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Österreich Neuer Kanzler Kern gilt als ein Machertyp

Nach Rücktritt von Faymann ist der Sozialdemokrat neuer Regierungschef in der Alpenreprublik.

17.05.2016, 23:01

Wien (dpa) l Prägnant, präzise, professionell. Wer mit Christian Kern zu tun hat, denkt keinesfalls an österreichische Gemütlichkeit oder Schlendrian. „Das Schlimmste ist diese österreichische Haltung, mach ma ein bissel was“, sagt der 50 Jahre alte Manager. Er war allseits geachteter Chef der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) mit 40 000 Mitarbeitern. Jetzt regiert Kern ein 8,5-Millionen-Volk, das sich Entschlusskraft und Format wünscht.

Der wirtschaftliche Abstieg der Alpenrepublik in den fast acht Jahren der Regierung von Ex-Kanzler Werner Faymann (SPÖ) muss aus Sicht der Menschen endlich gebremst werden – eine Herkules-Aufgabe für den Pragmatiker und „Realo pur“ mit eisernen Nerven.

Kern ist Medienprofi und messerscharfer Rhetoriker. Der Vater von vier Kindern ist nach 20 Jahren in staatsnahen Betrieben bestens vernetzt, zugleich aber nicht im verfilzten Parteiapparat gefangen. Verbindlich im Ton soll er seinen Mitarbeitern gegenüber sehr fordernd sein, heißt es. Auf Kritik reagiere er schon mal dünnhäutig, lasse sich nach außen aber nichts anmerken.

Kern umgibt sich gerne mit langjährigen Weggefährten – und schätzt Kompetenz. Die in Österreich besonders mächtigen Gewerkschaften weiß er zu Beginn seiner Amtszeit hinter sich. Deren Gunst hat er sich als auch sozial kompetenter Manager erworben.

Die Karriere des aus einer einfachen Arbeiterfamilie stammenden Wieners ist steil: Nach einem Kommunikationswissenschaften- und Managementstudium startete der einstige Klassensprecher als Wirtschaftsjournalist. Rasch wechselte er als Assistent und später als Büroleiter und Pressesprecher in die SPÖ. 1997 ging Kern zu einem mehrheitlich staatlichen Stromkonzern. Seine bisher größte berufliche Herausforderung folgte im Juni 2010, als er zum obersten Eisenbahner Österreichs wurde.

Kern schlug sich als Chef gut, darin sind sich Kenner weitgehend einig. Er verlieh dem Staatsunternehmen wieder Glanz. Die maroden Finanzen der mit Steuergeld subventionierten ÖBB brachte er großteils in Ordnung. Dazu halbierte er auch die Zahl der Managerposten auf rund 600.

Als 2015 die Flüchtlinge zu Zehntausenden nach Österreich kamen, spielten die ÖBB eine wichtige Rolle bei der Versorgung und dem unbürokratischen Transport. Kern, auch bei dieser Gelegenheit im modischen Anzug und nicht in legerer Alltagskluft, machte sich am stark betroffenen Wiener Hauptbahnhof oft selbst ein Bild davon.

Manche SPÖ-Genossen meinen, das selbstbewusste Auftreten des passionierten Jägers wirke zu arrogant. Die geschliffene Rhetorik des Machertypen passe nicht zu einer Arbeiterpartei. Seine Vorliebe für teure Anzüge brachte ihm bei den ÖBB gar den Spitznamen „CK“ ein, in Anspielung auf das Modelabel Calvin Klein.

Kern versteht sich als einer der wenigen auf der Polit-Bildfläche im Umgang mit Social Media. Er stellt sich gern als lockeren Typ dar und postet schon mal Selfies vom Rockkonzert. Vor zwei Jahren ließ er sich bei der Ice Bucket Challenge von seiner Frau kaltes Wasser über den Kopf schütten. Er ist großer Fußball-Fan im Allgemeinen und Anhänger von Austria Wien im Besonderen.

Kern gilt als einziger Genosse, der sich mit der Hoffnung des Koalitionspartner ÖVP, Außenminister Sebastian Kurz (29), messen kann.