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Bauverband Baubranche brummt in Sachsen-Anhalt

Der Bau-Verbandschef Robert Momberg im Interview über die Konjunktur, öffentlichen Investitionen, Baupreisen und die Zukunft der Branche.

Von Alois Kösters 09.06.2018, 01:01

Mit der Fusion der Bauindustrieverbände Sachsen/Sachsen-Anhalt und Berlin/Brandenburg entsteht 2018 der größte Verband im Osten. Hauptgeschäftsführer wird Robert Momberg, der seit Jahren Sachsen/Sachsen-Anhalt verantwortet. Im Interview mit Alois Kösters sieht er noch keine Kapazitätsgrenzen in der Baubranche.

Volksstimme: Unsere Lokalredaktionen berichten immer häufiger davon, dass sich Baumaßnahmen in Kommunen verzögern, weil keine oder überteuerte Angebote kommen. In Gardelegen ging kein Angebot für die Trockenlegung des Museums oder die Sanierung der Wächterstraße ein. Für Nebenanlagen der Geschwister-Scholl-Straße in Schönebeck kamen nur zu teure Angebote rein. Das ließe sich fortsetzen.
Robert Momberg: Im Januar und Februar haben wir 30 Prozent mehr Aufträge verzeichnet als im Vorjahreszeitraum. Im Moment brummt´s. In einigen Bereichen können Unternehmen manchmal auswählen, welchen Auftrag sie annehmen.

Ist die Bauwirtschaft an der Kapazitätsgrenze?
Nein, das Bauhauptgewerbe ist insgesamt zu 79 Prozent ausgelastet. Kapazitäten werden ja auch angepasst. Aber es gibt Unterschiede je nach Region und Baubereich. Im Bauhandwerk stößt der Privatkunde sicher schon häufiger auf Engpässe.

Warum sind Kommunen als Bauherr schwieriger?
Laut einer Umfrage unter unseren Mitgliedern hat jeder fünfte festgestellt, dass die Qualität von Ausschreibungsunterlagen schlechter wird. Die Auflagen für ein Angebot werden zunehmend komplizierter. Wir sind dafür, dass Baumaterial ohne Kinderarbeit und Ausbeutung erzeugt wird, aber wie soll ein Mittelständler in Sachsen-Anhalt das garantieren? Lang andauernde Planungen sind oft nicht mehr aktuell, weil Kostenkalkulationen nicht angepasst werden. Noch komplizierter wird es, wenn EU-Förderung ins Spiel kommt. Der Aufwand für ein Angebot ist hoch und das Risiko, nicht zum Zuge zu kommen, auch. Hinzu kommen Risiken wegen schlechter Zahlungsmoral und unkalkulierbarer Nachträge.

Gesetze und bürokratische Bestimmungen wird man nicht so schnell ändern können. Können die Kommunen trotzdem etwas verbessern?
Wir wünschten uns entscheidungsstarke Verantwortliche und gut ausgebildetes, ausreichendes Personal in den Bauverwaltungen. Das müsste eigentlich selbstverständlich sein. Woanders hat man ja auch kein Verständnis dafür, wenn öffentliche Aufgaben nicht ordentlich erledigt werden können. Es fehlen aber Bauingenieure und Planer in den Verwaltungen.

Manchmal habe ich den Eindruck, Baufirmen mit großen Rechtsabteilungen nutzen die Schwäche der Kommunen aus, um zusätzlichen Reibach zu machen. Magdeburg muss zusehen, wie der Tunnelbau am Bahnhof immer teurer wird.
Das ist ein allgemeines Problem. Es ist häufig so, dass Projekte solange sie in der politischen Diskussion stehen, nicht realistisch kalkuliert sind. Außerdem sorgt die Auflage der Kommunen, immer den günstigsten Anbieter zu nehmen, nicht immer für die günstigste Auftragsabwicklung. Kompetenz und Qualität müssten eine größere Rolle spielen.

Im Osten gibt es ab sofort über sechs Prozent mehr Lohn im Baugewerbe. Wird jetzt alles schlagartig noch teurer?
Wir hatten im vergangenen Jahr eine Baukostensteigerung von etwa fünf Prozent. Die Hälfte davon sind die Personalkosten. Material - Stahl und Kupfer etwa - ist ebenfalls teurer geworden. In normalen Jahren kalkulieren wir mit etwa zwei bis drei Prozent mehr Lohn. Für einige Unternehmen, die sich auf dieser Grundlage langfristig gebunden haben, ist der aktuelle Tarifabschluss schwierig.

Aber sorgt er nicht auch dafür, dass der Personalknappheit etwas entgegengesetzt wird? Der Bau gilt bei vielen nicht als attraktiv.
Ja, wir müssen an unserem Image arbeiten. Kaum einer scheint zu wissen, dass bei uns Auszubildende im dritten Lehrjahr über 1000 Euro bekommen. Wir versuchen aber auch auf die Unternehmen einzuwirken, sich neuen Erwartungen der Mitarbeiter zu stellen. Das Thema Work-Life-Balance oder Familienorganisation spielt eine immer größere Rolle für die Mitarbeiter. Wer da nicht umdenkt, wird ein Problem bekommen.

Blicken wir in die Zukunft der Bauwirtschaft. Brummt es weiter?
Zumindest nach den Zahlen müssten die Kommunen weiter viel mehr investieren. Gerade in Sachsen-Anhalt. Bis 2020 tut sich dort eine Bedarfslücke von 8,5 Milliarden Euro auf. Das gilt für den Bestandserhalt und die schon geplanten Maßnahmen. Andererseits werden wir nach Ende der EU-Förderperiode 2019 und mit dem Abbau des Solis mit weniger Mitteln aus Brüssel und Berlin rechnen müssen. Grundsätzlich wäre es dem Land und in den Kommunen zu raten, die konsumtiven Ausgaben zu senken und die Investitionstätigkeit zu steigern und zu verstetigen, um die Bedarfslücke nicht größer werden zu lassen. Das Land Sachsen steht da etwas besser da als Sachsen-Anhalt.

Wo sehen Sie die größte Herausforderung für Ihre Branche?
Wie in anderen Branchen auch, ist neben dem Arbeitskräftemangel die Digitalisierung ein großes Thema. Es ist, als wären wir im achten Monat schwanger, aber noch nicht auf die Geburt vorbereitet. Es geht dabei nicht um Datenverarbeitung im klassischen Sinne. Es geht um das Tablet auf der Baustelle, die Drohne, die Planungen umreißt. In China werden schon Häuser von 3-D-Druckern gefertigt. Der Bund plant zum Beispiel, künftig mit dem Building Information Modeling (BIM), eine 3-D-Planung, bei der auf der Grundlage von digitalen Modellen Änderungen schnell nachvollzogen werden können, als Bedingung bei der Auftragsvergabe festzuschreiben.