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Terrorismus „Amerikanischer Taliban“ wieder frei

Als „amerikanischer Taliban“ wurde John Walker Lindh nach seiner Festnahme 2001 berühmt - nun ist er nach 17-jähriger Haft auf freiem Fuß.

24.05.2019, 23:01

Terre Haute (dpa/AFP) l Der 38-Jährige verließ ein Hochsicherheitsgefängnis in Terre Haute im US-Bundesstaat Indiana, wie die Verwaltung der US-Bundeshaftanstalten mitteilte. In den nächsten drei Jahren unterliegt Lindh strikten Bewährungsauflagen.

Seine vorzeitige Freilassung wegen guter Führung ist in den USA heftig umstritten – viele Kritiker der Maßnahme sehen Lindh weiterhin als Gefahr. Zu ihnen zählt Außenminister Mike Pompeo. Er nannte die Haftentlassung „unerklärlich und unzumutbar“. Lindh bedrohe weiterhin die USA und sei nach wie vor dem Dschihad verpflichtet, sagte der Minister dem Sender Fox News. US-Präsident Donald Trump sagte zu Lindhs Entlassung: „Mir gefällt das gar nicht.“ Er habe nach rechtlichen Möglichkeiten suchen lassen, um dessen Freilassung zu verhindern. Doch es habe keine rechtliche Handhabe gegeben. Lindh sei ein Mann, der dem Terror nicht abgeschworen habe, beklagte Trump. „Und trotzdem mussten wir ihn freilassen.“ Kurz vor der Freilassung hatte der Fernsehsender KNBC aus Los Angeles berichtet, Lindh habe in Briefen aus dem Gefängnis die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) gepriesen und sich selbst als politischen Gefangenen bezeichnet. Die Briefe stammen dem Sender zufolge aus den Jahren 2014 und 2015.

Der Sender NBC Los Angeles berichtete, Lindh habe sich in handgeschriebenen Briefen aus dem Gefängnis an einen Mitarbeiter des Senders unter anderem lobend über die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) geäußert. So habe er im Februar 2015 geschrieben, der IS mache „eine eindrucksvolle Arbeit“. Laut einem internen Bericht der US-Behörde für Anti-Terror-Maßnahmen von 2017, der von der Website „Foreign Policy“ veröffentlicht wurde, soll Lindh auch als Häftling noch den Dschihad propagiert und Texte extremistischen Inhalts verfasst und übersetzt haben.

Anhänger und Unterstützer Lindhs führen hingegen ins Feld, dass dieser nie die Waffen gegen sein Heimatland erhoben habe. Lindh hatte vor seiner einstigen Verurteilung gesagt, er habe mit den Taliban gegen die afghanische Nordallianz, nicht aber gegen die USA kämpfen wollen.

Lindh hatte sich vor Gericht „von jeder Art von Terrorismus“ distanziert und sich des Sprengstoffbesitzes und der Unterstützung des Taliban-Regimes schuldig bekannt. Im Gegenzug hatte die Bundesanwaltschaft einen schwerer wiegenden dritten Anklagepunkt – Verschwörung zur Ermordung von Amerikanern – fallengelassen.

In der Wahrnehmung der US-Öffentlichkeit wird Lindh aber häufig mit dem Tod eines US-Geheimdienstmitarbeiters in Verbindung gebracht – eine Verbindung, die nun auch Pompeo herstellte. Lindh habe sich an einem Dschihad beteiligt, der einen „großartigen Amerikaner getötet“ habe, sagte der Außenminister in einem Fernseh-Interview. Lindh war an der Tötung des CIA-Agenten Johnny Micheal Spann allerdings nicht beteiligt. Spann hatte Lindh nach dessen Festnahme verhört. Wenige Stunden danach wurde Spann dann bei einer Häftlingsrevolte nahe Masar-i-Scharif getötet.

Lindh wurde damals wochenlang auf einem US-Kriegsschiff festgehalten, bevor er in die USA überstellt wurde. 2002 wurde er dann wegen Unterstützung der Taliban und illegalen Waffenbesitzes zu 20 Jahren Haft verurteilt.

Die „Washington Post“ berichtete, bis zum Ablauf der 20-jährigen Strafe müsse Lindh sich an strenge Auflagen halten. Unter anderem dürfe er keinen Reisepass besitzen, das Internet nicht ohne Aufsicht benutzen und online nicht ohne vorherige Zustimmung mit anderen Personen auf einer anderen Sprache als Englisch kommunizieren. Er müsse sich außerdem einer psychologischen Behandlung unterziehen.

Der heute 38-Jährige wuchs in einem gutbürgerlichen Vorort von San Francisco auf. Seine Eltern, die zur Flower-Power-Generation der späten 60er Jahre gehörten, benannten ihn nach dem Beatles-Sänger John Lennon. Als Schüler konvertierte Lindh dann zum Islam.

1998 reiste er im Alter von 17 Jahren in den Jemen, um Arabisch zu lernen. Später studierte er an einer Schule für Islam-Studien in Pakistan. Wenige Monate vor den Anschlägen des 11. September 2001 reiste Lindh dann nach Afghanistan weiter und schloss sich den Taliban an.

Er war dann einer von Hunderten von Taliban-Kämpfern, die wenige Wochen nach der US-Invasion in Afghanistan am 25. November 2001 von der Nordallianz festgenommen wurden. Die Bilder nach seiner Festnahme, die ihn bärtig, verdreckt und ausgezehrt zeigten, gingen damals um die Welt.