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Sterbehilfe Kampf um den Freitod

Lange vor der Entscheidung zur gewerbsmäßigen Sterbehilfe ging das Thema in Einzelschicksalen durch die Medien - deutschland- und weltweit.

28.02.2020, 23:01

Magdeburg l Das Verbot der gewerbsmäßigen Sterbehilfe wurde aufgehoben. Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass der Paragraph 217 nicht mit dem Recht auf Selbstbestimmung vereinbar ist.

Damit ergeben sich in Deutschland neue Möglichkeiten für die Beihilfe beim Suizid - ein umstrittenes Thema, mit unterschiedlichen Ansichten je nach den eigenen ethischen, philosophischen und/oder religiösen Ansichten.

In Artikeln, Filmen oder Appellen an die Gesetzschreiber stehen oft Einzelschicksale im Vordergrund. Aus ihrem Stoff bestehen die großen, emotionalen Geschichten: Tragische Wendungen in einem (oft jungen) Leben und die anschließende Suche nach Erlösung im Freitod - oder einem überstürzten Ende, je nach Auffassung. Diese Geschichten gelangen oft zu nationaler oder internationaler Aufmerksamkeit.

Das Oscar-Drama
Der Spanier Ramón Sampredo erlitt 1968 - im Alter von 25 Jahren - eine Querschnittslähmung bei einem Tauchunfall. Für den Rest seines Lebens konnte der ehemalige Seemann nur noch den Kopf bewegen - eine Aussicht, die ihm sofort zuwider war.

1993 zog er vor Gericht und verlangte sein Recht, zu sterben. Doch Sampredo wurde abgewiesen, sowohl von der spanischen Justiz als auch vom Europäischen Gerichtshof. Die Beihilfe zu seinem Tod hätte also rechtliche Konsequenzen nach sich gezogen - jedenfalls ohne die richtige Vorbereitung.

Sampredo starb am 12. Januar 1998, nachdem er über einen Strohhalm Zyankali zu sich nahm. Das Gift wurde ihm von zwölf seiner Freunde bereitgestellt - in so kleinen Schritten, dass kein einzelner ernsthaft rechtlich verfolgt werden konnte.

Auch die spanische Öffentlichkeit war auf Sampredos Seite: 4000 eigentlich Unbeteiligte zeigten sich selbst der Beihilfe an, aus Solidarität. Der Vorfall wurde 2004 im Film "Das Meer in mir" mit Javier Bardem ("Skyfall") in der Hauptrolle umgesetzt, der im Folgejahr den Oscar als bester ausländischer Film gewann.

Suizid missglückt, der Tod verwehrt
Im selben Jahr, in dem Sampedro starb, begann ein bekannterer deutscher Vorfall: Peter Klunk fiel nach einem missglückten Suizid-Versuch in ein tiefes Koma, in dem er für sechs Jahre bleiben würde.

Klunks Vater setzte sich dafür ein, ihn nicht mehr künstlich am Leben zu halten. Dabei berief er sich auf eine mündliche Erklärung seines Sohnes, doch das Heim, in dem er behandelt wurde, weigerte sich. Erst nach einem unbehandelten Infekt starb Peter Klunk 2004. Somit wurde ihm der Wunsch erfüllt, der ihn sechs Jahre vorher in ein Koma versinken ließ.

Familienstreit
Klunk war ein spezieller Fall: Während es in vielen Ländern schon schwierig ist, bei Bewusstsein eine Erlaubnis für den Tod zu bekommen, besteht bei Komapatienten eine ganz andere ethische Frage. So etwa beim Franzosen Vincent Lambert, der 2019 nach zehn Jahren im Wachkoma verstarb.

Lambert befand sich nach einem Verkehrsunfall in einem vegetativen Zustand: Äußerlich erschien er wach, konnte jedoch auf keinerlei Einflüsse von Außen reagieren. Seine Frau wollte ihn sterben lassen, Lamberts Familie stellte sich jedoch entschieden dagegen.

Schließlich kam doch die Erlaubnis, die künstliche Ernährung einzustellen - zweimal. Beim ersten Mal wurde das Kommando nach wenigen Stunden zurückgezogen, Anfang Juli kam die dauerhafte Billigung. Lamberts Familie drohte für die Entscheidung mit rechtlichen Schritten, setzte diese aber nie um.

Suizid-Pakt auch bei bester Gesundheit
Ein anderer Sonderfall ist der, dass sich Patienten auch ohne großes Leid trotzdem den Freitod wünschen. Ein Beispiel dieses "Suizid-Tourismus" sind die Kanadier Betty und George Coumbias. Das Ehepaar wollte zusammen in der Schweiz sterben, die wegen ihrer Gesetzeslage ein beliebter Anlaufpunkt für den freiwilligen Tod ist. Die Dokumentation "The Suicide Tourist" von 2007 begleitete sie dabei.

Das Problem: Obwohl George wegen einer Herzkrankheit gute Aussichten hatte, die Todesreise genehmigt zu bekommen, war  seine Frau Betty kerngesund. Daher wurden sie abgelehnt - eine mögliche Fehlentscheidung, wie die nächsten Jahre zeigen würden: Betty erkrankte 2009 an Krebs und starb daran. George starb erst 2016.

2009, im Jahr von Betty Coumbias Tod, war ein prominentes Paar aus England mit seinem Vorhaben erfolgreich. Die beiden befanden sich in einer ähnlichen Situation: Der angesehene britische Dirigent Edward Downes war mit 85 fast vollständig blind und taub - nicht tödlich krank, aber auf seine Frau Joan angewiesen.

Joan, 74, ehemalige Choreographin und Fernsehproduzentin, war schwer an Krebs erkrankt. Die beiden fuhren in die Schweiz, um dort gemeinsam zu sterben.

Im Jahr darauf, 2010, starben auch zwei deutsche Prominente gemeinsam. Eberhard von Brauchitsch, ehemaliger Manager des Flick-Konzerns und Schlüsselfigur der Parteispenden-Affäre, und seine Frau Helga starben gemeinsam in der Schweiz. Beide waren 83 Jahre alt und schwer krank: Er hatte eine überblähte Lunge, sie litt an Parkinson