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Wohnungsmarkt London Flucht auf das Hausboot

Die Mieten in London sind extrem hoch. Immer mehr Menschen ziehen daher auf Hausboote. Die bieten mehr als nur günstiges Wohnen.

Von Charlotte Zink 05.08.2017, 23:01

London (dpa) l Eine Badewanne am Kaminofen, eine geräumige Wohnküche und ein Doppelbett mit Blick auf den Sternenhimmel: Das Zuhause von Charlie McLaren bietet einiges, von dem viele Menschen träumen. Im Bauch eines ehemaligen Frachtbootes hat sich der 67-Jährige einen modernen Wohnraum eingerichtet, in dem er mit seiner Freundin lebt.

In Sichtweite der Londoner Tower Bridge schaukelt seine 32 Meter lange „VIOD II“ auf der Themse an einem Steg der Hermitage Moorings. Neben dem des Rentners liegen dort noch 17 weitere historische Boote. Darin wohnen Familien, junge Berufstätige und Rentner wie McLaren.

Für Tausende ist das Leben auf dem Wasser in London zu einer beliebten Alternative zu teuren Mietwohnungen geworden. An diesem Anlegeplatz jedoch geht es den Menschen um mehr als um Mietpreise.

„Es ist etwas Besonderes, mitten in London all seine Nachbarn beim Namen zu kennen“, sagt Charlie McLaren. Im Sommer fahren manchmal alle mit ihren Booten zusammen ans Meer oder treffen sich zum Grillen.

Für dieses Leben mit seiner Partnerin zahlt der ehemalige Journalist im Monat umgerechnet rund 1000 Euro. Inbegriffen sind Gemeindesteuer, Kosten für Heizung, Warmwasser und Instandhaltungsarbeiten und eine Verwaltungsgebühr für den Ankerplatz. An Land zahlen Anwohner in gleicher Lage schon für ein Zimmer mit integrierter Küche und kleinem Bad rund 1700 Euro Miete pro Monat.

„Für die meisten Menschen spielen die hohen Immobilienpreise eine wesentliche Rolle bei der Entscheidung, auf ein Hausboot zu ziehen“, weiß Fran Read vom Canal and River Trust. Die Organisation verwaltet den Großteil der Wasserwege Londons. „Zwischen 2012 und 2016 ist die Zahl der Bootbesitzer um 57 Prozent in die Höhe geschossen“, sagt Read. Knapp 60 Prozent der rund 3600 Boote würden als Wohnungen genutzt.

Während in Deutschland das Wohnen auf Hausbooten kaum eine Rolle spielt, hat der Trend in London vor allem Auswirkungen für die Bootsbewohner, die anders als McLaren keinen festen Ankerplatz haben. Denn das Gesetz schreibt vor, dass sie alle zwei Wochen ihren Standort wechseln müssen.

Eine Freiwilligenorganisation mit 750 Mitgliedern hilft umherziehenden Bootsbewohnern, etwa wenn die Schwierigkeiten mit den Behörden haben oder Orte mit der nötigen Infrastruktur suchen wie Zugang zu Frischwasser oder Abfallentsorgung. Der Großteil von ihnen lebt in deutlich einfacheren Verhältnissen als McLaren. Oft sind die Boote eng und nur mit einer kleinen Kochnische und einem funktionellen Bad ausgestattet. Fußbodenheizung wie an Bord der „VIOD II“ ist die Ausnahme.