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Zukunfts-Rezept Kirchen-Mitgliedschaft "light" und digital?

Die evangelische Kirche in Deutschland sucht ein Zukunftsrezept: Müssen Gottesdienste kürzer werden? Braucht es eine Probe-Mitgliedschaft?

13.11.2017, 23:01

Bonn (dpa) l Die Zukunftsfrage der evangelischen Kirche schien während des Reformationsjubiläums fast vergessen. Schließlich drängten sich Tausende in Festgottesdiensten und Ausstellungen zum Thema 500 Jahre Reformation und Martin Luther. Nun aber hat die Kirche der graue Alltag wieder eingeholt – mit sinkenden Mitgliederzahlen, leeren Kirchen und einer Gesellschaft, der Glaube inzwischen oft herzlich egal ist. An einem Zukunftskonzept feilt die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) daher auf ihrer Jahrestagung in Bonn. Liegt das Heil in der digitalen Vermittlung des Glaubens oder muss man den Kirchenalltag mit Blick auf junge Leute komplett umkrempeln?

Es sind mehr Fragen als Antworten, die in den Beratungspapieren der 120 Kirchenparlamentarier aus ganz Deutschland stehen, die in Bonn am Montag – zum wiederholten Mal in den vergangenen Jahren – nach dem künftigen Platz der Kirche in einer zunehmend säkularen Gesellschaft suchten. Wie können wir nicht nur das Bürgertum, sondern Menschen aus allen Milieus erreichen? Können wir "andere" Gottesdienste gestalten? Denn gerade die ungewöhnlichen Formate – Gottesdienste außerhalb von Kirchen oder mit besonderen musikalischen Einlagen – lockten während des Jubiläums die Menschen. Und, so wird es formuliert: "Wie schaffen wir es, häufiger vom Sende-Modus zum Dialog überzugehen?" Von weniger kirchlichem Moralismus sprach der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm.

Erste Antworten geben externe Experten dem Kirchenparlament. Der Sonntagsgottesdienst müsse nicht nur einladender und professioneller, sondern vor allem auch kürzer werden, riet Religionssoziologe Detlef Pollack. Viele Menschen hätten am Sonntagvormittag schlichtweg anderes zu tun, was ihnen wichtiger sei. "Wir erleichtern es Menschen, am Gottesdienst teilzunehmen, wenn er kürzer ist." Kein Gottesdienst sollte länger als 50 oder 60 Minuten dauern, meinte Pollack. Auch riet er der Kirche, weniger als bisher auf ihr gutes Image bedacht zu sein: Dies schade der Unverwechselbarkeit der Kirche. "Müsste Kirche nicht manchmal mutiger sein und vom Mainstream des allgemeinen Gutmenschentums abweichen?"

Infografik: Die großen Kirchen verlieren Mitglieder | Statista Mehr Statistiken finden Sie bei Statista

Der Historiker Lucian Hölscher empfahl der Kirche, ihren Kampf gegen den Säkularismus aufzugeben, die Zahl expliziter Kirchenfeinde sei heute geringer als früher. Was der Kirche fehle, sei ein Konzept für den Dialog mit der säkularen Gesellschaft. "Die Kirchen sind weniger allein und gefährdet, als es die rückläufigen Mitgliedschafts- und Teilnahmezahlen suggerieren", meinte Hölscher. Denn viele säkulare Menschen und Institutionen unterstützten die Kirche, wenn es um gemeinsame Anliegen geht, und deren Anzahl sei groß. Auch könne die Gesellschaft von theologischen Reflexionen profitieren, wenn die Kirchen bereit seien, sich auf Debatten darüber einzulassen.

Aufhorchen lässt schließlich die Debatte zur Kirchenmitgliedschaft, die in Bonn ebenfalls angeschoben wurde. Es gehe darum zu prüfen, ob es künftig eine abgestufte Mitgliedschaft in der Kirche geben solle und wie es dann mit der Kirchensteuer weitergehe, sagte der Vizepräses der EKD-Synode, Klaus Eberl. Eine "Mitgliedschaft light" gewissermaßen entspreche dem Bedürfnis vieler Menschen, Kirche erst einmal von einer gewissen Distanz auszuprobieren. "Wir brauchen Antworten, weil viele Menschen in dieser Situation sind."