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Arbeitsministerin will alle sechs Monate über Entwicklung des Arbeitsmarktes für Ältere berichten Viele Zahlen, bunte Tabellen: Von der Leyen wirbt mit "Fortschrittsreport" für Rente mit 67

22.02.2012, 04:27

Die Rente mit 67 zählt sicherlich zu den unpopulärsten Sozialreformen der vergangenen Jahre. In der EU war Deutschland Vorreiter, andere Staaten sollen jetzt folgen. Doch bis zu einer altersgerechten Arbeitswelt ist in der Bundesrepublik noch ein weiter Weg. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) will nun regelmäßig alle sechs Monate mit einem "Fortschrittsreport" über die Entwicklung des Arbeitsmarktes für Ältere berichten - und damit für mehr Akzeptanz der ungeliebten Rente mit 67 werben.

"Nur eine Zwischen-etappe auf dem Weg zur vollen Rente mit 67."

Ihr erster Report, den die Ministerin gestern zusammen mit DGB-Chef Michael Sommer und Handwerks-Präsident Otto Kentzler vorgestellt hatte, enthält auf gut 50 Seiten eine Menge Zahlen, viele bunte Tabellen, positive Beispiele über altersgerechte Gestaltung von Arbeitsabläufen und neue Ergebnisse aus der Arbeitsmarktforschung. So steigt nach einer Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) die Produktivität eines Unternehmens - je mehr ältere und berufserfahrene Mitarbeiter eingesetzt werden - möglichst auf altersgerecht gestalteten Arbeitsplätzen.

Unbestreitbar ist in den vergangenen Jahren auch die Zahl der Älteren gestiegen, die länger arbeiten - möglichst bis zum Erreichen des offiziellen Renteneintrittsalters. Die Zeiten von Vorruhestand und großzügigen Abfindungen beim vorzeitigen Ausscheiden Älterer aus dem Betrieb scheinen endgültig vorbei. Waren 2000 nur noch 19,9 Prozent der 60- bis 65-Jährigen erwerbstätig, so waren dies 2010 bereits 40,8 Prozent.

Im europäischen Vergleich liege Deutschland mittlerweile auf einem Spitzenplatz. Nur in Großbritannien und in Schweden ist diese Erwerbstätigenquote noch höher. Von der Leyen: "Das kann aber nur eine Zwischenetappe sein auf dem langen Weg zur vollen Rente mit 67."

Doch statistische Aussagen haben häufig mehrere Seiten. So verschweigt der Report, dass heute allein 860000 in der Altersgruppe der 55- bis 64-Jährigen lediglich Minijobs oder Ein-Euro-Jobs ausüben - bei den Älteren mit steigender Tendenz. Auch Selbstständige wie sogenannte Schein-Selbstständige werden in der Erwerbstätigenquote von 40,8 Prozent mitgezählt. Von der Leyen kündigte an, dass man hier in einem künftigen Bericht stärker differenzieren wolle.

"Die Zahlen liefern keinen Grund, die Rente mit 67 einzuführen."

Nur mühsam findet man in dem ersten "Fortschrittsreport" auch Angaben über die Zahl der älteren sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Nach Zahlen der Bundesagentur für Arbeit waren 2010 von den 60- bis 64-Jährigen nur noch 27,5 Prozent in Arbeit - während dies von den 15- bis 65-Jährigen insgesamt 52,1 Prozent waren.

Ohne deutlichere Steigerung dieser Erwerbsquote bleibt aus Sicht vieler Sozialexperten und der Gewerkschaften der Start in die stufenweise Einführung der Rente mit 67 lediglich ein Rentenkürzungsprogramm. DGB-Chef Sommer: "Die Beschäftigtenquoten von Älteren haben sich zwar leicht verbessert. Gleichwohl liefern die Zahlen keinen Grund, die Rente mit 67 einzuführen."

Das sehen von der Leyen und Kentzler natürlich völlig anders. Kentzler nahm in seiner Eigenschaft als Vize-Präsident der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände an der Präsentation teil. Doch trotz ihrer unterschiedlichen Positionen gelobten die Tarifpartner wie von der Leyen, gemeinsam an der Verbesserung der Arbeitssituation Älterer zu arbeiten. Denn offensichtlich ist auch: Es mangelt in vielen Unternehmen immer noch an Weiterbildung für Ältere, an Gesundheitsvorsorge und vor allem an Strategien, wie mit psychischen Erkrankungen infolge von Arbeitsüberlastung umzugehen ist.

Nach wie vor gilt: Je niedriger die Qualifikation eines Mitarbeiters ist, je höher die Arbeitsbelastung und je niedriger das Einkommen - umso geringer ist die Erwerbsbeteiligung - wie der jüngste Mikrozensus zeigt.

Besonders schwierig ist auch die Situation älterer Arbeitsloser - vor allem, wenn sie nur über einfache Qualifikationen verfügen und schon länger ohne Beschäftigung sind. 2011 ist die Altersarbeitslosigkeit von Älteren (55 bis 64 Jahre) gegenüber dem Vorjahr um 2 Prozent auf 543000 gestiegen - während die allgemeine Arbeitslosigkeit um 8,1 Prozent auf knapp 3 Millionen gesunken ist. (dpa)