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Sondierungsgespräche Jamaika-Koalition nicht um jeden Preis

Die FDP will die Jamaika-Koalition. Aber nicht um jeden Preis, betont Mitverhandler Frank Sitta im Interview mit der Volksstimme.

Von Steffen Honig 09.11.2017, 00:01

Die Grünen haben als erste Positionen bei Kohle und Verbrennungsmotor den Sondierungen geräumt, die FDP hat mit dem möglichen Verzicht auf die große Steuerreform nachgezogen. Ist das der Durchbruch für Jamaika?
Frank Sitta:
Ob das schon der Durchbruch gewesen ist, wird man dann später wissen. Es ist jetzt wichtig, dass wir bei den Themen, die wir nun wochenlang gesammelt haben, jetzt auch zu Kompromissen kommen. Das sind erste Schritte, die wir wohlwollend aufnehmen. Wir müssen allerdings bald konkreter werden. Deshalb steht unser Vorschlag, bei der Steuerentlastung der Mitte der Gesellschaft zu beginnen und dann stufenweise vorzugehen.

Ist die Abschaffung des Solis die rote Linie der FDP bei den Verhandlungen?
Ja, das ist ein Ziel, mit dem wir für diese Legislaturperiode angetreten sind: Die Beendigung des Soli ist eine rote Linie. Der Staat ist es der Bevölkerung schuldig, eine Sondersteuer, die irgendwann mal eingeführt wurde, nach über einem Vierteljahrhundert auch auslaufen zu lassen. Das ist ein notwendiges Signal der Entlastung an die gesellschaftliche Mitte.

Der Solipakt läuft Ende 2019 ohnehin aus. Eine günstige Gelegenheit, den Solidarbeitrag gleich mit zu streichen?
Das sind zwei verschiedene Dinge, die oft vermischt werden. Der Solidarpakt läuft aus, der Solidaritätszuschlag sollte hingegen noch weiter laufen. Es ist eine Frage der Fairness, diese Sondersteuer wieder abzuschaffen, so wie es den Bürgern bei der Einführung auch versprochen wurde. Wir sind bereit, bei Steuerentlastungen stufenweise vorzugehen – etwa bei Familien zu beginnen.

Teile der Industrie dringen auf einen raschen Kohleverzicht, Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Haseloff beharrt hingegen auf der Kohle für geraume Zeit. Was sagen Sie?
Es gibt zwei Aspekte, warum wir keinen Ausstiegstermin wollen. Zum einen ist die Kohle natürlich für die Wirtschaft Sachsen-Anhalts, woher ich auch komme, ein wichtiger Faktor – beim Abbau und den angegliederten Industrien. Wir sind keine Kohle-Fans, aber wir erkennen – neben ökologischen Aspekten – sehr wohl an, dass zum anderen, eine sichere und bezahlbare Stromversorgung für die Bevölkerung und die Unternehmen zur Verfügung stehen muss. Außerdem darf es nicht dazu kommen, dass wir nach dem Ausstieg Kohlestrom aus Polen importieren.

Auf der Agenda der Jamaika-Gespräche spielen soziale Themen wie Mindestlohn und Rente offenbar keine große Rolle. Was sagt die FDP dazu?
Beim Mindestlohn sind wir weiterhin der Meinung, dass dies ein falscher Eingriff in die Tarifautonomie ist. Gleichwohl akzeptieren wir, dass er gesellschaftlich gewünscht ist. Wir wünschen uns, dass die umfangreichen Dokumentationspflichten abgesenkt werden – also weniger Bürokratie. Dagegen wollen die Grünen eher noch mehr Kontrolle. Da müssen wir sehen, wie wir zu einem Ergebnis kommen. Es ist also durchaus ein Thema.

Und die Rente?
Die CDU vertritt ihre Weiter-so-Position. Wir wünschen uns ein flexibles Modell, bei dem auch private Vorsorge eine Rolle spielt. Ich halte wenig von reinen Ost-Themen. Aber hier meine ich persönlich, dass wir eine besondere Situation haben. Die Erwerbsbiografien unterscheiden sich hierzulande doch häufig noch sehr von denen in den alten Ländern. Die Generation meiner Eltern, die in der Hauptschaffensphase ihres Lebens durch die Wende keine Möglichkeit hatte, sich Eigentum aufzubauen, sollte unter der deutschen Teilung nicht auch noch im Alter besonders leiden.

Es wird kolportiert, dass Frau Merkel eine enge Verbindung zu den Grünen hält. Schadet das der FDP?
Das will ich nicht bewerten. Wir waren in den vergangenen vier Jahren nicht im Parlament, bei anderen ist die Vertrauensbildung in dieser Zeit weiter fortgeschritten. Die hatten vielleicht zusammen andere Pläne für diese Legislaturperiode. Wir nehmen das zur Kenntnis. Es gibt ja auch nicht nur die Grünen, die CSU und uns, sondern als größte Kraft die CDU. Die muss endlich erklären, wie sie sich die Dinge vorstellt – beispielsweise bei Klima, Energie und Rente.

Die FDP hat beim Scheitern der Gespräche Neuwahlen ins Gespräch gebracht. Nur eine Drohung?
Wir haben nur ehrlich gesagt, dass diese Möglichkeit nicht auszuschließen ist und dass wir zumindest keine Angst vor Neuwahlen haben. Allerdings werden wir mit dem Wahlausgang vom 24. September in jedem Fall verantwortlich umgehen, es geht natürlich nicht, das Volk so lange wählen zu lassen, bis einem das Ergebnis passt. Wir versuchen nur, den Eindruck zu vermeiden, als wäre Jamaika eine Unausweichlichkeit, in die wir uns einfach einzufügen haben. Die FDP will eine Trendwende in der Politik erreichen und keine Verlängerung der Großen Koalition nur mit anderen Partnern.