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Hirnforschung Machen Handys und Dauersurfen dumm?

Der Hirnforscher Martin Korte warnt vor manchen Formen des Umgangs mit dem Internet. Ständiger Konsum könnte Denkblockaden fördern.

11.07.2019, 11:46

Berlin (dpa) | Wenn der Mensch große Informationsmengen verarbeiten soll, schaltet sein Gehirn gerne mal auf Abwehr. Fördert die Datenflut im Internet damit Denkblockaden? Mit solchen Aspekten digitaler Medien befasst sich der Braunschweiger Neurobiologe Martin Korte. Im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur rät der Professor, mehr Wissen im eigenen Gedächtnis abzuspeichern, statt sich aufs Internet zu verlassen.

Erleben wir gerade eine Revolution des Gehirns, weil viele Menschen massiv Smartphones und digitale Medien nutzen?

Ich sehe keine Revolution unseres Gehirns. Das Gehirn ist zwar hoch anpassungsfähig im Laufe unseres Lebens. Menschen können sehr viel lernen. Aber die genetische Grundkonstitution unseres Gehirns verändert sich in Zeiträumen von Zehntausenden von Jahren. Insofern erleben wir hier keine Revolution. Was ich eher glaube ist, dass wir einen Übergangszustand erleben, in dem wir lernen müssen, mit einer neuen Technologie umzugehen. Im Moment sehe ich jedoch Belege dafür, dass wir die digitalen Medien so einsetzen, dass wir unserem Gehirn keinen Gefallen tun.

Was läuft schief?

Eine Sache ist, dass wir zu viel Wissen auslagern und nicht mehr selbst versuchen, Wissen abzuspeichern. Das ist wichtig, um über komplexe Probleme nachdenken zu können und selber auf neue Lösungen zu kommen.

Und was wandelt sich in der digitalen Welt noch in den Köpfen?

Das Zweite, was sich im Gehirn verändert, ist dass das Arbeitsgedächtnis kleiner wird: Unser Konzentrationsvermögen, die Zeit, wie lange wir uns konzentrieren können, ohne uns abzulenken, wird kleiner. (...)

Um wie viel kleiner wird das Arbeitsgedächtnis?

Es gibt eine große Studie, dass wir hier von 15 auf 11 Sekunden abgefallen sind. Wenn man Probanden bittet, ohne dass sie wissen, worauf es ankommt, sich einen Begriff eine bestimmte Zeit zu merken, dann sieht man: Früher haben sie es 15 Sekunden geschafft. Jetzt schaffen die meisten nur noch elf Sekunden. Da sind wir deutlich abgefallen.

Sie sagen: Es gibt Berge von Informationen im Internet, die Menschen schwer bewerten können. Zugleich sind Menschen oft unkonzentriert und machen viele Sachen gleichzeitig. Diese Dinge spiegeln sich im Kopf?

Das Gehirn ändert seine Verarbeitungswege als Reaktion auf das, was von außen reinkommt. Wenn das Gehirn sich überfordert fühlt von der Informationsmenge, die es verarbeiten soll, dann passiert nicht, dass man sich hinsetzt und versucht, differenzierter zu denken. Stattdessen schaltet das Gehirn in einen Modus, undifferenziert zu denken und die Informationen eher abzuwehren. (...)

Und wie sicher ist, dass das mit den digitalen Techniken zu tun hat?

Ganz genaue Messungen dazu gibt es nicht, also keine 100-prozentige Sicherheit über Ursache und Wirkung, weil man nur Korrelationen, also Beziehungen, herstellt. Man kann zum Beispiel sagen, dass es seit 2007/08 deutlich zugenommen hat, dass sich mehr Menschen überfordert fühlen von Informationen. (...) Dieses Datum ist nicht zufällig, weil 2007 das iPhone eingeführt wurde. Kurz danach hatten in den westlichen Gesellschaften mehr als 50 Prozent der Leute ein Smartphone. Seitdem wir das Internet im Telefon bei uns tragen können, ist die Informationsmenge, mit der wir uns ständig umgeben, gewachsen.

Aber bewiesen ist die Verbindung nicht?

Man muss bei Korrelationen immer aufpassen. Es gab auch eine große Wirtschaftskrise und den Bankenzusammenbruch 2008. Für mich ist das mit dem Smartphone jedoch eine sehr überzeugende Korrelation.

ZUR PERSON: Martin Korte (54) ist Professor in der Abteilung Zelluläre Neurobiologie an der TU im niedersächsischen Braunschweig. Er untersucht die zellulären Grundlagen von Lernen, Gedächtnis und Vergessen. Der Hirnforscher berät Schulbehörden zu Fragen digitaler Medien.