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GefängnisDeutscher zwei Jahre in Türkei inhaftiert

Der Deutsche Enver Altayli sitzt wegen Terrorvorwürfen in Einzelhaft in Ankara. Eine Anklageschrift gibt es auch nach zwei Jahren nicht.

17.08.2019, 23:01

Istanbul (dpa) l Ein 74 Jahre alter Deutscher sitzt auch nach zwei Jahren weiter in türkischer Untersuchungshaft. Am 20. August jährt sich der Tag, an dem Enver Altayli in Polizeigewahrsam genommen wurde, zum zweiten Mal. Altayli, der die deutsche und türkische Staatsbürgerschaft hat, sitzt wegen Terrorvorwürfen im Hochsicherheitsgefängnis Sincan in Ankara ein – „immer noch ohne Anklageschrift, also immer noch ohne Hoffnung auf einen Prozess“, sagt seine Tochter Zeynep Potente. Er sei weiter in Einzelhaft.

Altayli war 2017 in Antalya festgenommen worden, wo die Familie eine Ferienanlage betreibt. Die Akte gegen ihn wird geheimgehalten – was ihm im Detail vorgeworfen wird, ist also bis heute unklar. Dem Protokoll der Gerichtsverhandlung zur U-Haft zufolge wird er verdächtigt, für die Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen Straftaten begangen zu haben. Die Türkei macht Gülen für den Putschversuch von 2016 verantwortlich. Altayli, der vor Jahrzehnten auch für den türkischen Geheimdienst MIT gearbeitet hat, weist die Vorwürfe zurück. Seine Familie sagt, er sei im Gefängnis, weil er sehr regierungskritisch sei und sich unter anderem als Autor auch öffentlich mit Kritik zu Wort gemeldet habe.

„Die Einzelhaft zehrt sehr an ihm“, sagt die Tochter. „Er hat Probleme mit dem Blutdruck und der Schilddrüse. Mittlerweile ist die Isolation so belastend, dass er seit ein paar Monaten vom Gefängnispsychologen betreut wird.“ Einmal in der Woche dürfe er Familienbesuch haben – einmal im Monat ohne Trennscheibe dazwischen. „Dann können wir ihn auch mal umarmen.“

Die Tochter fordert, dass die Haftbedingungen des Vaters gelockert werden. Sie kritisiert auch, dass bei den Anhörungen zur Haft die Aussagen ihres Vaters nie protokolliert worden seien. Die Anhörungen seien bisher außerdem immer so überraschend angesetzt worden, dass der Anwalt ihres Vaters nicht dabei sein konnte.

Dem türkischen Anti-Terror-Gesetz zufolge können Verdächtige bis zu sieben Jahre festgehalten werden; im Rahmen einer Reform wird diskutiert, diese Zeitspanne deutlich herunterzusetzen. Die Familie hofft nun auf eine Art Zwischenbeurteilung, die nach zwei Jahren, also bald, in Anwesenheit des Staatsanwalts anstehen müsste.

„Die ganze Situation macht uns so fertig“, sagt Zeynep Potente. Sie und ihre beiden Schwestern setzen sich aktiv für den Vater ein. Mit einer Onlinepetition für seine Freilassung bei Change.Org haben sie mittlerweile mehr als 110.000 Unterschriften gesammelt. Sie halten auch den Kontakt mit dem Auswärtigen Amt. Dort heißt es, der Fall werde weiter „auf politischer Ebene gegenüber der Türkei angesprochen“. Der deutsche Botschafter besucht Altayli regelmäßig.

Seit dem gescheiterten Putschversuch vor drei Jahren sind immer wieder auch Deutsche in türkischen Gefängnissen gelandet. Eine ganze Serie von Festnahmen wegen „politischer Gründe“ hatte 2017 zu einer schweren Krise zwischen Berlin und Ankara geführt. Viele Betroffene durften inzwischen ausreisen, ihre Prozesse gehen in Abwesenheit weiter. Altayli ist einer von drei der älteren bekannten Fälle, bei denen die Betroffenen noch in der Türkei sind. Die beiden anderen – eine Sängerin aus Köln und ein Mann aus Gießen – wurden im Herbst 2018 zu mehr als sechs Jahren Haft verurteilt.

Deutsche und türkische Politiker sagen, die angespannten Beziehungen sollen „normalisiert“ werden. Es werden aber immer wieder Deutsche bei der Einreise abgewiesen, verhört, festgenommen oder im Land festgehalten. In der Urlaubszeit schienen es zuletzt wieder mehr zu werden. Beim Auswärtigen Amt weiß man derzeit von 38 Deutschen, die einer Ausreisesperre unterliegen. Der Türkei geht es in der Regel um angebliche Beziehungen zur verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK oder der Gülen-Bewegung. Dabei reichen oft kritische Einträge in sozialen Medien, um Menschen in die Nähe von Terroristen zu rücken.

In der vergangenen Woche wurde erneut gleich eine ganze Serie von Fällen bekannt, in denen Deutsche aus ähnlichen Gründen mit der türkischen Justiz in Konflikt geraten waren. Die meisten wollten Urlaub machen. Ein 36 Jahre alter Mann aus Hessen mit türkischen Wurzeln musste beispielsweise Ende Juli im Badeort Antalya zunächst in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft macht ihm Medienberichten zufolge wegen Facebook-Einträgen Terrorvorwürfe. Aus dem Auswärtigen Amt heißt es, das Konsulat sei mit dem Anwalt des Mannes in Kontakt. Ein Bremer, der vier Wochen lang ebenfalls wegen Facebook-Posts in der Türkei festgehalten worden war, ist seit vergangenen Dienstag wieder daheim.