1. Startseite
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Politik
  6. >
  7. Der frankophile Finanzwart

Wahlkampf Der frankophile Finanzwart

Der Dinosaurier der deutschen Politik, Wolfgang Schäuble, hat Magdeburg besucht - mit der Lösung für den Strukturwandel im Gepäck.

Von Steffen Honig 08.09.2017, 01:01

Magdeburg l Neulich habe er einen Griechen getroffen, erzählt Wolfgang Schäuble, der habe ihm gesagt: „Sie haben in Wahrheit mit am meisten für Griechenland getan.“ Balsam für die Seele des Finanzministers, der in Griechenland als Euro-Zuchtmeister verrufen, ja verhasst ist. Die Krisenbewältigung in Hellas war in den vergangenen Jahren für den CDU-Politiker Mission und Trauma zu gleich.

Mit Frankreich ist es da anders. Schon weil der Wahlkreis des Schwaben direkt an das westliche Nachbarland grenzt, ist allem Französischen zugetan. Als er am Dienstagabend in Magdeburg vor mehr als 150 Gästen über die deutsche und insbesondere die christdemokratische Politik räsoniert, kommt kein fremdes Land so häufig vor wie Frankreich.

Das ausnehmend Lob für die unter Kanzlerin Angela Merkel stets steigenden Forschungsausgaben, die inzwischen drei Prozent der deutschen Haushaltausgaben ausmachen, verbindet er mit dem Hinweis, das sowohl die USA als auch Frankreich längst nicht soweit seien. Wobei Schäuble sich das von den Nachbarn herzlich gern wünschte: „Ein starkes Frankreich ist gut für Europa, ein starkes Europa ist gut für Deutschland.“

Dies gehört zu den ununmstößlichen Glaubenssätze des Politikers, der in wenigen Tagen 75 Jahre alt wird und noch einmal für den Bundestag kandidiert. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der nächste Bundesfinanzminister wieder Wolfgang Schäuble heißt. Er genießt sie schon, die gewisse Ehrfurcht, wenn CDU-Bundestagskandidat Tino Sorge, der Schäuble eingeladen hat, sagt: „Als Sie 1972 in den Bundestag eingezogen sind, war ich noch nicht einmal geboren.“ Da lächelt Schäuble fein.

Die Heimat des Langzeit-Ministers, der anstelle von Horst Köhler 2004 fast einmal Bundespräsident geworden war, ist Baden-Württemberg. Das Land ist eine der bedeutendsten Autoschmieden Deutschlands.

Mithin hat der Schwabe gesteigertes Interesse daran, dass die Hersteller aus dem Dieselskandal herauskommen – mit zukunftsfähigen Produkten. „Es ist ärgerlich, dass in der Automobilindustrie beschissen worden ist“, erklärt er volksnah. Forschung und Entwicklung seien der Schlüssel, um den Strukturwandel insgesamt zu bewältigen.

Es folgt ein Frankreich-Einschub: „Die Franzosen diskutieren dabei die Nachteile des Zentralismus. Deutschland ist mit seinem Föderalismus nicht schlecht gefahren“, ist Schäuble überzeugt. Beim Thema Autos muss doch noch eine Spitze her: „Die französischen Autos sind auch gut – aber die deutschen sind besser!“ Heiterkeit im Saal.

Schäuble war auch mal Innenminister. Gefährdungen der Sicherheit im Lande wie durch den Terrorismus lassen ihm auch heute keine Ruhe. „Wir haben die Pflicht als poltisch Verantwortliche, das Menschenmögliche zu tun, um Anschläge zu verhindern. Sonst geht das Vertrauen in den demokratischen Rechtsstaat verloren.“

Dieses Vertrauen stand auf dem bisherigen Höhepunkt der Flüchtlingskrise 2015 auf der Kippe. Schäuble: „Wir haben eine Menge gelernt, um in Zukunft die richtigen Entscheidungen zu treffen.“ Dazu zählt er zuallerst, dass „Geschäftsmodell der Schlepperbanden zu untergraben“. Das habe mit dem Türkei-Abkommen funktioniert, weshalb die Bundeskanzlerin es gemeinsam mit anderen auf Nordafrika übertragen wolle. Natürlich in enger Partnerschaft mit dem von Schäuble geschätzten Frankreich. Die von dessen Präsidenten Emmanuel Macron anvisierten Reformen finden noch besondere Erwähnung.

Im Deutschen Bundestag hat Schäuble so ziemlich alles erlebt, was denkbar erscheint. Doch sechs Parteien, wie nach dem 24. September zu erwarten, saßen dort noch nie. Dem Minister graut es vor dem Koalitionstheater, das nur eine absolute Oberhand der Union verhindern würde: „Wenn wir allein die Mehrheit haben, ist es mit der CSU lustig genug.“