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Politikrimi Entführung im Krankenwagen gen Osten

Der vietnamesische Geheimdienst hat in Berlin einen einstigen KP-Funktionär gekidnappt und nach Hanoi gebracht. Dort sitzt er in Haft.

Von Christop Sator und Anne-Beatrice Clasmann 03.08.2017, 23:01

Berlin l Auf dem Foto, das man nun von ihm kennt, sitzt Trinh Xuan Thanh ziemlich entspannt auf einer Berliner Parkbank. Heute, so viel weiß man, geht es dem 51-jährigen Geschäftsmann aus Vietnam sehr viel schlechter. Wie am Donnerstag verlautete, ist er nach seiner mutmaßlichen Verschleppung aus Berlin in einem Lager in Hanoi inhaftiert, der Hauptstadt seiner alten Heimat. Der Fall Trinh Xuan Thanh (kurz: TXT) belastet die Beziehungen zwischen Deutschland und Vietnam inzwischen erheblich.

Nach der harschen Reaktion der Bundesregierung auf die Verschleppung des ehemaligen Parteifunktionärs bemüht sich die Regierung in Hanoi um Schadensbegrenzung. Die Sprecherin des Außenministeriums, Le Thi Thu Hang, sagte: „Vietnam legt immer großen Wert auf die strategische Partnerschaft mit Deutschland.“ Zugleich äußerte sie ihr „Bedauern“ über die deutsche Entscheidung, den obersten Statthalter des vietnamesischen Geheimdienstes in Berlin auszuweisen. Die Bundesregierung hatte den Diplomaten als Konsequenz aus der Entführung zur unerwünschten Person erklärt und ihn aufgefordert, Deutschland innerhalb von 48 Stunden zu verlassen.

Trinh Xuan Thanh war nach Informationen der Bundesregierung am 23. Juli gewaltsam von Agenten am helllichten Tag in ein Auto gezerrt und verschleppt worden. Nach Angaben seiner Anwälte wurde auch eine Vietnamesin, die ihn begleitete, gekidnappt. Die Frau sei zwei Tage später mit einer Armverletzung in ein Krankenhaus in Hanoi gebracht worden, sagte die Berliner Anwältin Petra Isabel Schlagenhauf. Ihr Mandant sei wohl etwas später nach Vietnam transportiert worden. Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln. Nach Angaben der Anwältin gibt es einen Hinweis, dass ihr Mandant mit einem „Krankentransport“ in ein osteuropäisches Land verfrachtet und von dort mit einer vietnamesischen Maschine ausgeflogen sein könnte.

Aus Sicht der Bundesregierung gibt es „keine vernünftigen Zweifel“, dass Botschaft und Geheimdienst des kommunistischen Einparteienstaates an der Entführung beteiligt waren. Das Auswärtige Amt erklärte, es sei inakzeptabel, dass ausländische Staaten „hier das deutsche Recht mit Füßen treten“. Die Bundesregierung bestellte am Dienstag Botschafter Doan Xuan Hung ein, drohte mit „massiven negativen“ Folgen und verlangte, Thanh zurückreisen zu lassen. Am Donnerstag hieß es aus dem Auswärtigen Amt nur: „Wir haben die Aussagen der vietnamesischen Regierung während der Pressekonferenz in Vietnam zur Kenntnis genommen.“

Der 51-Jährige befindet sich mittlerweile in Hanoi in Haft. Ihm wird zur Last gelegt, als Chef einer Tochterfirma des staatlichen Öl- und Gaskonzerns PetroVietnam für Verluste von umgerechnet etwa 125 Millionen Euro verantwortlich zu sein. Er hatte sich 2016 nach Deutschland abgesetzt. Die Sprecherin des vietnamesischen Außenministeriums, Le Thi Thu Hang, verwies auf eine Erklärung, wonach sich Thanh selbst gestellt habe.

Dessen deutsche Anwälte bestreiten dies entschieden. Sie sehen ihren Mandanten als Opfer politischer Verfolgung. Schlagenhauf sagte der „Süddeutschen Zeitung“, Thanh sei bewusst gewesen, dass er in seiner Heimat „aus politischen Gründen keinerlei rechtsstaatliches Verfahren zu erwarten hatte“. Der Asylbewerber hatte sich ihren Angaben zufolge zwar auch in Deutschland latent bedroht gefühlt. Mit einer Entführung nach Vietnam habe aber „ernsthaft niemand gerechnet“, sagte sie der dpa.

Gestern dann das: Im Staatsfernsehen wurde „TXT“ gezeigt, wie er in die Kameras behauptete, dass er sich selbst gestellt habe. „Ich bin zurück, um der Wahrheit ins Auge zu sehen. Und ich will hohe Führer treffen, um mich zu entschuldigen. Meine Familie hat mich ermutigt, zurückzukommen und mich zu stellen.“ Angesichts der Tatsache, dass ihm in Vietnam nun die Todesstrafe droht, wäre das überraschend.