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Wahlkampf Roter Teppich für die Rentner

Sozialministerin Nahles setzt auf Ältere, die freiwillig länger als auch flexibler arbeiten. Zum Wohl der Rentenkasse.

11.09.2017, 23:01

Berlin (dpa) l Es ging unter beim TV-Duell mit Martin Schulz (SPD), dass Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nicht nur der Rente mit 70 eine Absage erteilte. Sie betonte auch: „Wer länger arbeiten will, kann es.“ Tatsächlich haben Union und SPD vergangenes Jahr mit der Flexi-Rente schon eine Antwort auf das Älterwerden der Gesellschaft gegeben. Im Wahlkampf spielt das kaum eine Rolle. Da geht es vor allem darum, ob Merkels Nein zu generellem längeren Arbeiten glaubhaft ist. Doch wohin geht die Reise bei der Rente?

Die Flexi-Rente könnte ein Ansatzpunkt sein für eine zügige Rentenreform nach dem 24. September. Arbeitet jemand länger, wirkt sich das schon heute positiv auf die Rente aus. Und diejenigen, die mit 63 Jahren in Teilrente gehen, können bereits mehr als früher hinzuverdienen – jährlich 6300 Euro, alles darüber wird zu 40 Prozent auf die Rente angerechnet.

Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) kündigt jetzt an, die Flexi-Rente weiterentwickeln zu wollen. „Die Kombination von Teilzeit und Teilrente muss einfacher werden“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. „Die Hinzuverdienstmöglichkeiten können noch weiter vereinfacht werden.“ Im Unionswahlprogramm findet sich zur flexiblen Rente nichts, das Programm verzichtet auf Versprechen bei der Rente – eine große Kommission soll Vorschläge machen.

Eine Große Koalition könnte also auf Drängen der SPD und mit dem Segen der Kanzlerin eines weiter vorantreiben: die Flexibilisierung des Renteneintritts. So könnten die Parteien auch der unpopulären Debatte über eine Heraufsetzung des Rentenalters oder eine Koppelung an die steigende Lebenserwartung begegnen.

Kommen die Grünen mit in die Regierung, dürften auch sie sich weiterer Flexibilisierung nicht verweigern. Sie fordern eine attraktive Teilrente schon ab 60 Jahren – aber auch, dass es sich lohnen soll, länger als bis zum Rentenalter zu arbeiten. Die FDP will das feste Rentenalter sogar ganz abschaffen – wer früh in Rente geht, soll weniger, wer spät geht, soll mehr bekommen.

„Ich bin froh über jeden älteren Menschen, der fit ist und freiwillig länger arbeiten will“, sagt Nahles. „Denen rolle ich gern den roten Teppich aus.“ Doch kann sich eine neue Regierung auf mehr Flexibilisierung und Freiwilligkeit beschränken? Wohl kaum.

Zwar sind die Renten seit 2012 im Westen um 10,5 und im Osten um 19,1 Prozent gestiegen. Zwar ist das Rentenniveau – das Verhältnis der Standardrente nach 45 Jahren Arbeit zum durchschnittlichen Bruttoeinkommen – heute höher als prognostiziert. Doch: Die Sozialkassen stehen vor Belastungsproben. Millionen Babyboomer der Jahrgänge vom Ende der 50er bis in die 60er Jahre stehen vor der Rente. Zudem bekommen die Menschen länger Altersbezüge. Bis 2045 dürfte das Rentenniveau von heute 47,8 Prozent auf 41,6 Prozent sinken.

Auf jede neue Regierung rollt damit die Frage zu: Will sie ein Absinken des Absicherungsniveaus in Kauf nehmen? Sollen die Menschen doch generell länger arbeiten müssen und so die Rentenkasse entlasten? Oder soll viel mehr frisches Steuer- und Beitragsgeld in die Rentenkasse fließen?

Die Union verweist bisher lediglich auf die geplante Kommission – und darauf, dass die Rente sich wegen der guten Wirtschaftslage besser entwickelt hat als gedacht. Die SPD dringt auf eine große Rentenreform: mit einem bis 2030 abgesicherten Rentenniveau, einem nicht über 22 Prozent steigenden Beitragssatz, einer Rente von zehn Prozent über der Grundsicherung für Geringverdiener und mit Kosten, die bis 2019 auf gut 19 Milliarden Euro pro Jahr steigen.

Ein schwarz-roter Rentenstreit in Koalitionsverhandlungen wäre also wahrscheinlich. Allerdings haben auch die Renten-Fachpolitiker von CDU/CSU immer wieder eine Abfederung des Rentenniveaus ins Spiel gebracht. Die großkoalitionäre Konsensmaschine könnte nach der Wahl bei der Rente also bald auch wieder anlaufen.

Weniger einfach dürfte es mit den kleinen Parteien werden – egal ob bei Jamaika oder Schwarz-Gelb oder – von den Umfragen her nicht absehbar – bei einer Ampel oder Rot-Rot-Grün. Die FDP will möglichst viel Flexibilität. Und die Bestimmung der Rentenhöhe anhand der durchschnittlichen Lebenserwartung der jeweiligen Generation. Grüne und Linke setzen auf eine Verbreiterung der Einnahmeseite der gesetzlichen Rente: Selbständige sollen einbezogen werden.

Bleibt noch die Riester-Rente. Hier hat sich nach Expertenansicht Reformbedarf aufgestaut. Jeder fünfte der rund 16,5 Millionen Riester-Verträge ist ruhend gestellt. Die Sparer zahlen also nichts mehr ein. CSU-Chef Horst Seehofer hat vergangenes Jahr die Riester-Rente in heutiger Form für gescheitert erklärt und will nun eine stärkere Förderung. Andere Vorstellungen im politischen Raum gehen dahin, die Riester-Rente vielleicht aus der Hand der privaten Versicherungskonzerne zu nehmen.