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Patreilegende Grünen-Dino Ströbele wird 80

Vor 17 Jahren machte ein sensationeller Wahlsieg Hans-Christian Ströbele zur lebenden Parteilegende.

06.06.2019, 23:01

Kaum jemand kennt die Grünen so gut wie Hans-Christian Ströbele, der am Freitag (6. Juni) 80 wird. Er hat die Partei vor fast 40 Jahren mitbegründet, saß 21 Jahre für sie im Bundestag und war kurze Zeit sogar Parteichef. Als am Abend der Europawahl der grüne Balken schon in den ersten Prognosen die 20-Prozent-Marke durchbrach, hätte es ihn trotzdem fast umgehauen. „Dass es so weit nach oben geht, habe ich nicht vermutet“, sagt Ströbele. Den jüngsten Umfragen zufolge könnten die Grünen bei der nächsten Bundestagswahl sogar Union und SPD hinter sich lassen – und damit etwas erreichen, was Ströbele vor 17 Jahren vorgemacht hat.

Als erster Grüner wurde er damals in seinem Berliner Wahlkreis direkt in den Bundestag gewählt. Dasselbe Kunststück wiederholte er bei den drei folgenden Wahlen. Damit schaffte er etwas, das bis heute keinem anderen Kandidaten der Grünen gelungen ist. Seit seinem spektakulären Sieg ist Ströbele eine lebende Parteilegende. Erst 2017 stieg er im Alter von 78 Jahren aus der Politik aus. Wegen einer Nervenkrankheit machen die Beine nicht mehr so richtig mit, Ströbele geht am Stock. Sein Fahrrad, mit dem er 19 Jahre zum Bundestag gefahren ist, steht unbenutzt herum.

Im Ruhestand ist Ströbele aber trotzdem noch nicht. In einem Altbau direkt an der Spree in Berlin-Moabit betreibt er bis heute eine Anwaltskanzlei und bekommt immer wieder Aufträge als Rechtsberater. Meistens seien es aussichtslose Fälle, scherzt Ströbele. Auf seinem Schreibtisch steht ein großer Globus. Die Wand daneben ist mit Aktenordnern zugestellt. An dem Regal hängt ein altes Türschild mit der Aufschrift „Sozialistisches Anwaltkollektiv“, daneben sind Zeitungsartikel mit Schlagzeilen wie „Wütende Angriffe auf missliebige Anwälte“ angebracht.

Es sind Erinnerungen an Ströbeles Zeit vor den Grünen, als er zusammen mit dem späteren Bundesinnenminister Otto Schily und dem späteren Rechtsextremisten Horst Mahler zuerst Aktivisten der Studentenbewegung und dann auch Terroristen der RAF verteidigte. „Natürlich habe ich meine Auffassung in einer ganzen Reihe von Punkten verändert.

Aber im Grunde bin ich den politischen grundsätzlichen Veränderungsüberlegungen treu geblieben, die wir 1967, 68, 69, 70 hier in Berlin entwickelt haben“, sagt Ströbele heute über seine Zeit in der damaligen Außerparlamentarischen Opposition (APO). „Wir hatten in der APO die Grundregel, alle Autoritäten in Frage zu stellen. Das muss sein. Der Meinung bin ich heute noch.“

Das ist auch der Grund, warum sich Ströbele heute für die Klimaschutz-Schülerbewegung Fridays for Future begeistern kann. Zwei Mal war er schon bei Demonstrationen, sieht gewisse Parallelen zur APO-Zeit. Wie damals sei das „eine umwälzende, revolutionäre Bewegung“. Autoritäten hat Ströbele auch in seiner eigenen Partei immer in Frage gestellt, allen voran Joschka Fischer, der in der rot-grünen Regierung zwischen 1998 und 2005 Vizekanzler und Außenminister war. In seinem Bundestagsbüro hing früher ein Plakat „Ströbele wählen heißt Fischer quälen“.

Er war gegen die deutsche Beteiligung am Kosovo-Krieg, gegen den Afghanistan-Einsatz, gegen Hartz IV. Wenn man ihn heute fragt, was die Grünen aus der damaligen Zeit für künftige Regierungsbeteiligungen lernen könnten, sagt er nur: „Vieles, was man nicht machen sollte.“

Mit der derzeitigen Parteiführung um Annalena Baer-bock und Robert Habeck hat Ströbele bisher keine Probleme. Er glaubt auch daran, dass die Grünen stärkste Partei werden können. Er ist dafür, dass seine Partei bei der nächsten Wahl einen Kanzlerkandidaten aufstellt. Wenn die Grünen weiter im Aufwind sind, „wäre es fahrlässig, das nicht zu tun“. Politisch aktiv ist er heute vor allem über Twitter, wo ihm mehr als 280 000 Menschen folgen. Auch seinen 80. Geburtstag feiert Ströbele nicht ganz unpolitisch.

Mit Freunden und Verwandten will er mit einem Solarboot über die Spree fahren. Damit wolle er auch ein Zeichen setzen gegen die Spree-Dampfer, „die hier die Luft verpesten“, sagt er. Ganz nach dem Motto: Einmal Aktivist, immer Aktivist.