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Brexit Letzte Sitzungswoche für die Briten

Welche Änderungen bringt der Brexit für das EU-Parlament und die Abgeordneten?

14.01.2020, 23:01

London (dpa) l In der blassen Wintersonne glänzen die silberfarbenen Fahnenstangen vor dem Straßburger Europaparlament. An einem der Pfosten flattert der Unionjack, voraussichtlich zum letzten Mal in einer Sitzungswoche in der französischen Stadt. „Jetzt ist der Kampf verloren“, sagt der Labour-Abgeordnete Seb Dance der Deutschen Presse-Agentur. „Ein unglaubliches Gefühl der Traurigkeit“.

Dance hat gegen den Brexit gekämpft, vergeblich. Am 31. Januar soll der britische EU-Austritt nun tatsächlich über die Bühne gehen. Für Dance ist es das Ende seiner Karriere im Europaparlament – und das Ende eines historischen Kapitels. „Der Job ist ein Job, aber die Beziehung, die man zum eigenen Land hat, wird sich auf eine Weise ändern, die wirklich bestürzend ist“, sagt Dance. Was er seinen Kollegen im Parlament als Botschaft hinterlassen möchte? „Nehmt nichts als selbstverständlich. Vielleicht ist niemand anderes dumm genug, ein Rein-Raus-Referendum abzuhalten.“

Auch den Parlamentskollegen aus anderen EU-Ländern fällt der Abschied von den Briten nicht leicht. „Mit Ausnahme der Abgeordneten der Brexit Party waren die britischen Kolleginnen und Kollegen fraktionsübergreifend respektiert“, sagt der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament, David McAllister (CDU) – „We will miss them.“ (Auf Deutsch: „Wir werden sie vermissen.“) Ohne die Briten werde das Parlament nicht nur kleiner, sondern auch ärmer an politischer Kontroverse, an trockenem Humor und häufig guter Rhetorik, sagt auch der Linken-Brexit-Experte Martin Schirdewan.

Das britische Volk solle wissen, dass sie – trotz des Brexits, trotz allem, was in den vergangenen vier Jahren passiert sei – immer in der Europäischen Union willkommen sein werden, sagte der spanische Abgeordnete Esteban González Pons während der Debatte zum künftigen Verhältnis zwischen der EU und Großbritannien am Dienstag im Plenum. „Egal, was nach dem 31. Januar passiert, ihr werdet immer zu Europa gehören.“

„Warum hat (der britische Premier) Boris Johnson so eine große Mehrheit in der letzten Wahl gewonnen?“ fragte Ann Widdecombe von der Brexit-Partei aufgebracht in das Plenum. „Weil sein grundlegendes Versprechen war: „Den Brexit zu Ende bringen!““ Millionen von Menschen hätten dafür gestimmt, die EU zu verlassen, so Widdecombe.

Straßburg ist die vorletzte Etappe – zum allerletzten Mal werden die Briten Ende Januar in Brüssel an einer Sitzung des Europaparlaments teilnehmen und dann auch noch fast als letzte Amtshandlung über das Brexit-Abkommen abstimmen. Zwei Tage später, um Mitternacht, soll die Mitgliedschaft in der EU dann beendet sein. „Ich wünsche den Briten viel Erfolg und der EU, dass sie endlich aufwachen und von ihrem Irrweg abkehren möge“, gibt ihnen der AfD-Europaabgeordnete Jörg Meuthen mit auf den Weg.

Für die 73 Briten im Europaparlament heißt es zwar „Goodbye“ – doch für 27 Politiker aus 14 EU-Staaten startet mit dem Brexit die Amtszeit im Europaparlament. So war es in einer Parlamentsreform 2018 beschlossen worden, die jetzt erst wirksam wird, weil der britische EU-Austritt insgesamt drei Mal verschoben wurde.

Damals einigte man sich darauf, mit dem Abschied des großen Mitgliedsstaats auch das Europaparlament zu verkleinern von heute 751 auf 705 Abgeordnete. Die 46 Mandate werden in einer Reserve geparkt, bis der EU möglicherweise neue Mitgliedsstaaten beitreten. 27 Mandate sollen dagegen an jene Länder verteilt werden, die bisher im Europaparlament im Verhältnis zur Bevölkerung zu wenige Sitze haben.

Deutschland ist davon nicht betroffen, es behält wie bisher 96 Mandate. Frankreich und Spanien sollen nun indes jeweils fünf Sitze mehr bekommen, Italien und die Niederlande jeweils drei und Irland zwei. Mehrere weitere Staaten bekommen jeweils einen neuen Parlamentarier.

Welche neuen Abgeordneten kommen, ist dem EU-Parlament noch nicht in jedem Fall bekannt. „Wir warten noch auf die Meldung aus einigen Mitgliedsstaaten“, sagte ein Sprecher des Europaparlaments am Montag. Sollten die Namen nicht alle rechtzeitig genannt werden, bleiben die Mandate übergangsweise vakant.

Auch die Größe der Fraktionen im EU-Parlament werden sich nach dem Brexit ändern. Die größte und weiterhin stärkste Parteienfamilie, die bürgerliche EVP, wird dem Europaparlament zufolge voraussichtlich fünf neue Abgeordnete hinzu bekommen. Den höchsten Zulauf an Parlaments-Neuzugängen hat aber die liberale Renew-Gruppe – voraussichtlich sechs neue Abgeordnete schließen sich demnach der Fraktion an.