CDU und Grünen (50 bis 51 Sitze). Die Sitzverteilung im Einzelnen: SPD 26, AfD 22 bis 23, CDU 15, Linke 10, Grüne 9 bis 10, Freie Wähler 5. Die Mehrheit liegt bei 45 Sitzen.

Ministerpräsident Woidke sieht sich nun vor schwierigen Koalitionsverhandlungen: "Das wird eine große Herausforderung", sagte er. AfD-Chef Jörg Meuthen befand: "Es ist ein Stück weit eine Zeitenwende." Landeschef Kalbitz sagte: "Die AfD ist gekommen, um zu bleiben." Und: "Jetzt geht es erst richtig los."

Der von vielen gefürchtete große Knall eines erstmaligen AfD-Wahlsiegs bleibt damit jedoch aus. Der im Bund kriselnden SPD würde ein Machterhalt im einzigen stets sozialdemokratisch regierten Flächenland Ostdeutschlands eine Atempause verschaffen. Das dürfte dann auch die wackelige große Koalition im Bund vorerst stabilisieren. Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) sieht sie gleichwohl weiter gefordert: "Wir müssen im Herbst jetzt liefern" und "das ein bisschen besser kommunizieren als in der Vergangenheit". Er nannte als Themen den Klimaschutz, die Wirtschaft, äußere und innere Sicherheit.

Der Wahlkampf stand ganz im Zeichen des Aufstiegs der AfD – obwohl klar war, dass sie mangels Partnern keine Regierungsoption haben würde. Angesichts einer verbreiteten Unzufriedenheit vieler Ostdeutscher und eines erwarteten weiteren AfD-Aufschwungs betonten die anderen Parteien den Charakter der Abstimmung als schwerwiegende Entscheidung über die Zukunft des Landes. Besonders die Vergangenheit des AfD-Spitzenkandidaten und Landeschefs Kalbitz in Neonazi-Kreisen stand im Fokus, zumal er mit Björn Höcke einer der Wortführer der AfD-Grupperierung "Der Flügel" ist, die der Verfassungsschutz als rechtsextremistischen Verdachtsfall einstuft.