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Putschversuch EU kritisiert Säuberungsaktionen

Wendet sich die Türkei von der Demokratie ab und führt die Todesstrafe ein? Noch sind die Folgen des Putschversusches nicht absehbar.

18.07.2016, 23:01

Istanbul/Berlin/Brüssel (dpa) l Die Forderung nach der Todesstrafe für türkische Putschisten ist in Berlin und bei der EU in Brüssel auf scharfe Ablehnung gestoßen. Bei einer Rückkehr zu der 2004 in der Türkei abgeschafften Todesstrafe sei für den EU-Beitrittskandidaten in der Europäischen Union kein Platz, machte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Montag in Berlin deutlich. „Wir lehnen die Todesstrafe kategorisch ab. Ein Land, das die Todesstrafe hat, kann nicht Mitglied der Europäischen Union sein“, erläuterte Regierungssprecher Steffen Seibert.

Beim EU-Außen- ministertreffen in Brüssel zeigten sich etliche Teilnehmer tief besorgt über die Entwicklungen in der Türkei. Die EU-Außenbe- auftragte Federica Mogherini stellte klar: „Kein Land kann Mitgliedstaat der EU werden, wenn es die Todesstrafe einführt.“ Der Putschversuch sei keine Entschuldigung, die es erlaube, Grundrechte und rechtsstaatliche Prinzipien zu missachten. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte am Sonntag angekündigt, mit der Opposition über eine Wiedereinführung der Todesstrafe beraten zu wollen.

Der Europarat machte klar, dass die Türkei aus der Organisation austreten müsse, falls die Türkei die Todesstrafe wieder einführt. Mit einer Mitgliedschaft in der für Menschenrechtsfragen zuständigen Staatenorganisation sei dies nicht zu vereinbaren, sagte ein Sprecher am Montag. Die Türkei gehört der Organisation seit 1950 an.

Die EU-Kommission warf der Staatsführung um Präsident Erdogan Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit vor. Hintergrund ist die massive „Säuberungsaktion“ in Militär, Polizei und Justiz, mit der die türkische Regierung auf den in der Nacht zum Sonnabend niedergeschlagenen Umsturzversuch von Teilen der türkischen Streitkräfte reagiert hat.

Der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim ruderte in der Debatte um die Todesstrafe etwas zurück. Er halte eine Wiedereinführung für möglich, warnte aber vor überhasteten Beschlüssen. „Es ist nicht richtig, in der Hitze und dem Eifer des Gefechts eine voreilige Entscheidung zu treffen“, sagte Yildirim. „Aber wir können diese Forderung unserer Bürger nicht ignorieren. Das wird unser Parlament umfangreich bedenken und besprechen.“ Vorher wolle seine Regierung diese Forderungen weder zurückweisen noch unterstützen.

Anführer der Putschisten soll nach Angaben aus Regierungskreisen der Ex-Luftwaffenchef Akin Öztürk gewesen sein. Neben Öztürk, der als „formaler Anführer der Junta“ bezeichnt wird, wurden nach Angaben von Anadolu mehr als 100 weitere Generäle aus den Streitkräften festgenommen. Als Hintermann sieht Erdogan den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen.

Infografik: Tradition der Putsche | Statista
Mehr Statistiken finden Sie bei Statista, Referenz