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Höhere Beiträge zur Absicherung von Geburtsschäden Versicherungen kommen Hebammen teuer zu stehen

28.07.2010, 04:18

Von Christine Cornelius

Hebamme Silke Eitel liebt ihren Beruf. Jedes Jahr ist sie etwa 40-mal dabei, wenn ein Neugeborenes das Licht der Welt erblickt. "Die Geburtshilfe ist ein wunderschönes Kernstück meines Berufs", sagt die 41-Jährige. Trotzdem überlegt sie, Frauen künftig nur noch vor und nach der Schwangerschaft zu begleiten.

Seit Juli müssen Beleghebammen – die zwar einen Vertrag mit einem Krankenhaus haben, aber selbständig sind – einen höheren Beitrag für die Berufshaftpflichtversicherung zahlen. Sie stieg von 2370 auf 3689 Euro. Betroffen sind auch freie Hebammen, die Hausgeburten begleiten.

Nach Angaben des Deutschen Hebammenverbandes bekommt eine Beleghebamme wie Eitel pro Geburt etwa 220 Euro, die sie direkt mit den Kassen abrechnet. Künftig sollen es acht Euro mehr sein. Das legte eine Schiedsstelle fest, in der Vertreter der gesetzlichen Krankenkassen und der Hebammenverbände zusammentrafen. Es sei eine "Zustimmung unterm Knebel" gewesen, die Zulage "ein Witz", sagt der Deutsche Hebammenverband.

Eitels Beruf wird für die Versicherer immer teurer. Wer durch einen Geburtsschaden behindert auf die Welt kommt, hat dank des medizinischen Fortschritts eine längere Lebenserwartung – und kann damit auch länger einen Anspruch auf entgangenen Verdienst geltend machen. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) stellte im Frühjahr eine Kostenexplosion bei "Personenschäden im Heilwesen" fest.

Die Kostenentwicklung sei "dramatisch": Habe ein schwerer Geburtsschaden zwischen 1995 und 1998 im Mittel noch mit 2,5 Millionen Euro zu Buche geschlagen, waren es laut GDV zwischen 2000 und 2003 durchschnittlich schon mehr als 4,1 Millionen Euro. Auch die Schmerzensgelder sind in die Höhe geschnellt und betragen inzwischen bis zu 500000 Euro.

Die 3689 Euro seien noch das beste Angebot der Versicherungen gewesen, sagt Bernd Hendges, Geschäftsführer des Münchner Versicherungsmaklers Securon, der für den Hebammenverband die Neuordnung des Rahmenvertrages zur Berufshaftpflicht aushandelte. Etwa 3000 freiberufliche Geburtshelferinnen seien über den Gruppenvertrag versichert.

Die Sprecherin des Deutschen Hebammenverbandes, Edith Wolber, sagt: "Um wirklich leben zu können, müsste eine Hebamme bezahlt werden wie ein Facharbeiter." Ihrer Ansicht nach wären 400 Euro pro Beleggeburt angemessen. Die freiberuflichen Hebammen begleiteten mehr als ein Viertel der Geburten in Deutschland. Ihr Nettostundenlohn liege bei nur 7,50 Euro. Wolber befürchtet, dass viele von ihnen wegen des erhöhten Haftpflichtbeitrages die Geburtshilfe aufgeben und in der Folge viele Abteilungen für Geburtshilfe in ländlichen Kliniken schließen müssen.

Die Krankenkassen sollten endlich sicherstellen, dass die Honorare der Geburtshelferinnen deren Existenz sicherten, sagt Wolber. Von der Politik fordert der Hebammen- verband einen steuerfinanzierten Fonds, der für die Berufshaftpflicht der Hebammen aufkommt. Außerdem sollte eine Haftungsobergrenze festgelegt werden und die Verjährungsfrist von 30 auf zehn Jahre verkürzt werden. Das Gesundheitsministerium verweist indes auf die Entscheidung der Schiedsstelle.(dpa)