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Austritt Abrechnung mit Chefin Merkel

Die konservative Bundestagsabgeordnete Steinbach verlässt die CDU und kritisierte Parteichefin und Kanzlerin Merkel.

Von Thomas Maier 15.01.2017, 23:01

Berlin (dpa) l Fünf Seiten ist das Schreiben lang – fünf Seiten, die es in sich haben. Nach mehr als 40 Jahren Zugehörigkeit zur CDU begründet Erika Steinbach darin ihren Austritt aus der Partei. Es ist eine Generalabrechnung mit ihrer Chefin, Kanzlerin Angela Merkel. Die langjährige Frankfurter Bundestagsabgeordnete und ehemalige Präsidentin des Bundes der Vertriebenen setzt ihren Abgang öffentlichkeitswirksam in Szene. Auch ihren Austritt aus der Fraktion erklärt sie – wie wollte sie sich dort auch noch blicken lassen?

Der krawallige Abgang überrascht die Partei wohl nicht mehr so ganz, da sich Steinbach in der CDU mit ihren harschen Angriffen auf Merkel wegen deren Flüchtlingspolitik sowie anderen Entgleisungen ins Abseits manövriert hatte. Doch zu Beginn des Bundestagswahljahres kommt der Austritt mit Getöse für die Union allemal höchst ungelegen, da die rechtskonservative Politikerin mit ihrer Kritik für einen Teil der Partei steht, um den die AfD heftig buhlt.

Steinbach wirft Merkel beim Euro-Rettungspakt und vor allem in der Flüchtlingspolitik fortgesetzten Rechtsbruch vor, weil sie in einer „einsamen Kanzlerentscheidung“ im Herbst 2015 „eine Million Migranten ungesteuert und unüberprüft“ nach Deutschland habe einreisen lassen. Darunter seien auch Terroristen gewesen. Merkel habe damit Deutschland „massiv“ ökonomisch und kulturell geschadet.

Während führende AfD-Politiker angesichts solcher Worte am Wochenende frohlocken und die nun politisch Heimatlose umwerben, schweigen Bundes-CDU und Bundestagsfraktion. Die Hessen-CDU, der Heimatverband Steinbachs, spricht von „haltlosen und maßlosen“ Vorwürfen. Der Austritt sei jedoch „absehbar“ gewesen, sagt Generalsekretär Manfred Pentz und fordert Steinbach zugleich auf, ihr Mandat zurückzugeben.

Steinbach steht mit ihrer Kritik an der Flüchtlingspolitik in der konservativen Hessen-CDU nicht allein. An der Basis grummelte es im Flüchtlingsherbst 2015 vernehmlich. Doch Kritiker wurden von der Parteispitze unter Regierungschef Volker Bouffier, der in Wiesbaden mit den Grünen regiert, an die Kandare genommen. „Aus der CSU wäre Erika Steinbach nicht ausgetreten. Das ist sicher!“, so am Sonntag der CSU-Bundestagsabgeordnete Bernd Fabritius, seit 2014 Nachfolger Steinbachs im Präsidentenamt des Vertriebenverbandes.

In der Flüchtlingskrise kam offener Widerspruch in Hessen allein vom Berliner Kreis. Dieser aus Hessen agierenden erzkonservativen Gruppe, die seit Jahren bundesweit generell die Merkel-Politik kritisiert, gehört neben Steinbach auch der frühere CDU-Landtags-Fraktionschef Christean Wagner an. Er ist am Sonntag so ziemlich der Einzige, der Verständnis für Steinbachs Kritik äußert, wenn er auch den Parteiaustritt für falsch hält.

Ministerpräsident Bouffier hatte erst jüngst deutlich gemacht, dass die CDU um die Rückgewinnung der zur Alternative für Deutschland abgewanderten Wähler kämpfen wolle. Jede Form der Kooperation lehnt der CDU-Bundesvize aber strikt ab. Steinbach sieht dagegen die Rechtspopulisten als „Fleisch vom Fleische der CDU“, wie sie der „Welt am Sonntag“ sagte.

Ob die Partei auch die neue Alternative für sie selbst wird, lässt Steinbach am Sonntag offen. Sie will als fraktionslose Abgeordnete ihr Mandat bis zur Bundestagswahl behalten – und freut sich nach eigenen Worten darauf, wenn die AfD in den Bundestag einziehe, „damit es dort endlich wieder eine Opposition gibt“.