1. Startseite
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Politik
  6. >
  7. Schmidt nach Alleingang unter Beschuss

Glyphosat-Votum Schmidt nach Alleingang unter Beschuss

Die Kanzlerin distanziert sich vom Agrarminister und sendet ein deutliches Signal an die SPD. Der CSU-Mann bleibt aber im Amt.

28.11.2017, 23:01

Berlin (dpa) l Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat Landwirtschaftsminister Christian Schmidt für seinen Alleingang bei der Zustimmung zum Unkrautvernichter Glyphosat in der EU gerügt. Der CSU-Politiker kann offensichtlich im Amt bleiben. Merkel sagte am Dienstag in Berlin: „Das entsprach nicht der Weisungslage, die von der Bundesregierung ausgearbeitet war.“ Union und SPD hätten eine andere Geschäftsordnung verabredet. Diese gelte auch für die geschäftsführende Bundesregierung.

Die Kanzlerin, die mit Schmidt selbst gesprochen hatte, rügte das Verhalten Schmidts ausdrücklich: „Das ist etwas, was sich nicht wiederholen darf“, sagte sie.

Bei der Abstimmung auf EU-Ebene hatte der deutsche Vertreter auf Geheiß Schmidts am Montag für die weitere Verwendung von Glyphosat gestimmt. Glyphosat ist ein weitverbreitetes Unkraut- vernichtungsmittel. Es ist hoch umstritten und steht im Verdacht, Krebs auszulösen. Umweltschützer fürchten auch negative Folgen für Tier- und Pflanzenwelt. Bislang hatte sich Deutschland der Stimme enthalten, weil Umweltministerin Hendricks gegen das Unkrautgift war, Schmidt jedoch dafür. Schmidts Verhalten löste heftige Empörung beim möglichen Koalitionspartner SPD aus.

Hendricks sieht den Konflikt mit der Union nach der Rüge von Kanzlerin Merkel nicht ausgeräumt. „Ich bin weiterhin der Auffassung, dass wir eine vertrauensbildende Maßnahme brauchen“, sagte die SPD-Politikerin am Dienstag in Berlin. Ob sie damit einen Rückzug Schmidts meint, ließ sie offen.

Hendricks sagte, der Agrarminister habe den Versuch unternommen, sich bei ihr zu entschuldigen. „Ich will auch nicht auf Dauer eine Entschuldigung zurückweisen. Aber ich hab ihm gesagt, dass man so blöd eigentlich nicht sein könnte.“

Schmidts Verhalten hatte bei der SPD große Empörung ausgelöst. Von einem groben Foulspiel vor dem Treffen der drei Parteichefs Martin Schulz (SPD), Horst Seehofer (CSU) und Merkel CDU) am kommenden Donnerstag bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier war die Rede. Bei der Unterredung sollen Wege aus der Regierungsbildungskrise nach dem Scheitern der Jamaika-Verhandlungen von Union, FDP und Grünen gesucht werden.

SPD-Fraktionsmanager Carsten Schneider attackierte Merkel. „Der Autoritätsverlust der Bundeskanzlerin ist greifbar geworden und beschädigt die vertrauensvolle und reibungslose Zusammenarbeit in der Bundesregierung.“ Solche chaotischen Abläufe wie bei Glyphosat seien für das größte Land in der EU völlig inakzeptabel.

Die Kanzlerin versuchte ansatzweise, Brücken zur SPD zu bauen, indem sie etwa an Manuela Schwesig erinnerte, die in ihrer Zeit als SPD-Bundesfamilienministerin auf EU-Ebene sich bei der von ihr geforderten Frauenquote aus Koalitionsräson stets enthalten habe. „Wir haben in der Bundesregierung in den letzten vier Jahren schmerzlichste Prozesse gehabt, wo Enthaltungen notwendig waren, obwohl das den Ministern persönlich sehr, sehr weh getan hat“, sagte Merkel.

Deutschland enthalte sich in etwa einem Viertel bis einem Drittel der Abstimmungen in Brüssel, weil es keine Einigkeit zwischen den von den Regierungsparteien CDU, CSU und SPD geführten Ministerien gegeben habe.