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Naher Osten Der „Arabische Frühling“ und die CIA

Am 14. Januar 2011 begann der "Arabische Frühling" mit Massenprotesten in Tunesien.

14.01.2021, 11:32

Bonn/Magdeburg (KNA/uk) Vor zehn Jahren – am 14. Januar 2011 – floh Tunesiens damaliger Langzeitherrscher Zine El Abidine Ben Ali nach Massenprotesten aus dem nordafrikanischen Land. Im Zuge der arabischen Aufstände, die die Region ergriffen, stürzten gleich mehrere autokratische Herrscher.

Die Bilanz der Aufstände fällt ernüchternd aus. Die Lebenssituation der einfachen Menschen hat sich vielfach noch verschlechtert. Umstritten sind bis heute die wirklichen Auslöser des „Arabischen Frühlings“. Hier stechen besonders Libyen und Syrien hervor, bei denen ein ausländische Mächte von Beginn an militärisch eingriffen.

Die Selbstverbrennung des Gemüsehändlers Mohammed Bouazizi entzündete die Aufstände. Massenproteste führten im Januar 2011 zum Sturz des Präsidenten Zine El Abidine Ben Ali. Als einzigem Staat der Region gelang der schrittweise Übergang zur Demokratie.

Tagelange Massenproteste auf dem Kairoer Tahrir-Platz brachten am 11. Februar 2011 Ägyptens Langzeitherrscher Husni Mubarak zu Fall. Etwas mehr als ein Jahr später gewann der Islamist Mohammed Mursi die erste freie Präsidentenwahl. Doch die Demokratie überlebte nicht lange. Nach Massendemonstrationen gegen Mursi stürzte das Militär im Sommer 2013 den Staatschef. Seitdem herrscht der frühere General Abdel Fattah al-Sisi.

Im März 2011 kam es auch in Syrien zu ersten Protesten gegen die Führung des Machthabers Baschar al-Assad. Der Präsident ließ seine Sicherheitskräfte mit Gewalt gegen die Demonstrationen vorgehen. Der Konflikt wurde zum Bürgerkrieg. Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) nutzte das Chaos für Eroberungszüge. Mit Hilfe Russlands und des Irans konnte die Regierung die größten Teile des Landes wieder unter Kontrolle bringen. Doch Syrien ist in mehrere Gebiete aufgeteilt, mit türkischen, iranischen, russischen und amerikanischen Soldaten im Land. Eine politische Lösung zeichnet sich nicht ab.

Nach einem Militäreinsatz der Nato wurde Libyens Herrscher Muammar al-Gaddafi am 20. Oktober 2011 nach seiner Festnahme getötet – mehr als 40 Jahre war er an der Macht. Aus dem Chaos in dem ölreichen Land entwickelte sich ein Bürgerkrieg. Bis heute kämpfen zahlreiche Gruppen und Milizen um die Macht, unterstützt von rivalisierenden ausländischen Mächten.

Nach Protesten und einem monatelangen Tauziehen trat im Frühjahr 2012 Jemens Langzeitherrscher Ali Abdullah Salih ab. Nachfolger wurde Abed Rabbo Mansur Hadi. Das völlig verarmte Land versank in einem Bürgerkriegchaos. 2014 überrannten die Huthi-Rebellen aus dem Norden, die vom Iran ausgerüstet werden, große Teile des Jemens und vertrieben die Regierung aus der Hauptstadt Sanaa.

Auch im kleinen Golfstaat Bahrain gingen die Menschen gegen die Regierung auf die Straße. Die Einwohner des Landes sind mehrheitlich Schiiten – doch regiert wird es von einem sunnitischen Königshaus. Unterstützt von saudischen Sicherheitskräften beendete das Militär die Proteste in der Hauptstadt Manama gewaltsam. Seitdem geht die Führung mit harter Hand gegen die schiitische Opposition vor.

Die Hintergründe für das zeitliche Zusammenfallen der Aufstände, Proteste und Herrscherstürze in zahlreichen Ländern in Nordafrika und im Nahen Osten sind bis heute undurchsichtig. Die Auswirkungen durch den eskalierten Syrien-Krieg reichen aber direkt bis nach Deutschland.

„Ohne die massive Einmischung von außen hätte dieser Krieg niemals die größte Fluchtbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg und der Teilung des indischen Subkontinents ausgelöst. Mindestens zehn Millionen Syrer sind auf der Flucht, rund eine Million haben in Europa Aufnahme gefunden, die meisten davon in Deutschland“, schrieb der Nahost-Experte Michael Lüders 2017 in seinem Buch „Die den Sturm ernten – Wie der Westen Syrien ins Chaos stürzte“. Das Buch wird inzwischen als Standardwerk zu Vorgeschichte und Hintergründen des Syrien-Krieges betrachtet.

"Die Frage nach der Legitimität eines von außen forcierten Regimewechsels stellt sich den erwähnten Meinungsführern offenbar gar nicht erst. Die sich daraus ergebenden Konsequenzen, nämlich Massenflucht, Vertreibung, hunderttausendfacher Tod und großflächige Zerstörung, haben in ihren Überlegungen keinen Platz oder werden ausschließlich der Brutalität des Assad-Regimes zuschrieben. Ihr grundlegender Irrtum liegt jedoch in der Annahme, islamistische Terrorgruppen ließen sich im Kampf gegen Assad dauerhaft als ,nützliche Idioten' instrumentalisieren. Das aber ist nicht der Fall, wie auch deren Anschläge in Frankreich, Belgien oder Deutschland unterstreichen", kommentiert Lüders in seinem Buch.

Offenkundige Fake News waren die Berichte aus der Anfangsphase des Syrien-Krieges, nach denen die Aufständischen immer wieder Waffendepots der syrischen Armee gekapert haben sollen. Damit sollte vermutlich die Tatsache kaschiert werden, dass die "Rebellen", die in ihrer Mehrheit eher sunnitische, islamistische Milizen waren, die aus Syrien einen Gottesstaat machen wollten, innerhalb kürzester Zeit mit Waffen und Munition ausgerüstet waren. „Waffenlieferungen in einem solchen Ausmaß hatten wir seit dem Ende des Vietnamkrieges nicht mehr“, sagte Michael T. Flynn, ehemaliger Chef des Geheimdienstes Defense Intelligence Agency (DIA), zum Waffenexport der USA an die syrischen „Rebellen“. US-Präsident Barack Obama feuerte den Beamten im Jahr 2014. Später wurde Flynn glühender Anhänger von Donald Trump und war zeitweise dessen Berater.

Im Januar 2018 legte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bei einer Pressekonferenz in Paris die Karten auf den Tisch, wie „Spiegel online“ seinerzeit berichtete. „Du stellst mir diese Frage, aber warum fragst du nicht die USA, die 4000 Lastwagen voller Waffen nach Syrien geschickt haben?“, antwortete Erdogan einem Journalisten, der ihn gefragt hatt, warum der türkische Geheimdienst Waffen an syrische Islamisten-Milizen geliefert habe.

Der walisische Porträtmaler Andrew Vicari, einer der intimsten westlichen Kenner arabischer Herrscher, äußerte schon im Mai 2011 im Interview der „Süddeutschen Zeitung“ eine schonungslose Sicht zu den arabischen Aufständen. Der Künstler, den die „New York Times“ im gleichen Jahr als „Rembrandt von Riad“ bezeichnet hatte, machte sich keine Illusionen: „Der libysche Krieg, der ganze ,Arabische Frühling‘, ist meiner Meinung nach von der CIA gesteuert.“